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Musikfestspiele
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Il Re Teodoro in Venezia
Dramma eroicomico in due atti
Musik von Giovanni Paisiello
Neu orchestriert und mit neuen Rezitativen versehen
von Hans Werner Henze
Libretto von Giambattista Casti

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Dauer der Vorstellung: 2 1/2 Stunden - eine Pause

Deutsche Erstaufführung der bearbeiteten Fassung
Premiere am 4. Juni 2004
Besuchte Vorstellung am 6. Juni 2004 im Rokokotheater in Schwetzingen

Produktion der Staatlichen Hochschule für Musik Karlsruhe / Institut für MusikTheater
in Zusammenarbeit mit den Schwetzinger Festspielen
und dem Badischen Staatstheater Karlsruhe


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Schwetzinger Festspiele
(Homepage)
Frischer Wind in einem venezianischen Gasthaus

Von Christoph Wurzel

Wenn man kein Geld hat, könnte eine reiche Heirat doch die Lösung sein. Das hat sich auch ein gewisser Teodoro gedacht, der völlig abgebrannt und auf der Flucht vor seinen Gläubigern in einem kleinen Gasthof in Venedig abgestiegen ist. Da kommt ihm die hübsche Gastwirtstochter Lisetta gerade recht. Doch da sie dummerweise bereits liiert ist, müssen überzeugende Argumente her: also firmiert Teodoro als König, wenn auch abgesetzt, von Korsika. Wenigstens den Vater der sposa in spe überzeugt das sofort und er wird auch gleich zum General befördert. Der bisherige Bräutigam Sandrino, Gärtner aus Liebe und Tenorbuffo, verhält sich zudem etwas ungeschickt und manövriert sich dadurch selbst aus dem Rennen. So hat Teodoro bei seiner Auserwählten dann doch recht leichtes Spiel und nach einigem Zögern kriegt er sie auch rum. Titel machen eben Leute.

Vergrößerung Vorerst geplatzte Hoffnungen: Lisetta (Marijana Gojkovic) und Sandrino (hier: Jae-Suk Kim / Premierenbesetzung) haben Beziehungsstress.

Ganz zufällig reist auch noch ein entmachteter Sultan, natürlich sehr reich und incognito, in dem Gasthaus an und verliebt sich in eine attraktive Touristin, die sich dort offensichtlich von anstrengenden Männeraffären erholt. Ganz chancenlos ist der Muselmann bei der kessen Belisa nicht, aber etwas zu ungehobelt, ein bisschen Typ Osmin. Über dieses Problem lässt sich dann aber, auch angesichts seines Scheckbuchs, leicht hinwegsehen und die Paarung wird perfekt gemacht. L`argent fait tout.

Bei den entsprechenden Feierlichkeiten gibt es dann die große Überraschung: Belisa, die Türkenbraut und Teodoro, der Schuldenkönig, erkennen sich als lang getrennte Geschwister wieder. Nun scheint der Vereinigung von Kapital und "König" nichts mehr im Wege zu stehen, wenn nicht der versetzte Sandrino einen Strich durch diese Rechnung machen und dem Gerichtsvollzieher einen entsprechenden Tipp geben würde. Teodoro steht nun ohne Kleider da und wird der Staatsmacht ausgeliefert. In seiner Schlussarie beklagt er den Zusammenbruch all seiner Sehnsüchte und wird im abschließenden Sextett auch noch verspottet: Wie ein Rad ist diese Welt, wer aufsteigt, stürzt. (Wer aber absteigt, steigt auch wieder einmal auf, wird tröstend hinzugesetzt.)

Ein dramma eroicomico nannte Paisiello (1740-1816) sein Werk, das der beliebte und viel gereiste Komponist (Neapel - St. Petersburg - Wien - Paris - Neapel) für das Wiener Burgtheater schrieb. Als komische Oper mit karikierten "heroischen" Elementen durchsetzt und mit augenzwinkernder "Tragik" in der Gestalt des hochstaplerischen Titelhelden versehen, ging es bei den diesjährigen Festspielen über die Bühne des Schwetzinger Rokokotheaters.

Vergrößerung

Verdächtige Allianz:
Sandrino und Belisa (Rebekka Stöhr).

Dass dies ein kurzweiliger Opernabend wurde, ist sicherlich nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass infolge der Zusammenarbeit der Schwetzinger Festspiele mit der Musikhochschule in Karlsruhe ein ganz junges Produktionsteam und Ensemble dem alten Werk gehörig frischen Wind verpasst haben. Zudem war die 220 Jahre alte Oper in ziemlich ungewohnter musikalischer Gewandung zu erleben - in einer Neuinstrumentierung, die Hans Werner Henze 1992 für sein Festival in Montepulciano hergestellt hatte - übrigens nicht zum ersten Mal für ein Paisiello-Werk. Henzes Instrumentarium besteht aus einem starken Bläserensemble, das um ein Streichsextett, sowie Klavier und Schlagzeug angereichert ist. Zu einigen Barcarole-Szenen zirpt auch eine Mandoline.

Dieser exotische Instrumentenmix ergibt reizvolle Effekte. Die kleinen und großen Posen der Protagonisten werden musikalisch gehörig verfremdet, ihre echten und falschen Gefühle ironisch durch die Musik kommentiert und aufs Korn genommen. Auf diese Weise reichert Henzes Instrumentierung die Handlung vom Orchestergraben aus mit zusätzlicher Komik an. Süßlich schmachten die absichtlich etwas dünn besetzten Streicher zur Liebesarie. Den Sultan begleitet natürlich ein blechernes Janitscharengebimmel und in der Militärarie des Gasthaus - Generals schmettern quäkend die Trompeten zu den polternden Pauken. Das Orchester der Karlsruher Musikhochschule brachte das alles mit großer Verve und viel Schmiss heraus und kleine Unsicherheiten konnte Alicia Mounk mühelos auffangen, so dass allein schon von dieser Seite her der Abend sich äußerst vergnüglich gestaltete.

Das Sängerensemble gab wirklich sein Allerbestes und mit großem Engagement gestalteten die jungen Nachwuchskräfte ihre Rollen ebenso kultiviert im Gesang wie beherzt im Spiel. Hinter derart schon recht reifen Leistungen lassen sich gleichermaßen große Begabungen wie eine hervorragende Führung durch die Hochschule vermuten.

Dominik Hosefelder gab den Titel - "Helden" mit äußerst wandlungsfähigem und dazu warmem Bariton und ließ es auch an dem nötigen Spieltalent nicht fehlen. Seine Angebetete Loretta war mit Marijana Gojkovic besetzt, die die koloraturenreiche Partie wirklich beeindruckend meisterte und dazu durch natürliche Spielfreude überzeugen konnte. Kalle Koiso - Kanttila gab einen stimmlich nicht ganz so kraftvollen Sandrino ab, konnte aber darstellerisch die in der Partie angelegte Zurücksetzung durchaus wettmachen. Rebecca Stöhr steuerte als leicht überspannte Belisa mutig und erfolgreich ihre Spitzentöne an und agierte darstellerisch als ein Zentrum des Ensembles. Sein sicher und leicht geführter Bass prädestinierte Marc Kugel für die Bufforolle des Gastwirts Taddeo, die er mit einer gehörigen Portion Spielwitz zu würzen verstand. Schließlich der ausländische Mitbewohner Acmet, den Yo - Chan Ahn mit einer komödiantischen Aura versah.

Die kecken Einlagen der beiden Zimmermädchen der kleinen Absteige am Rande von Venedig - man konnte ob der farbenfrohen Kulisse und der fast bäuerlichen Einfachheit an das vorgelagerte Inselchen Burano denken, einem idealen Versteck abseits des Trubels der Serenissima - wurden durch Aaselinde Wiland und Magdalena Rybicka zur Ohren- und Augenweide. Die Nebenrollen des Gafforio (Martin Gessler) und des Schuldeneintreibers (Dae-Youb Kim) waren verlässlich besetzt. Die vorbeischippernde Barcarole - Gesellschaft wurde sehr ansprechend von dem kleinen Chor-Ensemble gegeben.

Die neun Damen und Herren dieser Gondel - Gesellschaft waren originell kostümiert im modischen Querschnitt durch die Zeiten zwischen Rokoko und heutigem Freizeitlook. Ansonsten war die Ausstattung dezent gegenwärtig, doch irgendwie zeitlos angesiedelt. Die Ausstattung beschränkte sich auf das wesentlich Notwendige, vor allem Koffer spielten als Symbol von Durchreise und Flucht eine sinnstiftende Rolle. Auf langsam bewegten Laufbändern vorn und hinten auf der Bühne wurde das Bild des Schicksalsrades aus dem Schlusssextett ironisch variiert.

Vergrößerung Endgültig geplatzte Hoffnungen:
der gescheiterte "König" Teodoro (Dominik Hosefelder).

Alles in allem setzte die Inszenierung mit klaren Mitteln und in kluger Beschränkung auf Deutlichkeit, was die intensive Personenregie zur vollen Entfaltung brachte. Die Handlung wurde trotz einiger in ihr angelegten Verwirrung doch stringent entwickelt und Ironie und tiefere Bedeutung kamen gleichermaßen und im rechten Maße zur Geltung.


FAZIT

Es muss nicht immer die historische Aufführungspraxis sein, wenn man ein altes Werk neu beleben will. Wie hier gezeigt wurde, kann auch eine unerschrocken verordnete Badekur aus modernem Instrumentarium, erfrischender Spielfreude und unverkrampftem Regie - Konzept einer alten Oper zum Jungbrunnen werden. Zweieinhalb Stunden Dauerschmunzeln sind wahrlich ein gelungener Festspielbeitrag!

Die Schwetzinger Festspiele 2004


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alicja Mounk

Inszenierung
Andrea Raabe

Bühne und Light-Design
Tobias Dinslage

Kostüme
Susanne Hubrich

Dramaturgie
Klaus Angermann



Orchester der Hochschule
für Musik Karlsruhe:

Klavier
Sigmar Steddin

Violinen
Katarina Schmidt
Josef Ondruj

Violoncello
Anna Zwiebelhofer

Kontrabass
Matteo Gaspari

Flöten
Christian Madlener
Argia-Eder Pujana

Oboen
Matteo Martinelli
Nausea Iker

Klarinetten
Tomothy Orpen
Mika Fujita

Fagotte
Joanna Kuzmicka
Chun-Yi Liu

Hörner
Zhijie Miao
Daisuke Yamanoi

Trompete
Fábio Brum

Posaune
Jürgen Gutgsell

Schlagzeug
Asuka Hatanaka

Gitarren
Jonas Khalil
Alexander von Henduck

Mandoline
Denise Wambsganß


Solisten

Teodoro, König von Korsika
Dominik Hosefelder

Gafforio, sein Freund
Martin Geissler a.G.

Taddeo, Wirt
Marc Kugel

Lisetta, seine Tochter
Marijana Gojkovic

Sandrino, Lisettas Verlobter
Kalle Koiso-Kanttila

Belisa, Teodoros Schwester
Rebekka Stöhr

Acmet, türkischer Sultan
Yo-Chan Ahn

Messer grande, Schuldeneintreiber
Dae-Youb Kim

2 Donzelle,
Bedienstete bei Taddeo
Aaselinde Wiland
Magdalena Rybicka

Barcarole
Amira Elmadfa
Dong-Hee Han
Magdalena Rybicka
Telja Schmid-Fetzer
Aaselinde Wiland
Yu Xia-Takeshi Hatsukano
Jin-Hyuk Lee
Oleksandr Prytolyuk




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