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Klangzauberei
Von Ralf Jochen Ehresmann
Vom Anbeginn der Salzburger Festspiele an bestreiten die Wiener Philharmoniker einen Hauptteil des symphonischen Programms; so gestalten die Wiener' auch heuer wieder fünf Konzerte, von deren vorletztem wir hier berichten. Was da zu hören war, machte den legendären Ruf des Spitzenorchesters aus der Hauptstadt der Musik unmittelbar nachvollziehbar! Es vollzog sich das Wunder des perfekt austarierten Klangbildes, das gerade den stürmischen Wallungen ungeheure Dringlichkeit verleiht, ohne je zu scharf zu geraten. Schon die ursprüngliche Variante der Tannhäuser-Ouvertüre bietet zwei Themen von höchst unterschiedlichem Charakter; die hier gespielte für die Aufführungen in Paris umgearbeitete Fassung mit nahtlos angehängtem Bacchanal fügt mit dem hörbaren Abstand einer fast 20-jährigen Kompositionspause trotz enger thematischer Verwandtschaft eine weitere Kontraststeigerung zu, auf deren Folie und dies ganz besonders in den eruptiven Zuspitzungen gegen Ende des Bacchanals eine emotionale Intensität zu erleben war, die ihresgleichen suchen mag.
Am Pult ein Dirigent von bemerkenswerter Eigenwilligkeit, die auch unter seinesgleichen noch auffällig hervorsticht: Georges Prêtre, der dem Orchester schon lange intensiv verbunden ist. Solcherart perfekt aufeinander eingestellt zeigte sein Auftritt, was wortlose Verständigung zu leisten vermag. Seine Bewegungen ließen kaum Leitung im engeren Sinne erkennen und schienen vielmehr zeitgeistfern Klangmalerei aus dem Handgelenk produzieren zu wollen. Was nun dem Ausdruck gut bekommt, ist wenig förderlich für den einheitlichen Taktimpuls, und so wurde mancher Tempowechsel nicht von allen Orchestergruppen gleich gut übernommen. Was kümmert's? Prêtres ganzer Habitus wie überhaupt der Ruf des Orchesters gelten weniger der akademisch-analytischen Präzision als vielmehr dem romantischen Klangideal. Immerhin ist zu dessen Erforschung und Vermittlung eigens das internationale Orchesterinstitut Attergau für Wiener Klangstil (IOIA) gegründet worden, das alljährlich eine Akademie für MusikstudentInnen unterhält, die ihrerseits ebenfalls fest im Salzburger Konzertprogramm verankert ist. Prêtre verzichtete weitgehend auf modische Temposchwankungen und hielt also neben der Melodieführung thematische Klarheit eher dadurch, dass er große Bogen zeichnete als dass er einzelne Akzente herausgehoben hätte. Dementsprechend bedurfte seine ganze Art der Führung kaum augenfälliger Gesten. An der Symphonie fantastique, sozusagen der Gründungsurkunde der Programmmusik, ließ sich dieses Interpretationsprogramm freilich besonders gut demonstrieren: Einzelnen Szenen kommt dadurch dennoch besondere Wirkung bei, wenn etwa der Schalmeiton in der "Scène aux Champs" selten so fesselnd zu hören war oder die Blechfanfaren des 4.Satzes spitz wie Lanzenstiche zuzustechen drohten. Herrlich die Unschärfe, mit welcher der Alptraum das aufziehende Unbehagen unterstreicht, und die Festspielhausglocke tat das Ihre, um im Finale jene Bedrohlichkeit zu erzeugen, die den Sturz des Schädels förmlich hautnah spüren lässt. Tosender Beifall nach furiosem Finalschlag.
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Programm:Richard Wagner: Ouvertüre und Bacchanale aus Tannhäuser (Pariser Fassung) Hector Berlioz: Symphonie fantastique op. 14 Wiener Philharmoniker Leitung: Georges Prêtre
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- Fine -