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Kammermusik und Industriekultur

Zum 8. "Rendez-vous musique nouvelle" im lothringischen Forbach




Von Sebastian Hanusa

Mit einem skeptischen Blick muß man wohl rechnen, spricht man einen Franzosen auf das östliche Lothringen an. Die Grenzstadt Forbach ist Symbol für den Niedergang der europäischen Montanindustrie und erfreut sich im französischen Kriminalgenre als Ort für Strafversetzungen großer Popularität. Seit einigen Jahren ist Forbach jedoch zugleich lothringisches Mekka der Neuen Musik. Dies ist in erster Linie dem engagierten Bürgermeister Charles Stirnweiss zu verdanken. Als 1992 die renommierten "Rencontres Internationales de Musique Contemporaine" in Metz ein abruptes Ende fanden, ermöglichte Stirnweiss den Organisatoren Inge Borg und Claude Lefebvre in Forbach einen Neuanfang: das Festival "Rendez-vous Musique Nouvelle", das dieses Jahr bereits zum achten Mal über die Bühne ging.ont>

Zwei Konstanten prägen die Programme Claude Lefebvres: Ästhetische Offenheit und eine tatkräftige Förderung des musikalischen Nachwuchses. Für letzteres stand diesjährig das Konzert der "Klasse für Neue Musik" der Musikhochschule Saarbrücken. Man konnte erleben, wie die Studierenden auf höchstem Niveau Virtuosität und musikalische Intelligenz verbanden und sich als heranwachsende Spitzenmusiker präsentierten. Elmar Schrammel gestaltete Berios "Sequenza IV" mit packender Intensität, Kurtágs "Splitters" für Cymbalon solo hatten in Enikö Ginzery eine nahezu vollkommene Interpretin und Rei Nakamura spielte Teile aus Cages "Sonatas and Interludes" für präpariertes Klavier mit schlafwandlerischer Sicherheit. Ihr kammermusikalisches Können stellten die Studierenden in den kurzen "Spots" von Frederic Rzewskis ebenso unter Beweis, wie in der europäischen Erstaufführung der "Apartment house exercise" von Christian Wolff – in einer Besetzung mit Flöte, Klarinette, Klavier, Cymbalon und Bontempi-Orgel.

Ergänzt wurde das Programm durch zwei Uraufführungen: Der junge Franzose Christophe Bertrand präsentierte in seinem Klavierstück "haos" minimalistische Patternmusik im impressionistischen Klanggewand, von der Türkin Zeynep Gedizlioglu erklang das elektronische Werk "die Tat": Eine gelungene Kombination kurzer, kaum bearbeiteter Vokal-Aktionen mit elektronischen Flächen. Ein Stück, das durch originelle Frische und respektlose Materialbehandlung bestach.

Der Industrie-Kultur verpflichtet war ein "interaktives Spiel von Licht und Klang" in der Kohlenwäsche der ehemaligen Zeche in Petite-Rosselle. Leider konnte die von der Sopranistin Sigune von Osten organisierte Veranstaltung wenig überzeugen. Deren Interpretation von Nonos "La fabbrica illuminata" litt ebenso unter dem prätentiösen Auftritt der Sängerin, wie die auch kompositorisch wenig ergiebigen Werke Knut Müllers und Sion Wuges. Gelungen waren lediglich die Klangskulpturen Ursula Haupenthals und die Uraufführung von Iris ter Schiphorts "...wie ein Wasserfisch...": Die Komponistin verband das Idiom der Avantgarde mit mittelalterlichen Volksweisen und Stilzitaten aus der Stummfilmmusik zu einer spannenden Einheit. Nur die Vokal-Partie in der Interpretation Sigune von Ostens blieb den Nachweis ihrer musikalischen Notwendigkeit schuldig.

Im Eröffnungskonzert beeindruckte vor allem das musikalische Niveau des Polnischen Kammerchors aus Danzig, weniger die Programmzusammenstellung. Mit Dieter Schnebels "Motetus I" und dem außerordentlich traditionsverhafteten "Agnus Dei" von Krzystof Penderecki waren es zwei ältere Werke, die je auf ihre Art überzeugen konnten. Dagegen blieb Zygmunt Krauzes "Bal w operze" mit seinen Kabarett-Imitaten genauso blass, wie François Rossés "Zungquell". Die Uraufführung der "Assemblages" der Rumänin Irinel Anghel schließlich war eine Mixtur aus Gesang, Sprache und diversem Schlagwerk, die reichlich konfus und wenig nach dem im Programmheft angekündigten "musikalischen Surrealismus" klang.

Auch François Narbonis Begleitmusik zu Textauszügen aus Charles Reznikoffs Textsammlung "United States" – uraufgeführt im Abschlusskonzert – machte einen eher verunglückten Eindruck: Die recht unmotiviert vorgetragenen Minimal-Stücke im Jazz-Gestus konnten weder für sich bestehen, noch war ein engerer kompositorischer Bezug zum Text der Rezitationen zu erkennen. Letzteres trifft auch auf José Luis Campanas "axolotl" zu. Während eine Stimme von CD den gleichnamigen Text des Argentinischen Dichters Julio Cortazar verlas, produzierte das "Ensemble Stravinsky" aus Metz eine musikalische Begleittapete. Immerhin wies diese schöne Klänge, gekonnte Instrumentation und eine klare Formulierung auf. Eine gelungene Verbindung von gesprochenem Text und Musik konnte man hingegen im dritten Stück des Konzerts erleben, in der "Musique pour René Char" des Festival-Leiters Claude Lefebvre. François-Xavier Frantz las aus der Poesie des surrealistischen Dichters, musikalische Miniaturen bildeten die Bindeglieder zwischen den einzelnen Gedichten. Deren Charakter ging weit über den einer atmosphärischer Untermalung hinaus. Vielmehr waren es präzise Reflexionen, die eng an Inhalt und Klang der Texte orientiert waren und zusammen mit diesen eine organische Einheit bildeten. Das Stück stand am Ende eines alles in allem gelungenen Festivals, dessen nächsten Jahrgang man mit Spannung erwarten darf.


Weitere Informationen zu Rendez-vous musique nouvelle: www.rendezvousmusiquenouvelle.com






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