Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur Homepage Zur Festspielseite E-Mail Impressum



Fußbad statt Whirlpool

Die erhoffte Klangorgie bliebt aus: "Musik im 21. Jahrhundert" des Saarländischen Rundfunks

Saarbrücken, 28.5. - 1.6.2003



Von Sebastian Hanusa


Bereits im fünften Jahr lud der Saarländische Rundfunk für sein Festival "Musik im 21. Jahrhundert" einen externen künstlerischen Leiter ein, um mit der Programmgestaltung seine ganz persönliche Sichtweise auf die Neue Musik zu präsentieren. Dieses Jahr war es die Komponistin Kaija Saariaho, eine der bekanntesten Vertreterinnen einer nun auch nicht mehr ganz jungen Generation finnischer Musikerinnen und Musiker. Diese unternahmen ab Ende der 70er Jahre den Anschluß an die mitteleuropäische Avantgarde und befreiten Finnland aus der kulturellen Randlage. Und indem Saariaho neben zwölf eigenen Werken auch eine Art künstlerischer Biographie auf dem Festival präsentierte, war dieses zugleich Retrospektive auf 25 Jahre finnischer Musik.

Das Konzert des Tapiola-Kinderchors mit Volksmusik und zeitgenössischer skandinavischer Chormusik stand für die große Tradition finnischer Musikpflege. Mit Stücken von Magnus Lindberg und Esa-Pekka Salonen waren Mitbegründer der Komponistengruppe "Korvat auki!” vertreten, der Cellist Anssi Kartunen – Gründer des mittlerweile international renommierten Kammerorchesters "Avanti!” – gab ein Solo-Rezital und Jukka-Pekka Saraste dirigierte das Abschlußkonzert. Die nachfolgende Generation war vertreten durch die Saariaho-Schüler Paola Livorsi, Oliver Knussen und Juha T. Koskinen, an die der SR Kompositionsaufträge vergeben hatte. Zudem gestaltete die mit Saariaho befreundete Flötistin Camilla Hoitenga zwei Kammerkonzerte mit einem Schwerpunkt auf zeitgenössischer japanischer Musik.

Die große Stärke von Saariahos eigener Musik ist eine ausgefeilte und sensible Instrumentationskunst, in der spürbar wird, dass die Künstlerin seit 1982 in Paris lebt. Der Grundgestus der Stücke ist zumeist zurückhaltend und große Gesten werden zugunsten leiser Zwischentöne vermieden. Als Inspirationsquelle bezieht sich Kaija Saariaho in vielen ihrer Kompositionen auf Lyrik oder auch auf Erscheinungen in der Natur wie das Flattern der Schmetterlinge oder einen Regenbogen über dem Meer.

Aber gegenüber einem Komponisten wie Henri Dutilleux, dessen Orchesterwerk "The Shadows of time” im Abschlußkonzert erklang, oder auch in Kontrast zu George Crumbs "Madrigalbuch I” – gespielt von Lucy Shelton (Sopran), Thierry Miroglio (Schlagzeug) und Camilla Hoitenga (Flöte) - fällt eines auf: Gegenüber genannten Komponisten, deren Umgang mit Klang für Saariaho sicherlich Orientierungspunkt war, wirkt ihre Musik irgendwie unpersönlich und distanziert. Der Eindruck einer perfekt komponierten Oberfläche entsteht, die jedoch beim Zuhören eine gewisse Gleichgültigkeit erzeugt und einen Eindruck von Unverbindlichkeit erzeugt.

Bei versuchter Dramatik verfällt Saariaho überdies ins Floskelhafte: Die enorme Virtuosität des Violin-Konzerts "Graal Theatre” (Solistin Gabrielle Brunner) geriet zu inhaltsleerer Artistik. Hier wie auch im Ensemble-Stück "Solar” (Klangforum Wien) wird versucht mit klappernden Achtel-Ostinati Tempo zu suggerieren, ohne daß dies sich aus dem musikalischen Kontext sinnvoll ergibt. Ein Problem, an dem auch Esa-Pekka Salonens blasses Orchesterwerk "Giro” krankte. Enttäuschend zudem Saariahos Umgang mit Elektronik. Meist beschränkte sie sich darauf, Instrumentalklänge – wie in "Verblendungen” – mit süßlichen Liegetönen elektronisch anzudicken: Von einer Komponistin, die lange Jahre im IRCAM gearbeitet hat und für sich proklamiert, die Lücke zwischen "dem Innovationsgrad der Musik” und "neuesten, technologischen Errungenschaften herzustellen”, erwartet man mehr.

Stark an manche Meditations-CD erinnerten die diversen Flöten-Stücke japanischer Herkunft in den von Camilla Hoitenga gestalteten Konzerten: Hosokawa läßt grüßen. Jedoch fehlte dessen Stilsicherheit, die Grenze zum Kitsch dann doch nicht zu überschreiten. Daher taugte manches Stück doch eher für die Badewanne als für den Konzertsaal. Einen originellen Akzent setze allein der Auftritt des Buyo-Tänzers Minosuke Nishikawa und der beiden Koto-Virtuosinnen Tomoko und Shoko Kawahara in den Konzert-Performances von Takehito Shimazu.

Bei all der Besinnlichkeit fielen die Ausnahmen um so mehr auf: Das Ensemble-Stück "Verso” der Italienerin Paola Livorsi war Sinnlichkeit und Poetik zugleich. Ebenso herausragend interpretierte das Klangforum Wien das spannungsgeladene "Configurations/Reflet” von Johannes Maria Staud. Im Abschlusskonzert erklangen Richard Caustons "Millenium Scenes”; brutale Orchesterausbrüche in ungemein energetischer Instrumentation, verbunden durch eine griffige Form. Und dann gab es mit dem Abschlußkonzert des Christoph-Delz Wettbewerbs noch ein wirkliches Highlight: Das Klavierkonzert des Stiftungsgründers, des 1993 jung verstorbenen Schweizer Komponisten Delz. Ein brachiales und formal extrem brüchiges Werk, in dem die Energetik des Ausdrucks die einzige – aber daher desdo fesselndere – einheitsstiftende Kraft war. Daneben blieben die mit 50 000 Franken prämierten "Sunk Losses” des Wettbewerbsgewinners Sam Hayden vergleichsweise blaß. Ähnlich wie "Millenium Scenes” sehr laut und flächig gearbeitet, fand Hayden bei viel Lärm keine überzeugende Form.

Labsal auf manche Wunde waren die Interpreten des Festivals, die angefangen von der Pianistin Silke Avenhaus (Delz‘ Klavierkonzert) bis hin zu den Studenten der Musikhochschule im "Prolog” des Festivals durch Niveau und musikalische Intelligenz bestachen. Letztlich litt das Festival aber unter einer gedämpften Stimmung und der Tatsache, daß die zahlreichen Stücke Kaija Saariahos bei aller technischen Perfektion keine künstlerischen Höhepunkte waren.




Bitte beachten Sie auch unsere weiteren zahlreichen Festspiel-Besprechungen




Da capo al Fine

Zur Homepage Zur Festspielseite E-Mail Impressum

© 2003 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
- Fine -