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Händel-Festspiele in Halle 2005
2. bis 12. Juni 2004

Biblische Gestalten bei Händel



Die Produktionen im Opernhaus Halle

Von Gerhard Menzel
Homepage: Händel-Festspiele in Halle
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Hercules  
Foto: Gert Kiermeyer  

Auch das Opernhaus Halle trug wieder mit eigenen und Gemeinschaftsproduktionen einen gewichtigen Teil zum umfangreichen Festspielprogramm bei.

Als Wiederaufnahme aus dem Vorjahr kam nochmals Händels Hercules in der nicht gerade überzeugenden Inszenierung von Fred Berndt zur Aufführung. Zudem konnte einem Dirigent Allessandro de Marchi richtig Leid tun. Er hatte alle Hände voll zu tun, zusammen mit dem beschwingt aufspielenden Händelfestspielorchester die Musik Händels einigermaßen über den langen Abend zu retten, denn die sängerischen Leistungen – die stimmlich wie darstellerisch anrührende Martina Rüping als Iole einmal ausgenommen – waren weitgehend für Festspielverhältnisse schlichtweg indiskutabel.

  • Die Hercules-Neuproduktion bei den Internationalen Händel-Festspielen in Halle 2004
  • Gleiches gilt auch für die Neuinszenierung der Rodelinda, Re de' Longobardi von Peer Boysen. Wer seine unsäglichen Produktionen im Rahmen der Händel-Festspiele in Göttingen (Deidamia 2003) und in Karlsruhe (Almira 2005) gesehen hatte, den wird das Ergebnis dieser Neuproduktion in Halle nicht verwundert haben.

    Wenn ein Regisseur eine eigene „Handschrift“ hat, kann das natürlich eine Art von Qualitätszeichen sein, aber er sollte auch zu gegebener Zeit merken, wenn er auf dem „Holzweg“ ist. Alle Opern als eine Art politisch- gesellschaftliches „Kasperltheater“ mit annähernd ähnlichen Bildern zu inszenieren, ohne dabei die Personenkonstellationen in ihren vorhandenen und wechselnden Spannungsverhältnissen treffend zu charakterisieren, führt eben zu faden, langweiligen und letztlich auch völlig überflüssigen Produktionen. Mag dieses Konzept bei Giustino in Karlsruhe (2003) noch aufgegangen sein, so verstellten in Deidamia, Almira und Rodelinda wabbelnde und unförmige Körper, weiß geschminkte, rotbackige Gesichter, scheußliche Kostüme, bedeutungsschwangere Balletteinlagen und der fast ständige, überflüssige Aktionismus nicht nur die wirkliche Sicht auf das Stück selbst, sondern es stellt sich schon nach kürzester Zeit gähnende Langeweile ein. Man kann ja wirklich kaum glauben, dass Peer Boysen - zusammen mit dem Dirigenten Michael Hofstetter - schon so manche interessante Händeloper herausgebracht haben soll.

    Wie unterhaltsam, kurzweilig und dazu noch auf historischen Grundlagen beruhende Inszenierungen von Händelopern sein können, bewiesen die diesjährigen Händel-Festspiele in Göttingen mit Händels Atalanta – und das nicht zum ersten Mal !

    Die reinste Katastrophe bei der aktuellen Rodelinda in Halle waren auch die sogenannten Übertitel. Darüber, wie ausführlich und in welcher Form die originalen gesungenen Texte als deutsche Übersetzung erscheinen sollten, kann man sich trefflich streiten, aber Arien oder ganze Szenen auf ein Schlagwort (deutsch und englisch) zu reduzieren (z.B. Zorn, Eifersucht, Stolz, Standhaftigkeit, etc.) ist so überflüssig, wie eine Beschreibung von Musik mit dem Vokabular „laut“ und „leise“. Das Geschehen wird für das Publikum dadurch auch nicht verständlicher und den Affekt der Musik kann wirklich jeder unmittelbar hören. Schließlich ist man in Halle bei internationalen Händelfestspielen und nicht in der sogenannten „Provinz“ (pardon!), wo man die Rezitative auch schon mal weglassen und die Handlung von Schauspielern erzählen lassen kann (ein sehr gelungenes Beispiel dafür war übrigens Händels Tamerlano in Krefeld/Mönchengladbach).

    Insgesamt muss man anerkennen, dass das Publikum - obwohl zur Pause einige Buhrufe erschallten - am Ende ohne gro0e Missfallensäußerungen (oder gar Saalschlacht) nur müden Beifall spendete. Diese Inszenierung ist wahrlich keine Aufregung wert, eben nur ärgerlich.

    Rezensionen:
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    Rodelinda, Re de' Longobardi  
    Romelia Lichtenstein (Rodelinda),  
    Kai Wessel (Bertarido),  
    Michael Smallwood (Grimoaldo),  
    Raimund Nolte (Garibaldo)  
    und Ulrike Schneider Eduige  
    Foto: Gert Kiermeyer  
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    Rodelinda, Re de' Longobardi  
    Romelia Lichtenstein (Rodelinda)  
    Foto: Gert Kiermeyer  

    Glücklicherweise konnte die musikalische Seite der Rodelinda etwas für das szenische Debakel entschädigen. Allen voran die herausragende Romelia Lichtenstein in der Titelpartie. Ihre stimmlichen Ressourcen, deren beispielhafter Einsatz - immer im Hinblick auf die geforderten Affekte - und ihre darstellerische Präsenz machten sie zum Mittelpunkt und Zentrum des Geschehens. Dazu hätte es der überdimensionalen, auf jeder Ebene drehbaren „Riesentorte“ (wie schon bei Almira in Karlsruhe gesehen) wahrlich nicht bedurft, wobei die Bühnengestaltung (obwohl spärlich, aber funktionell) bei einer entsprechenden Inszenierung bzw. Personenführung durchaus gute Dienste hätte leisten können.

    Auf jeden Fall ist es dem dynamischen und Ideenreichen Dirigenten Michael Hofstetter mit dem engagiert aufspielenden Händelfestspielorchester zu danken, dass die erste szenische Wiederaufführung von Rodelinda, Regina de' Longobardi (HWV 19) in der Fassung vom Dezember 1725 / Januar 1726 (nach der Hallischen-Händel-Ausgabe) kein kompletter Reinfall wurde.

    Neben der überragenden Romelia Lichtenstein hatte es Kai Wessel als ihr tot geglaubter Gemahl Bertarido nicht leicht, vor allem, da er durch Peer Bovsen zu einer Witzfigur in der Art eines abgewrackten "Ritters von der traurigen Gestalt" degradiert wurde, die rein gar nichts mit der klug kalkulierenden "Persönlichkeit" aus Händels Oper zu tun hatte.

    Die übrigen Partien waren mit Michael Smallwood (Grimoaldo), Ulrike Schneider (Eduige), Artur Stefanowicz (Unulfo) und Raimund Nolte (Garibaldo) ganz passabel besetzt. Barbara de Koy als Rodelindas und Bertaridos Sohn Flavio verkörperte wieder einmal (wie schon in Karlsruhe) eine von Peer Boysen betextete stumme Rolle.

    Mit dieser Festspielproduktion der Rodelinda haben das Opernhaus Halle und die Händel-Festspiele wieder einmal eine Chance verspielt, eine auf dem neuesten Stand der Wissenschaft erschlossene Händel-Oper auch adäquat auf die Bühne zu bringen. Da hatte die im Jahr 2000 produzierte Rodelinda in Göttingen ein wesentlich höheres Niveau.

    Surftip:

    Neben dem schon im letzten Jahr wiederholten, ganz ausgezeichneten Spuk im Händelhaus (einer Bearbeitung von Händels Alcina), sorgte dieses Jahr die auf das Thema "350 Jahre Oper in Halle" eingehende Produktion von Hochzeiten und andere Katastrophen für einen besonders erfreulichen Eindruck. Die erste Katastrophe bahnte sich allerdings schon vor der eigentlichen Aufführung an, da anscheinend zu viele Eintrittskarten verkauft wurden. Nachdem die bedauernswerte Abendspielleiterin aufgebrachte Herrschaften im Publikum beruhigt hatte und die Spielfläche fast vollständig mit zusätzlich herbeigeschafften Stühlen vollgestellt war, konnte das Spiel von Volker Weiske und Axel Köhler, mit Musik von Samuel Scheidt und den Hallenser Hofopernkomponisten Philipp Stolle, David Pohle und Johann Philipp Krieger doch noch stattfinden.

    Die Sopranistin Anke Berndt - die allerdings erst ganz zum Schluss ihre Stimme als Alcina erheben durfte - führte mit viel Temperament, Witz und sehr gut ausgewählten und aufgearbeiteten historischen Fakten und Geschichtchen, informativ und jederzeit unterhaltsam durch 350 Jahre Operngeschichte in Halle. Wie Axel Köhler in seiner Inszenierung diese Kombination aus theatralischer Geschichtsstunde und musikalischer Revue gelang, ist äußerst bewundernswert. Für die ganz besondere Würze sorgten vor allem – wohl mehr oder weniger selbst erlebte – Kapriolen aus dem täglichen Sängerleben. Von der verkannten Primadonna bis zu den Auseinandersetzungen mit den Küken des sängerischen Nachwuchses war alles vorhanden, was man sich vorstellen kann. Zusammen mit der Ausstattung von Petra Ziegenhorn war das ein echter Geniestreich.

    Auch das Ballett, das an jedem Theater sein Eigenleben führt, durfte natürlich nicht fehlen. Den noch verbliebenen Freiraum nutzten die vier Mitglieder des BALLETTS ROSSA bravourös, um alle Facetten zwischen Barocktanz, Indianertänzen und Breakdance in köstlichen Choreographien von Ralf Rossa zu präsentieren.

    Unter der musikalischen Leitung von Bernhard Prokein sorgten einige blendend aufgelegte Mitglieder des Händelfestspielorchesters des OPERNHAUSES HALLE für die temperamentvolle, orchestrale Gestaltung des Abends. Bei den vor allem darstellerisch geforderten Sängern konnten sich neben den „alten Recken“ Timothy Alois Cruickshank und Ki-Hyun Park, vor allem die beiden Stipendiatinnen der Jürgen-Ponto-Stiftung Melanie Hirsch und Andrea Stadel eindrucksvoll profilieren.

    Dieses Opern-Pasticcio kam übrigens am 6. November 2004 im Rahmen der Ausstellungseröffnung "350 Jahre Oper in Halle" im Opernhaus Halle erstmals zur Aufführung. Die Ausstellung, die auch während der Händel-Festspiele zu besichtigen war, dokumentierte auch die Zeit, in der August Hermann Francke und die neu gegründete Universität um 1700 beim preußischen König für Halle ein generelles Theaterverbot durchsetzten. Gegen Ende des Jahrhunderts machte dann Goethe mit seinem Weimarer Ensemble Bad Lauchstädt zu seiner Sommerspielstätte, was die Theater begeisterten Hallenser regelmäßig zu Ausflügen dorthin bewog. Erst nach dem Sieg Napoleons über Preußen wurde das Theaterverbot aufgehoben, was den Anfang einer neuen Ära der Theatergeschichte in Halle einleitete.

    Auch dieses Jahr war das Goethe-Theater in Bad Lauchstädt wieder mit zahlreichen, ganz hervorragenden Veranstaltungen am umfangreichen Programm der Händel-Festspiele beteiligt.



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    Hochzeiten und andere Katastrophen  
    Anke Berndt, Andrea Stadel, Melanie Hirsch,  
    Timothy Alois Cruickshank und Ki-Hyun Park  
    Foto: Gert Kiermeyer  


    Da capo al Fine

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