Ein Kontrastprogramm bei den 26. Händel-Festspiele in Karlsruhe
Von Gerhard Menzel
Gewaltige Kontraste dominierten das Programm der 26. Händel-Festspiele in Karlsruhe, den ersten Festspielen in der Ära Achim Thorwalds als Generalintendanten des Badischen Staatstheaters. Die Aufführungen bescherten dem Publikum dabei ein reich(lich)es Wechselbad der Gefühle.
GIUSTINO
Oper in drei Akten
von Georg Friedrich Händel
Kai Wessel als Giustino
Foto: Jacqueline Krause-Burberg
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Abweichend vom bisherigen Usus (eine Neuproduktion und eine Wiederaufnahme aus dem Vorjahr) standen dieses Jahr ausschließlich zwei neue Operninszenierungen auf dem Programm. Nach der karnevalistisch bunten und comedyartigen Eröffnungspremiere mit Händels 1737 in London mit Erfolg uraufgeführten Oper GIUSTINO durch ein in Karlsruhe neues Produktionsteam folgte am nächsten Tag Händels 24 Jahre zuvor komponierte und von Ulrich Peters ins Gangstermilieu eines Al Capone verlegte - und an alte Schwarzweiß-Filme gemahnende - Oper LUCIO CORNELIO SILLA.
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LUCIO CORNELIO SILLA
Oper in drei Akten
von Georg Friedrich Händel
Foto: Jochen Klenk
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Eigentlicher Festspielglanz kam allerdings erst mit der Aufführung von Händels Oratorium Theodora auf. Garant dafür war Dirigent Timothy Brown, der mit seinem Clare College Choir aus Cambridge nach vielen Jahren endlich einmal wieder in Karlsruhe auftrat und für eine musikalisch hochkarätige Interpretation von Händels - im Vergleich zu anderen Oratorien - eher selten aufgeführten Werkes sorgte. Dabei hielt Händel seine Theodora für das bedeutendste Werk, das er jemals geschaffen hätte. Der Librettist, Reverend Thomas Morell, ließ sich in diesem von Ereignissen inspirieren, die sich unter Kaiser Diokletian (284-305 n. Chr.) zugetragen haben sollen.
Die Titelpartie der Theodora gestaltete Gesa Hoppe sehr eindrucksvoll und mit großer Hingabe. Erwies sie sich schon 1998 als Deidamia in Hagen als einfühlsame Händelinterpretin, stellte sie auch hier ihre schöne und ausgeglichene, auch im Piano noch ausdrucksstarke Stimme ganz in den Dienst der couragierten Theodora, die sich als selbstbewusste Christin, den Herrschaftsansprüchen der Staatsmacht entgegenstellt und den Märtyrertod zusammen mit dem Geliebten dem Verrat an ihrem Glauben vorzieht. Diesem gefestigten, ruhenden Charakter entspricht auch musikalisch die gleichsam schwebende Melancholie ihrer Arien in langsamen Tempi und Moll-Tonarten, die sie unaufdringlich, aber mit großer Intensität gestaltete.
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Gesa Hoppe
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Eine Mischung aus Glaubensgewissheit und Traurigkeit dominieren auch die Chöre der Christen, während die der Römer eher martialisch geprägt sind. Der Clare College Choir, dessen junge Mitglieder seit den letzten Auftritten in Karlsruhe zwar gewechselt haben, deren Chorklang aber durch seine Ausgeglichenheit und jugendliche Frische wiederum begeisterte, sang sich erneut in die Herzen des Publikums (im Gegensatz zu manch anderen Chören beherrschen sie auch das lautlose und synchrone Aufstehen und Niedersetzen!). Es bleibt zu hoffen, das Timothy Brown und sein Chor auch in den nächsten Jahren wieder ständiger Gast bei den Karlsruher Händel-Festspielen sein wird!
Ein fester Bestandteil der Festspiele ist jedenfalls das Orchester der Deutschen Händel-Solisten, die unter der engagierten Leitung von Timothy Brown an diesem Abend in Topform musizierten. In blendender Verfassung zeigte sich auch wieder einmal Ewa Wolak als Irene, einer Gefährtin von Theodora. Schon in Scarlattis komische Oper Il trionfo dell`onore" / Der Triumph der Ehre und im letzten Jahr als Erode in dem Händel-Pasticcio Die Plagen von Sven Severin faszinierte sie durch ihre warme, wie schwerer Samt leuchtende Altstimme. Ihre opulente Tiefe hat inzwischen - trotz hinzugewonnener dramatischer Farben - nichts an Leichtigkeit und Flexibilität verloren.
Aber auch die Herren trugen an diesem Abend zu dem gemeinsamen Erfolg der Aufführung teil. Klaus Schneider (Septimius) mit seinem lyrisch geprägten Tenor,
Christof Fischesser (Valens) mit mächtigem, aber sehr behändem Bass und
Charles Humphries, der hier als dem Christentum zugewandter Römer Didymus vom Charakter her einen wesentlich besseren Eindruck hinterließ, als er es am Tag zuvor als Gangstertyp des Lucio Cornelio Silla tat.
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Timothy Brown, der Clare College Choir Cambridge,
die Solisten und die Deutschen Händel-Solisten
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PREISTRÄGERKONZERT
des Karlsruher Händel-Jugendwettbewerbs
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Im inzwischen 8. Preisträgerkonzert des Karlsruher Händel-Jugendwettbewerbs, der jährlich von der Internationalen Händel-Gesellschaft Karlsruhe im Rahmen der Jugend-Barock-Reihe veranstaltetet wird, übten sowohl der Generalintendant des Badischen Staatstheaters, Achim Thorwald, als auch der Vorsitzende der Händel-Gesellschaft Karlsruhe, Prof. Dr. Siegfried Schmalzried, deutlich Kritik an der politisch verantworteten Kulturverödung und hoben die vielen, durch privaten Einsatz (z.B. von Schülern, Lehrern und Eltern) ermöglichten und erzielten musikalischen Erfolge um so mehr hervor.
Eine zeitliche Verlegung der Ausscheidungen in den unterschiedlichen Kategorien in Hinsicht auf die Terminierung von "Jugend musiziert", ermöglichte den jungen Musikerinnen und Musikern erstmals optimalere Teilnahmebedingungen. Die musikalischen Leistungen im Duo, Trio und Ensemblespiel waren dabei durchweg sehr erfreulich und sollten die Aktiven weiterhin zum intensiven musizieren ermuntern.
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Ansonsten standen - neben den Wiederholungsaufführungen der beiden Opernproduktionen - nur noch drei weitere Konzerte auf dem Festspielprogramm. Zwei davon wurden vom festivaleigenen Orchester der Deutsche Händel-Solisten bestritten. Zum einen, das Kammerkonzert mit Werken von Johann Friedrich Fasch, Georg Friedrich Händel, Marc-Antoine Charpentier und Johann Sebastian Bach, zum anderen, das jährliche Festkonzert der Deutschen Händel-Solisten unter der Leitung von Andreas Spering mit Kompositionen von Georg Friedrich Händel und William Boyce.
Außerdem gab es noch ein Orgelkonzert in der Johannis-Kirche, an dem auch Mitglieder der Badischen Staatskapelle unter der Leitung von Andreas Schröder und die - schon als Theodora glänzende - Sopranistin Gesa Hoppe beteiligt waren. Neben Werken von Friedrich Wilhelm Zachau und Alexandre Guilmant, erklang u.a. auch das im Jahr 2001 in Göttingen uraufgeführte Gloria für Sopran, Streicher und Basso continuo von Georg Friedrich Händel als Karlsruher Erstaufführung.
Das Symposium der Internationale Händel-Akademie Karlsruhe widmete sich dieses Jahr der "Empfindsamkeit in der Klaviermusik nach 1730 und ihre Voraussetzungen", zu der wieder zahlreiche renommierte Wissenschaftler eingeladen waren.
FAZIT
Neben einem (zumindest) musikalisch hochkarätigem Giustino und einem furchtbar langweiligen Lucio Cornelio Silla bleibt zu hoffen, dass mit dem Engagement von Timothy Brown und seinem Clare College Choir aus Cambridge eine neue Ära von Chor- und Oratoriumsaufführungen eingeleitet werden konnte.
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