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Musikfestspiele
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Tage Alter Musik in Herne

12. - 16. November 2003



Festspielbericht

Von Markus Brudereck, Ingo Negwer und Gerhard Menzel



Bereits zum 28. Mal hat das vom WDR und dem Kulturamt der Stadt veranstaltete Festival internationales Fachpublikum, Instrumentenbauer und Musikliebhaber zusammengeführt. Barabara Schwendowius, die das Herner Festival wieder konzipiert hat, findet immer wieder Möglichkeiten, um alter Musik neue Fassetten abzugewinnen. Dieses Jahr ging es unter dem Titel "...mit aller Freiheit..." um Improvisation und Virtuosität: Themen, die im Konzertbetrieb bis heute aktuell sind. In neun Konzerten und zwei Workshops schlug man dabei auch den Bogen bis in die heutige Zeit.

Das wuchtige Instrument aus der Werkstatt von Harm Dieder Kirschner - der Nachbau eines historischen Vorbilds aus naturbelassenem Holz - war der Blickfang auf der Bühne des Herner Kulturzentrums. Für das Publikum, das zum Gesprächskonzert von Johannes Geffert gekommen war, zog Johannes Geffert buchstäblich alle Register. Der Organist unterrichtet an der Kölner Musikhochschule ein Fach, um das Kirchenmusiker gern einen Bogen machen: Das Improvisieren. Wer als Organist einen Gottesdienst an der Orgel begleitet, muss noch heute die vier Grundarten der Improvisation beherrschen, die bereits Johann Mattheson in einem Traktat beschrieben hat. Geffert ist ein Meister dieser Kunst, ist sattelfest im Präludieren, Fugieren, in Choralgestaltung und in der freien Fantasie. Um auf solche künstlerischen Höhen zu gelangen, kann er seinen Schülern den Schweiß nicht ersparen. Und der fließt beim Improvisieren reichlich.
In seinem Gesprächskonzert im Rahmen der "Tage alter Musik in Herne" schilderte Johannes Geffert eindringlich, wie man mit Haut und Haaren dem Improvisieren verfallen kann. Carl Philipp Emauel Bach etwa steigerte sich fieberhaft ins stundenlange Phantasieren. "Mit aller Freyheit, ohne Takt" beschrieb Bach die Improvisation auf Tasteninstrumenten. Ein griffiges Motto, das zur Überschrift der diesjährigen "Tage alter Musik in Herne" wurde. Für WDR-Redakteurin Barabara Schwendowius, die das Festival seit Jahren betreut, galt es nicht nur aufzudecken, wo in der alten Musik Improvisation ihren Platz hatte - sei es in freier Form oder nach gefestigten Regeln. Es ging ihr auch um die Grenzen zu Interpretation und Aufführungspraxis: Hier sind Grundwissen und Kenntnisse vonnöten, die oftmals stillschweigend vorausgesetzt wurden.

Übungsorgel von Harm Dieder Kirschner
Die im Juni 2003 fertiggestellte, zweimanualige Übungsorgel (mit Pedal) von Harm Dieder Kirschner für das Seminar der Kirche S. Lourenço in Porto machte auf dem Wege nach Portugal - als Blickfang und "Protagonist" des Gesprächskonzerts mit Johannes Geffert - Zwischenstation auf der Bühne des Herner Kulturzentrums.

In diesem Jahr wagte man bei den "Tagen alter Musik in Herne" Grenzgänge und zog auch Verbindungslinien in die musikalische Gegenwart. In ihrem umjubelten Auftritt konfrontierten die "King's Singers" Musik des späten 16. Jahrhunderts mit zeitgenössischen Werken wie etwa die "Lobster Quadrille" aus den "Nonsense Madrigals" von György Ligeti.

Dass Jazz und alte Musik viel gemeinsam haben, konnte man in einem Workshop mit dem Klarinettisten Claudio Puntin und dem Zink-Virtuosen William Dongois studieren. Die zwei Workshop-Konzerte der diesjährigen "Tage alter Musik" waren eine Neuerung (ebenso die Einbeziehung des im Frühjahr 2003 eröffneten Westfälischen Museums für Archäologie als Veranstaltungsort). Außergewöhnlich diesmal auch, dass das Festival einen Tag früher eröffnete, um das Gastspiel des "European Union Baroque Orchestra" möglich zu machen. In diesem 1985 gegründeten Orchester, einer Initiative der Europäischen Union, haben junge Barockmusiker die Möglichkeit, unter erfahrenen Dirigenten zu arbeiten.
(Markus Brudereck)

European Union Baroque Orchestra

Roy Goodman, der 15 Jahre lang das Orchester geleitet hat, nimmt mit dieser Saison Abschied von diesem Ensemble. Das Programm für Herne war ausgerichtet auf stilistische Vielfalt, das zudem viel Raum für Improvisation und Virtuosität bot. Schon im ersten Werk des Abends, Tomaso Albinonis Konzert C-dur für 2 Oboen und Streicher, präsentierte sich das Orchester mit seinem leicht-federnden Spiel in blendender Verfassung. Es folgte Johann Sebastian Bachs Konzert d-moll für 2 Violinen und Orchester und Georg Friedrich Händels Concerto grosso B-dur, op. 3/2 HWV 313. Nach der Pause liefen die jungen MusikerInnen dann sogar zu wahrer Hochform auf und rissen mit Jan Dismas Zelenkas Allegro aus der Sinfonia a 8 concertanti, Georg Philipp Telemanns Konzert F-dur für 3 Violinen und Orchester und Jean-Philippe Rameaus Suite aus "Dardanus" das Publikum zu Begeisterungstürmen hin und bekam dafür auch noch eine Zugabe mit "Tanzeinlage" von Roy Goodman. Aber nicht nur das Orchester als homogener Klangkörper, sondern auch die zahlreichen Solisten sorgten mit musikantischem und glanzvollem Spiel für ungetrübten Festivalglanz.

Le Concert Brisé

Weniger schwungvoll und abwechslungsreich ging es beim Konzert "Il vero modo di diminuir" mit dem Ensemble "Le Concert Brisé" zu. Die Improvisationen, Diminutionen und virtuosen italienische Sonaten aus dem 16. und 17. Jahrundert stellten meist exceptionelle Beispiele dar, wie man die immer mehr aufkommende, rein instrumentale Musik nach vokalen Vorbildern erfand und irgendwann auch einmal aufschrieb. Zumeist improvisierte man über Madrigale, Chansons und Melodien, die allgemein bekannt waren. Die Instrumentalisten Christine Moran (Violine), Carsten Lohff und Anne-Catherine Bucher (Orgel und Cembalo) und Benjamin Perrot (Theorbe) musizierten unter der Leitung des Zink-Virtuosen William Dongois, einem Spezialisten für die Musik des 16. und 17. Jahrhunderts (und der auch beim Improvisations-Workshop im Westfälischen Museum für Archäologie mitwirkte). Die Feinheiten und spezifischen Fertigkeiten der Interpretationen wird allerdings nur ein sehr kleiner Teil des Publikums so wirklich genossen haben können.
(Gerhard Menzel)

Konzertprogramm

Das italienische Duo Vittorio Ghielmi (Viola da Gamba) und Luca Pianca (Laute) gestalteten das Konzert am Donnerstagabend im Kulturzentrum. Auf dem Programm standen Kompositionen "Upon a Ground & Pièces de caractère" aus England und Frankreich.
Besonders auf der britischen Insel schätzte man im 17. Jahrhundert virtuose Improvisationen über eine stets gleich bleibende Bassmelodie. Zahlreiche schriftlich fixierte Beispiele dieser Musizierpraxis sind uns - zumeist anonym - überliefert; Christopher Simpson veröffentlichte mit "The Division Viol" (London 1665) gar eine Anleitung zum Spiel "upon a Ground". Die Interpreten nahmen sich dieser Miniaturen mit federnd leicht pulsierendem Spiel, aber auch mit temperamentvoll kräftigem Zugang an.
Vittorio Ghielmi und Luca Pianca, Mitglieder des Orchesters "Il Giardino Armonico" und von daher eher als Spezialisten des italienischen Barock bekannt, bewiesen in Herne, dass sie sich auch in der delikaten französischen Kammermusik zuhause fühlen. So meisterte Vittorio Ghielmi die zu hochvirtuosen Charakterstücken ausgearbeiteten Tanzsätze von Marin Marais, Antoine Forqueray und Louis de Caix d'Hervelois mit Bravour und sicherem stilistischen Gespür. Luca Pianca, dessen fantasievolles Generalbass-Spiel durch eine große Präsenz besticht, war ihm ein ebenbürtiger Partner. Solistisch steuerte Pianca Werke von John Dowland und Robert de Visée zu einem gelungenen Konzertabend bei.

"Mit aller Freiheit" - so das Motto der diesjährigen Tage Alter Musik in Herne - nahm sich das Ensemble Labyrinto unter der Leitung von Paolo Gandolfi schriftlich notierter Werke der Renaissance an, die die Grundlage für freie Improvisationen bildeten. Ostinate Harmoniemodelle, wie Passamezzo moderno oder Folia, erfuhren durch die höchst kompetenten Interpretationen des Ensembles eine von großer Spielfreude geprägte Neubelebung. Auch über mehrstimmige Vokalmusik, wie etwa Cipriano de Rores "Anchor che col partire", wusste der versierte Gambist Gandolfi ein reiches Rankenwerk virtuoser Diminuitionen zu entwickeln. Die ursprüngliche Gestalt der Kompositionen trug Laura Polimeno mit ungekünstelt schlichtem Gesang vor. Zum Abschluss des umjubelten Konzerts spannte Labyrinto mit "Bagdad Springs" einen Bogen zur aktuellen Gegenwart.

Der "Contrapunto alla mente", d.h. das Improvisieren einer kontrapunktischen Gegenstimme zu einem gegebenen Cantus firmus, gehörte im 15. und 16. Jahrhundert zu den Fähigkeiten, die man von einem professionellen Sänger erwartete. Er war in jener Epoche ein fester Bestandteil der musikalischen Praxis. Wir wissen heute nicht mehr, wie diese hochentwickelte, im Laufe der Jahrhunderte aber völlig in Vergessenheit geratene Kunst wirklich geklungen hat. Jedoch scheinen sich in den überlieferten Kompositionen Spuren des "Contrapunto alla mente" erhalten zu haben.
Paul van Nevel hat u. a. in den Werken von Antoine Brumel, Palestrina, Guillaume Dufay und Josquin Desprez diese Relikte aufgespürt. Am Freitagabend war das Ergebnis in Form eines spannenden Konzertereignisses mit dem Huelgas Ensemble zu erleben. Über die Qualitäten dieses seit vielen Jahren herausragenden, mit bestechender Homogenität agierenden Vokalensembles ausführlich zu berichten, hieße Eulen nach Athen zu tragen. Und so beeindruckte das Huelgas Ensemble unter der Leitung von Paul van Nevel auch im Rahmen der Tage Alter Musik in Herne das Publikum in der bis auf den letzen Platz gefüllten Kreuzkirche.

Inszenierung von Musik - ebenfalls zentrales Thema des Festivals - stand im 18. Jahrhundert ganz besonders im Zeichen der großen Gesangsvirtuosen, denen die Komponisten ihre Werke quasi "auf den Leib" schrieben. Ein sängerisches "Duello amoroso" mit Werken jener Epoche sollte im Zentrum des live gesendeten Samstagabendkonzerts stehen. Da der Bassist Harry van der Kamp jedoch indisponiert war und u. a. auf "seine" Kantate (A. Scarlattis "Imagini d'orrore") verzichten musste, litt das Duell von Beginn an ungleichen Voraussetzungen. Suzie Le Blanc stellte im Herner Kulturzentrum einmal mehr unter Beweis, dass sie zu den ganz großen Sängerpersönlichkeiten der Alte-Musik-Szene zählt. Mit klarem, überaus präsentem Sopran weiß sie die wechselnden Affekte sowohl in den Arien als auch in den Rezitativen dramatisch zu gestalten: besonders eindringlich die Kantate "Alpestre monte" von Georg Friedrich Händel.Eine Premiere erlebte in diesem Konzert das Ensemble Tempo rubato. Unter der Leitung von Alexander Weimann (Cembalo und Orgel) sorgte es für die instrumentale Unterstützung der Sänger und stellte sich mit Werken von Alessandro Stradella, Pietro Antonio Locatelli und Giuseppe Valentini dem Publikum vor. Eine Offenbarung, die aufhorchen ließ, war Tempo rubato an diesem Abend jedoch noch nicht. Die im italienischen Gusto komponierten Concerti blieben insgesamt doch eher blass. Insbesondere Locatellis "Il Pianto di Ariana" für Solo-Violine (Veronika Skuplik), 2 Violinen, 2 Violen und Basso continuo wirkte als gleichsam rein instrumentale "dramatische Szene" zu brav, zu wenig plakativ.
(Ingo Negwer)

Lorenzo Ghielmi, der sich sowohl auf Cembali italienischer und französischer Bauart, als auch auf dem Hammerklavier (ein Instrument nach dem Modell von Gottfried Silbermann, was eine schöne Querverbindung zum diesjährigen Symposion schuf) als einfühlsamer Fährtenleser und phantasiereicher Nachschöpfer erwies, präsentierte dagegen eine farbige und abwechslungsreiche Reise "vom stylus phantasticus bis zum musicalischen Opfer". Während Girolamo Frescobaldis Toccata I in g und Cento Partite sopra Passacagli Beispiele für den Stylus phantasticus, den frei improvisatorischen Stil in der Musik des 17. Jahrhunderts sind, gehört Dietrich Buxtehudes Praeludium g-moll (BuxWV 149) bereits zum deutschen Paraeludienstil, der den an die italienisch Tokkatentradition anknüpfte. An den legendärer Wettstreit zwischen Louis Marchand und Johann Sebastian Bach erinnernd, setzte Lorenzo Ghielmi Marchands Prélude, Allemande, Chaconne in d zwischen Bachs Praeludium (Fantasia) a-moll (BWV 922) und die Toccata e-moll (BWV 914). Im Schlussteil des Konzertes erklang dann noch Musik, die am Hofe Friedrichs des Großen. Carl Philipp Emanuel Bachs Fantasien in c-moll (Wq 63/6) und D-dur (Wq 112/14) umrahmten dabei das Ricercar a 3 aus dem Musicalischen Opfer (BWV 1079) seines Vaters, in dem sich Improvisation als höchste Kompositionskunst der Kontrapunktik präsentiert.
Michael Müller begleitete als Sprecher das Konzert, indem er Passagen aus zeitgenössischen Texten von Mattheson und Forkel zitierte und damit die Verknüpfung von musizierter Praxis und ausformulierter Theorie schuf.

Ensemble Millenarium

Andreas Nachtsheim war der Moderator des Konzertes "Musica virtuosa - Virtuosität und mündliche Tradition in der Musik des Mittelalters" in der Kreuzkirche, das vom 1999 gegründeten Ensemble Millenarium gestaltet wurde. Henri Tournier (Flöte), Baptiste Romain (Fiedel), Eva Fogelgesang (Rebec und Harfe), Philippe Malfeyt (Laute), Thierry Gomar (Schlaginstrumente) und Christophe Deslignes (Organetto) versuchten allderdings nicht nur, Werke von Jacopo da Bologna, Francesco Landini, Matteo da Perugia und anonymen Komponisten des Mittelalters - nach kritischer Auseinandersetzung mit den Quellen - mittels eigener Kreativität zu neuem Leben zu erwecken, sondern führen nach der Art der italienischen Vorbilder vom Ende des 14. Jahrhunderts, wie sie in den Diminutionen des Codex Faenza und den Istampite der Londoner Handschrift British Library Add. 29987 zu finden sind, diese Tradition fort, indem sie neue Kompositionen mit eigenen Arrangements und Improvisationen schaffen. Die meist bevorzugte Anlage der Stücke (Steigerung von einer langsamen, solistischen Einleitung zum schnellen Tuttispiel) wurde durch die abwechslungsreiche instrumentale Gestaltung zu einem farbigen Kaleidoskop mittelalterlicher Musik im hier und heute.
(Gerhard Menzel)

Vielleicht sind die "Tage alter Musik in Herne" im Jahr 2003 ein größerer Erfolg geworden als noch im Jahr zuvor. Eindeutig mehr Publikum drängte sich an den Auslagen der Anbieter von CDs und Noten und flanierte im oberen Foyer durch die Ausstellung der Musikinstrumentenbauer. Viele der Konzerte waren ausverkauft oder sehr gut besucht. Und auch Nachbauten historischer Musikinstrumente waren wieder ausgestellt. In diesem Jahr trafen sich in Herne zahlreiche Orgelbauer. In den insgesamt neun Konzerten konnte nicht jedes Ensemble gleichermaßen überzeugen. Eher enttäuschend zum Beispiel der Auftritt des von Alexander Weimann geleiteten Ensemble "Tempo rubato". Nicht nur, dass hier Bassist Harry van der Kamp mit einem schweren Grippeanfall zu kämpfen hatte, aber dankenswerter Weise dennoch auftrat und so das Konzert rettete. Der musikalische Funke wollte nicht recht überspringen. Die bei alter Musik üblichen Unannehmlichkeiten durch Nachstimmen, Nebengeräusche und unsaubere Intonation musste man hier mehr als üblich in Kauf nehmen.

Musikalisch herausragend jedoch war in diesem Jahr vieles. So präsentierte das Huelgas Ensemble unter der Leitung von Paul van Nevel mit der ihm eigenen atemberaubenden Präzision die längst vergessene Technik des "Contrapunto alla mente". Hier improvisiert jeder Sänger über eine feststehende Melodielinie. Unterhaltsamer Höhepunkt war ein dreistündiges Konzert am Sonntagabend. Bevor die "King's Singers" im Herner Kulturzentrum das Publikum zu Beifallsstürmen hinrissen, improvisierten die Schauspieler des "Theaters Narrattak" in historischen Kostümen Szenen aus der Commedia dell'Arte. Selten, dass man das diese alte, bis heute fortwirkende Volkskunst einmal im Original auf der Bühne sieht.
(Markus Bruderreck)

Trotzdem hätte man aus diesem großen Finale der Tage Alter Musik in Herne gut zwei eigenständige Veranstaltungen machen können, so unterschiedlich waren die beiden Teile.

Ensemble Cordarte und Theater Narrattak

Obwohl das Ensemble Cordarte mit Daniel Deuter (Violine), Heike Johanna Lindner (Viola da gamba), Stephan Maass (Theorbe) und Michael Borgstede (Cembalo) den musikalischen Part des ersten Teils mit Engagement bestritten, standen doch die vier spielfreudigen Protagonisten des Theater Narrattak (Toss Renneberg, Bärbl Kandziora, Ute Schütgens, Ekkehard Euman) eindeutig im Mittelpunkt des Geschehens. Sie präsentierten die commedia dell'arte (das Stegreiftheater aus Italien) auf ihre unterhaltsamste Weise. Die Triosonaten im stylus phantasticus von Dietrich Buxtehude, Johann Heinrich Schmelzer u.a. wirkten dabei oft nur als retardierende Momente eines szenischen Feuerwerkes.

The King's Singers

Im zweiten Teil präsentierten dann The King's Singers in der Besetzung David Hurley und Robin Tyson (Countertenor), Paul Phoenix (Tenor), Philip Lawson und Gabriel Crouch (Bariton) und Stephen Connolly (Bass), neben Werken von Orlando di Lasso, Claudio Monteverdi, Carlo Gesualdo, u.a., auch Kompositionen des 20. Jahrhunderts, wie z.B. von György Ligeti und Joby Talbot, die sich in ganz unterschiedlicher Weise mit dem italienische Madrigal des 16. und 17. Jahrhunderts auseinander setzten. Mit einer eindrucksvollen stimmlichen und interpretatorischen Leistung beendeten The King's Singers damit die 28. Tage Alter Musik in Herne.



CD-Kassetten

Ausschnitte der Konzerte aus dem letzten Jahr, in dem es um "FRAUEN IN DER MUSIK - Werke vom Mittelalter bis zur Weimarer Klassik" ging, sind wieder als CD-Kassette (mit 4 CDs) erschienen und für 30,00 € beim Kulturamt der Stadt Herne zu beziehen.



Einen besonderen Stellenwert im Rahmen der TAGE ALTER MUSIK IN HERNE 2003 fiel dem Symposium mit dem Thema "wir loben deine kunst, dein preiß ist hoch zu schätzen" im Hause der Martin-Opitz-Bibliothek zu. Diese Veranstaltung der Stadt Herne war dieses Jahr dem Orgelbauer Gottfried Silbermann gewidmet, dessen Todestag sich zum 250. Male und Geburtstag zum 320. Male jährte.

Im Mittelpunkt des Symposiums stand das Schaffen Gottfried Silbermanns als Orgelbauer. Unter der Leitung von Prof. Dr. Christian Ahrens (Ruhr-Universität Bochum) berichteten Orgelbaumeister und Musikwissenschaftler - wie Wieland Rühle (Moritzburg), Prof. Dr. Frank-Harald Greß (Dresden), Dr. Klaus Langrock (Dortmund), Prof. Dr. Matthias Schneider (Greifswald) und Prof. Siegbert Rampe (Köln) - sowohl über die Erhaltung und Restaurierung von Silbermann-Orgeln, als auch über die orgelbauliche Konzeption Gottfried Silbermanns und die Auswirkungen seiner Klangästhetik auf den Orgelbau der Gegenwart. Dabei wurden die musikalischen Möglichkeiten sowie die klanglichen Besonderheiten seiner Orgeln zwar diskutiert, aber die akustische Demonstration blieb man dem Publikum schuldig. Gerade Andreas Hahn (Dresden) versäumte es in seinem Beitrag über die "Aspekte der Restaurierung und Rekonstruktion der Gottfried Silbermann-Orgel in der Kathrale zu Dresden - Windversorgung und Stimmtonhöhe", die auf Tonträger ausgiebig dokumentierten Klangbeispiele vor und nach dieser Restaurierung in seine Ausführungen mit einzubeziehen. Überhaupt erwies sich der Umgang mit akustischen und visuellen Medien als sehr ungenügend.

Gottfried Silbermann
(1683 - 1753)

Gottfried Silbermann wurde am 14. Januar 1683 in Kleinbobritzsch, einem kleinen Dorf bei Frauenstein in der Nähe Freibergs geboren und verstarb am 4. August 1753 während der Arbeit an der Orgel der Katholischen Hofkirche in Dresden.
Seine Orgeln waren weit über die Grenzen Mitteldeutschlands, wo er nahezu ausschließlich wirkte, bekannt und berühmt. Er war einer der bedeutendsten deutschen Orgelbauer des 18. Jahrhunderts, dessen Ruhm ihm schon zu Lebzeiten den anerkennenden Beinamen "Daedalus der Sachsen" ein brachte. Anerkennung und Ehre genoss Gottfried Silbermann aber auch als Hersteller von "Clavieren", d. h. Clavichorden, Cembali und Hammerflügeln. Ihm gebührt auch das Verdienst, als erster in Deutschland die von Bartolomeo Cristofori in Florenz erfundene Hammermechanik nachgebaut und vervollkommnet zu haben. Indem er seinen Hammerflügeln eine Dämpfungsaufhebung hinzufügte, die den Instrumenten seines Florentiner Kollegen fehlte, schuf er den eigentlichen Prototypus des Hammerklaviers. Zudem gab er dem neuen Instrument jenen Namen, den es bis weit ins 19. Jahrhundert hinein trug: "Fortepiano" bzw. "Pianoforte".

Auf dem Programm der diesjährigen Exkursion stand zum einen der Essener Dom und zum anderen die Kokerei Zollverein, zwei prägnante Marksteine von historisch außerordentlicher Bedeutung, nicht nur für die Stadt Essen, sondern für das gesamte Ruhrgebiet (Das TOURISTISCHES RAHMENPROGRAMM der TAGE ALTER MUSIK IN HERNE).


Die nächsten Tage alter Musik in Herne finden vom 10. bis 14. November 2004 statt. Im Zentrum der Musikinstrumentenausstellung der Stadt Herne stehen Kielinstrumente. Das Motto der Konzertreihe des WDR lautet "Wahn, Wirklichkeit, Vision".
(Gerhard Menzel)


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Da capo al Fine

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