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Schreckliche Maskerade trübte den BlickVon Gerhard Menzel / Fotos von Jaqueline Krause-Burberg
Händels Drang zur Bühne führte ihn als Neunzehnjährigen nach Hamburg an die Oper am Gänsemarkt, wo Reinhard Keiser mit seinen Werken ein wichtiges Kapitel deutscher Operngeschichte schrieb. Durch seinen Orchesterdienst bestens mit den Gegebenheiten vertraut, konnte Händel 1705 gleich mit seinem ersten Stück, eben der Almira (UA 18.2.1705) einen großen Erfolg verzeichnen. Bedauerlicher Weise sind seine ebenfalls in dieser Zeit entstandenen Werke Nero, Florinde und Daphne (bis heute) verschollen. Almira jedenfalls weist alle zu dieser Zeit für die Hamburger Opernbühne charakteristischen Merkmale auf, wie das Nebeneinander von Pathos und Posse, das Gemisch aus deutscher und italienischer Sprache und die Tatsache, dass es keine Kastratenpartien gibt. Die Handlung der Almira ist im Mittelalter angesiedelt und beginnt mit der Krönung Almiras zur Königin von Kastilien. Sie ernennt ihren Vormund Consalvo zu ihrem Rat und dessen ungeratenen Sohn Osman zum Feldherrn. Fernando, dessen Herkunft unbekannt ist und den Almira heimlich liebt, macht sie zu ihrem Sekretär. Einen Schicksalsschlag für sie bedeutet allerdings der letzte Wunsch ihres Vaters, den ihr Consalvo kundtut: sie solle einen Nachkommen Consalvos heiraten. Osman macht sich zwar schon Hoffnungen auf Almiras Hand, kümmert sich aber trotzdem weiterhin intensiv um Edilia, eine andere Prinzessin. Nach vielen Irrungen und Wirrungen, leidenschaftlicher Liebe und brodelnder Eifersucht kommt am Ende plötzlich heraus, dass Fernando der verloren geglaubte Sohn von Consalvo ist. Nun kann Almira sowohl den letzten Willen des Vaters erfüllen, als auch Fernando heiraten. Gemeinsam mit Osman und Bellante und Raymondo und Edilia kommt es schließlich zu einer Tripelhochzeit. Feustking und Händel haben die Handlung mit vielen szenischen und musikalischen Attraktionen versehen: Staatsaktionen, Tänze, Theater auf dem Theater (Festzüge), Duell, Kerkerszene und die für Hamburg typische komische Rolle. Hier ist es Tabarco, die einzige Dienerfigur in diesem Stück, die - mit einigen Gesangseinlagen angereichert - in die Geschichte einführt und sie kommentiert. Diese in jeder Beziehung aus der Rolle fallenden Partie wurde von der Schauspielerin Barbara de Koy souverän und unterhaltsam verkörpert. Überhaupt gefiel das gesamte Ensemble durch eine solide Geschlossenheit in sängerischer wie in darstellerischer Hinsicht. Kirsten Blase (Almira) mit Christof Fischesser (Raymondo).
Leider waren alle Aufführungen von krankheitsbedingten Umbesetzungen begleitet. In der besuchten (letzten) Aufführung übernahm z.B. Elisabeth Scholl für Heidrun Kordes die gesangliche Ausführung der Partie der Edilia. Die szenische Darstellung übernahm an diesem Abend die Regieassistentin und Abendspielleiterin Eva Schuch. Obwohl so kurzfristig eingesprungen, konnte Elisabeth Scholl dank ihrer herrlichen Stimme - zahlreiche vokale Glanzlichter setzen.
Klangbeispiel
Kirsten Blase, aus Almiras Arie Geloso tormento.
Alles überstrahlend und mit silberheller, glanzvoller Stimme war Kirsten Blase als Almira die unangefochtene Königin dieser Produktion. Wie schon als Arianna in Händels GIUSTINO in den vergangenen Jahren, verkörperte sie überzeugend die selbstbewußte, notfalls auch über Leichen gehende Herrscherin.
Otto Katzameier (Consalvo), Michael Smallwood (Fernando)
Dass diese Produktion einen so hervorragenden musikalischen Eindruck hinterließ, war aber vor allem Michael Hofstetter zu verdanken. Dieser hatte wirklich phantastische Arbeit geleistet. Zum einen hat er das Stück mit Bedacht und Übersicht bearbeitet, zusammengestrichen und zu einem abwechslungsreichen und spannenden Singspiel nach Hamburger Art geschaffen. Zum anderen brachte er es fertig, aus Mitgliedern der Badischen Staatskapelle, dem Ensemble Les Flamboyants' Renaissance-Spezialisten, die ihre Kunst auch in einem eigenen Konzert unter Beweis stellen konnten und weiteren Barockspezialisten in der stark besetzten Continuo-Gruppe, ein großes, farbiges, sehr flexibel und engagiert musizierendes Orchester zusammenzustellen, mit dem er Händels Musik in allen Farben und Schattierungen zum leuchten brachte. Michael Smallwood (Fernando), Barbara de Koy (Tabarco) und Kirsten Blase (Almira) mit Tänzern.
Leider fanden die musikalisch-dramaturgischen Vorlagen in der szenischen Umsetzung keine rechte Entsprechung. Grauenvolle Kostüme, die an verunglückte Clownskostüme erinnerten, und abscheulich geschminkte Gesichter bedeuteten trotz der vorherrschenden Farbe Weiß keine Freude für die Augen (und das vier Stunden lang!). Dies erinnerte alles an Oscar Wildes The Picture of
Dorian Gray, bei dem sich die innerliche Schlechtigkeit im äußeren Erscheinungsbild widerspiegeln. Aufgequollene und wabbelnde Körper und clownesk geschminkte Gesichter gab es auch schon in Peer Boysens Händel-Inszenierungen von Giustino in Karlsruhe oder Deidamia in Göttingen, aber wirklich überzeugen konnten sie nicht. Als nächstes Händel-Projekt von Peer Boysen folgt nun im Juni die Rodelinda bei den Händel-Festspielen in Halle. Ob es dort auch wieder diese Einheitskostümierung gibt ? Dabei hätte die einfallsreiche Bühnengestaltung und die zum Teik hervorragende Personenführung durchaus seine Wirkung erreichen können. Der große Einheitsraum ermöglichte zwar keine großen Szenenwechsel, aber die sehr variablen Drehbühnenelemente und die vorgezogene Hauptspielfläche boten gute Voraussetzungen für ein lebhaftes und abwechslungsreiches Personenspiel. Das um diese Hauptspielfläche herumgebaute Orchester sorgte dabei für eine gute Kommunikation zwischen Orchester und Solisten. Außerdem konnten die Augen so auch einmal von den Scheußlichkeiten auf der Bühne wegwandern und in dieser optischen Ruhepause der vorzüglich präsentierten Musik mehr Aufmerksamkeit widmen ! Neben den glanzvollen und ausdrucksstark musizierten Arien fielen vor allem die sehr variabel und abwechslungsreich gestalteten Rezitative auf, die zum Teil mit Kettenrasseln oder singender Säge gefärbt waren. Kirsten Blase (Almira).
Als Zugabe und vokales Abschlussfeuerwerk präsentierte Kirsten Blase die verschollene Eifersuchts-Arie (Nr. 19) Ingrato spietato, die ursprünglich den 1. Akt beschloß. Sie wurde in einer Ariensammlung entdeckt, von Thomas Leininger extra für die Karlsruher Almira-Produktion neu orchestriert und kam somit 300 Jahre nach der Uraufführung erstmals wieder zur Aufführung (detaillierte Informationen dazu bietet das lesenswerte und sehr informative Programmheft des Badischen Staatstheaters Karlsruhe). Glücklicher Weise wurde diese Produktion - zum ersten Mal in Karlsruhe - vom SWR aufgezeichnet und wird am Sonntag, den 20.3.2005 im SWR 2-Radio übertragen.
Michael Hofstetter bescherte den 28. Händel-Festspiele in Karlsruhe eine musikalisch herausragende Produktion ! Schade, dass die szenische Phantasie so begrenzt und eindimensional war. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
ProduktionsteamMusikalische LeitungMichael Hofstetter
Inszenierung, Ausstattung
Bühne
Choreographie
Kinderchor
Dramaturgie
Solisten
Almira
Edilia
Eva Schuch (szenisch)
Bellande
Consalvo
Osman
Fernando
Raymondo
Tabarco
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- Fine -