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Bayreuther Barock 2005

Musikalischen Perlen im prunkvollsten, barocken Opernhaus

Von Artie Heinrich / Fotos von Sebastian Kaps
und dem Kulturamt der Stadt Bayreuth

Auf der ganzen Welt verbinden Musikliebhaber den Namen Bayreuth mit den Richard-Wagner-Festspielen. Nur die wenigsten aber wissen, dass das beschauliche oberfränkische Städtchen am Roten Main auch Schauplatz eines anderen Musik-Festivals ist.

Im nunmehr sechsten Jahr bietet das „Bayreuther Barock“ wieder musikalische Perlen des 18. Jahrhunderts feil. Alljählich im September, wenn die Wagnerianer entschwunden und die Pforten am „Heiligen Hügel“ wieder verschlossen sind, wird ein anderer Ort zum Schauplatz kultureller Höhepunkte. Das Markgräfliche Opernhaus, errichtet in den 40er Jahren des 18. Jahrhunderts und heute das einzige im Originalzustand erhaltene barocke Opernhaus nördlich der Alpen, ist ein Juwel und schreit nach Bespielung. Dem trägt die Stadt mit ihrem Barock-Festival Rechnung; und was gäbe es auch Schöneres, als Barockmusik in diesem Ambiente zu genießen. Eine vollkommene Symbiose für Aug und Ohr.

Zwar zeigen sich im ausgedünnten Programm diesen Jahres auch die allerorts herrschenden Kultur-Sparzwänge, aber zumindest ist die Besinnung auf Qualität zugunsten der Quantität immer noch das kleinere Übel. So konnten sich die zahlreichen Besucher in diesem Jahr an zwei Opern-Produktionen erfreuen, die, so unterschiedlich sie auch waren, doch beide ihren Teil zum Glanz des Bayreuther Barock 2005 beitrugen.

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Amadigi (Maria Riccarda Wesseling)
(Foto: Sebastian Kaps)

Zur Eröffnung wurde Händels eher selten gespielte Oper Amadigi di Gaula gegeben, die, als Koproduktion Bayreuths u.a. mit den Hallischen Händel-Festspielen, dort bereits im Juni Premiere hatte (Amadigi bei den Händel-Festspielen in Halle). Mit der Lautten Compagney unter der gewohnt souveränen Leitung von Wolfgang Katschner war zum wiederholten Male eines der zur Zeit besten Originalklang-Ensembles Deutschlands zu Gast. Und auch diesmal konnte das Orchester die Erwartung in historische Aufführungspraxis und Musizierkunst auf höchstem Niveau mühelos erfüllen.

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Amadigi (Maria Riccarda Wesseling)
und Melissa (Sharon Rostorf-Zamir)
(Foto: Sebastian Kaps)

Die Sängerriege des Amadigi führte dabei alte Hasen der Barockbühne mit neuen Talenten zusammen. Da Händels frühe Zauberoper nur vier handelnde Personen benötigt, und diese allesamt den Gepflogenheiten des 18. Jahrhunderts folgend in den oberen Stimmlagen zu finden sind, hat man sich zu dem heutzutage schon fast wieder mutigen Schritt entschlossen, alle Partien mit Frauen zu besetzen.

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Amadigi (Maria Riccarda Wesseling)
und Orianna (Ulrike Ludewig)
(Foto: Sebastian Kaps)

Die überragende Mezzo-Sopranistin Maria Riccarda Wesseling zeigte dabei in der Titelrolle des Amadigi einmal mehr ihr atemberaubendes Können und auch ihre unbedingte Geeignetheit für die virtuosen Kastratenpartien der Barockoper. Ihr zur Seite bzw. in der Handlung als Antagonistin entgegen stand die stimmlich ebenbürtige Sopranistin Sharon Rostorf-Zamir, die ebenfalls keine Mühe damit hatte, die grosse Heroine und Zauberin Melissa dramatisch angemessen zu gestalten. In den Nebenpartien – bei nur vier Rollen ist dieser Begriff mehr als irreführend – konnte Ulrike Ludewig als Orianna mit ihrer weich timbrierten Mezzostimme entzücken. Die oft sehr tiefe Partie des Dardano lag der Altistin Anna Fischer nicht immer angenehm in der Tessitur, aber in der großen Arie „Pena tiranna“ konnte sie ihr ganzes Herz in die Stimme legen und hätte wohl auch noch Steine zu Tränen gerührt.

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Melissa (Sharon Rostorf-Zamir)
(Foto: Sebastian Kaps)

Regisseur Rüdiger Pape verzichtete bewusst auf große Aktion und verdichtete mit raffinierter Beleuchtungs- und Projektionstechnik die Bühne zu einem farbberauschten Nährboden für Musik und Klang. Hier konnten sich die Stimmen und Töne entfalten - mal dezent, mal massiv untermalt, aber nie überdeckt. Händel pur sozusagen.

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Lidoro (Alexander Morozov)
und Honorio (Iris Julien)
(Foto: Kulturamt der Stadt Bayreuth)

Einen völlig anderen Ansatz brachte Alarico il Baltha ins Opernhaus. Bei dieser kaum bekannten und noch weniger gespielten Oper Agostino Steffanis um den Gotenkönig Alerich setzte Florentine Klepper in ihrer Inszenierung konsequent auf mehr oder weniger konkrete Modernisierung und Aktion in Fülle. Nun waren natürlich auch die inhaltlichen Voraussetzungen hier ganz andere. In Alarico handeln acht Personen: drei Paare, die sich immer wieder ineinander verlieben, sich verlassen und dann wieder zueinanderfinden, unterstützt von zwei Nebenfiguren, Vater und Diener; und dann noch bereichert durch vier Statisten.

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Honorio (Iris Julien), Sabina (Chie Honda),
Stilicone (Robert Sellier), Pisone (Tobias Haaks),
Placidia (Ai Ichihara), Semiamira (Regine Mahn)
und Alarico (Julia Rutigliano)
(Foto: Kulturamt der Stadt Bayreuth)

Auch ist die Musik Steffanis, stilistisch zwischen Monteverdi und Händel einzuordnen, deutlich kleinteiliger und verlangt nach mehr theaterdienlicher Dramatik – kann sie doch ihre Wurzeln in der commedia dell'arte nicht verleugnen. Und so ist bei Alarico immer etwas los auf der Bühne – auch im Bühnenbild, das sich durch den geschickten Einsatz einer zentral platzierten Drehbühne beständig ändert und erneuert. Und nur ganz selten wird es hier des Guten ein wenig zu viel, wünscht man sich weniger statt mehr. Aber der Inszenierung gelingt es dann auch immer wieder, retardierende Momente zu erzeugen, der Musik und dem Gefühl Raum zu geben und die schon vorhandenen „ausgewachsenen“ Arien fast aus sich allein wirken zu lassen. Dieses Fingerspitzengefühl ist es, das, bei allem optisch lauten Aktionismus der zuweilen herrscht, die Qualität dieses Abends ausmacht.

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Lidoro (Alexander Morozov), Pisone (Tobias Haaks),
Stilicone (Robert Sellier) und Sabina (Chie Honda)
(Foto: Kulturamt der Stadt Bayreuth)

Die musikalische Qualität dieser, als Gastspiel der Bayerischen Theaterakademie im Vorfeld gern als „Studentenaufführung“ verniedlichten Produktion war erstaunlich hoch. Die auf Originalinstrumenten musizierende Neue Hofkapelle München unter Christoph Hammer vermochte die Substanz der Steffanischen Musik dezent und wohltönend herauszuarbeiten; nur manchmal hätte man sich ein energischeres Zupacken in der Agogik gewünscht. Bei den Sängern herrschten erwartungsgemäß einige Unterschiede in der Erfahrung und auch in der Eignung der Stimmen für den Barockgesang.

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Semiamira (Regine Mahn)
(Foto: Kulturamt der Stadt Bayreuth)

Als tragische Heroine Semiamira bot Regine Mahn eine mehr als überzeugende Vorstellung und mit ihrer Präsenz und der scheinbar unauslotbaren Tiefe ihrer wohligen Altstimme war sie eine Idealbesetzung. Ebenso wie die beiden in Kastratenpartien agierenden Sopranistinnen Julia Rutigliano (Alarico) und Iris Julien (Honorio). Obwohl deutlich verschieden in der Stimmcharakteristik – bei Rutigliano dramatische Strahlkraft, bei Julien rein glänzender Barockklang – konnten beide ihren Rollen musikalisches Leben und Ausdruck einhauchen. Bei den Herren brachte Robert Sellier einen angenehm unaufdringlichen und klaren Tenor auf die Bühne, der seinen Stilicone zu einem angenehmen Wohlklang machte.

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Sabina (Chie Honda), Alarico (Julia Rutigliano)
und Placidia (Ai Ichihara)
(Foto: Kulturamt der Stadt Bayreuth)

Will man die beiden Aufführungen direkt vergleichend nebeneinander stellen, was so ja nie Sinn eines solchen Festivals ist, so würde man wohl dem Amadigi musikalisch den Vorzug geben, während Alarico eindeutig den höheren Unterhaltungswert hatte. Eine Bereicherung für die Bayreuther Kulturszene waren allemal beide, und es bleibt zu hoffen, dass der Wagnerstadt ihre „Barock-Festspiele“ wenigstens in diesem Umfang erhalten bleiben, denn solche musikalischen Perlen kann man weiss Gott nicht genug erleben.

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