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Un Viaggio nel barocco italiano

Ein Abend mit Cecilia Bartoli und Peter Simonischek
In der Jahrhunderthalle Bochum am 28.08.2005

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Logo: RUHRtriennale 2005

Koloratur- und andere Wunder

von Stefan Schmöe

Weil das 1700 ein „heiliges Jahr“ war und das Theater allzu sinnfreudige Genüsse versprach, verfügte Pabst Clemens XI. kurzerhand, dass in diesem Jahr keine Theateraufführungen stattzufinden hätten. Politische Spannungen führten dazu, dass das Verbot noch einige Jahre länger aufrecht erhalten wurde, und so waren die Komponisten gezwungen, auf verwandte Gattungen auszuweichen. Auf diese Weise erlebte das geistliche Oratorium, das Melodramma sacra, einen starken Aufschwung. Ausschnitte aus Werken dieser Dekade sind unter dem Titel Un viaggio nel barocco italiano ("Eine Reise in den italienischen Barock") mit Gedichten dieser Epoche, aber ebenso Hölderlin und Goethe konfrontiert, und das soll, so im Programmheft nachzulesen, „einen Eindruck des bisweilen beklemmenden Hintergrunds aus Ängsten, Trauer, Versuchungen, Hoffnungen und Träumen, vor dem Musik wie jene Händels, Scarlattis und Calderas entstehen konnte“, beleuchten: Eine ungewöhnliche Reise also.


Cecilia Bartoli Cecilia Bartoli (© Decca; Simon Fowler)

Durchdachte Konzeption Wenn dann aber Cecilia Bartoli den ersten Ton singt, ist alles Programm Makulatur. Päbstliche Dekrete hin oder her, was zählt ist die Gegenwart mit der atemberaubenden Präsenz dieser Sängerin. Mit lebhaftem Minenspiel und furioser Gestik macht sie auch ohne Bühnenbild, ohne dass man die Handlungen dieser weitgehend vergessenen Werke kennt, deutlich, worum es geht. In halsbrecherischem Tempo jagt Cecilia Bartoli die aberwitzigsten Koloraturen herauf und herunter und setzt dabei jede Note mit einer Eindringlichkeit an, als hinge ihr Schicksal davon ab. Es ist nicht nur die unglaubliche Virtuosität, sondern gleichzeitig die Intensität und der zupackende Furor, der das mit viel Prominenz gespickte Publikum zu Begeisterungsstürmen riss.

So wunderbar Cecilia Bartoli wüten und toben kann, so federleicht und sanft kann sich die Stimme aufschwingen, eine Tonleiter streifen und doch jeden Ton einzeln formen. Das wunderbarste aber ist die Tragfähigkeit selbst im versterbenden Pianissimo. Auch im Verschwinden ist der Klang noch voll und warm, selbst dann, wenn die Sängerin die letzten Worte des Textes verhauchend darüber singt. Das Timbre ist bei aller Beweglichkeit der Stimme füllig und warm abgedunkelt, allein den Spitzentönen fehlt eine Spur Strahlkraft. Dass Frau Bartoli im Wesentlichen unbekannte Szenen sang, war kein Nachteil, sondern bot die passende Bühne für diese Jahrhundertstimme.

Von so überwältigender Sangeskunst schien das Orchester La Scintilla des Opernhauses Zürich, das sich als Spezialensemble für alte Musik formiert hat, fast verschüchtert. Ohne Dirigent ist das Ensemble ausgezeichnet aufeinander eingestellt und reagiert sehr zuverlässig auf die sparsame Zeichengebung von Konzertmeisterin Ada Pesch. Im Piano ist der weiche Klang sehr schön, und die ruhigen, introvertierten Arien gelangen am besten. Im forte aber, bei den Wut-und-Rache-Arien, klingt das Orchester allzu kultiviert, es fehlt an Aggressivität und am erkennbaren Willen, sich gegen die Sängerin behaupten zu wollen. Die Instrumentalisten begleiten zu sehr, wo sie auch Gegenpart sein müssten.

Zwischen den Auftritten von Frau Bartoli hatten die Instrumentalsätze die Funktion von Intermezzi, ohne viel eigenes Gewicht zu entfalten (war der Beginn mit Torellis Trompetenkonzert noch von einigen Unsicherheiten geprägt, so gelang vor allem Händels Concerto Grosso D-Dur op. 3 Nr. 6 sehr schön). Auch die Gedichte waren mehr Atempausen (auch für das vom Staunen über den Gesang erschöpfte Publikum) – der programmatische Zusammenhang der Texte, die auch nach Gefälligkeit und Bekanntheitsgrad ausgesucht schienen (Hölderlins „Hälfte des Lebens“, Goethes „Willkommen und Abschied“) mit der Musik wurde nicht recht deutlich. Für Armin Müller-Stahl, der wegen Dreharvbeiten in den USA nicht abkömmlich war, rezitierte kurzerhand Burgschauspieler und Salzburger „Jedermann“ Peter Simonischek solide und mit angemessenem Pathos. Aber ganz gleich, ob er aus die Bibel, Glanzlichter deutscher Lyrik oder das BGB verlesen hätte – es war ohnehin der Abend der Cecilia Bartoli.




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Un viaggio nel barocco italiano

Cecilia Bartoli, Mezzosopran

Peter Simonischek, Rezitation


Orchester La Scintilla
der Oper Zürich



Instrumentalwerke und Arien von
G. Torelli, A. Scarlatti, A. Caldara,
A. Corelli und G. F. Händel

Gedichte von P. Gerhard, M. Claudius,
A. Gryphius, M. Opitz, J. W. von Goethe,
F. Hölderlin, D.Schubart,
P. Fleming und R. M. Rilke


Programmheft
Programmheft
(Gestaltung: Karl-Ernst Herrmann)



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