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Musikfestspiele
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Herbert von Karajan
Pfingstfestspiele 2008

Fidelio
Oper in zwei Aufzügen
von Josef Sonnleithner, Stephan von Breuning
und Georg Friedrich Treitschke
(revidierte Ausgabe nach den Quellen
von Helga Lühning und Robert Didion)
Musik von Ludwig van Beethoven

In deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden (eine Pause)

Pfingstfestspiele Baden-Baden 2007
am 3., 5., 8. und 10. Mai 2008
Besuchte Vorstellungen: 5. Mai 2008


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Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)

Abbados Fidelio-Debut

Von Christoph Wurzel / Foto von Andrea Kremper

Gleich zwei Debutanten an exponierter Stelle gab es in Beethovens "Fidelio": den Dirigenten und den Regisseur.

Fast unglaublich, dass Claudio Abbado bisher noch keinen "Fidelio" dirigiert hatte. Denn sein künstlerischer Werdegang, angefangen mit der Freundschaft zu Luigi Nono, der einem gesellschaftlich emanzipatorischen Musikideal verpflichtet war, ist geprägt vom Anspruch der Musik als einer Form des künstlerischen Humanismus. Aber es ergab sich wohl noch nicht, weder in Mailand, noch in Wien oder bei irgendeinem Festival, so dass Abbado bis fast zu seinem 75. Geburtstag wartete, dieses Hohelied auf Menschenrecht und Menschenpflicht auf der Opernbühne zu dirigieren. Nun aber geschah es in Baden-Baden, wobei gesagt sei, dass die hier gezeigte Produktion auch unter seiner Leitung bereits im Frühjahr in Oberitalien zu sehen war.

Und Abbados Dirigat - nicht weniger auch die Leistungen der Musikerinnen und Musiker des Mahler Chamber Orchestra - schufen die Glücksmomente dieser Aufführung. Ein pathosfreies Musizieren war zu erleben, doch dramatisch durchpulst und Frische atmend - Beethovens glutvollen und emphatischen Fortschrittsdrang vorwärts treibend, dabei ohne Hast und falschen Überschwang. Die Schönheit der Musik stand im Focus, nicht deren Wucht, nicht das plakativ Bekenntnishafte, sondern eine berührende Emotionalität. Zu Höhepunkten des Orchesterparts wurden neben der auf innere Dramatik zielenden Ouvertüre die subtile Begleitung bei der tastenden Suche der Figuren nach einer Orientierung zwischen Hoffen und Angst (im Quartett "Mir ist so wunderbar..."), ein die irdischen Grenzen fast transzendierender musikalischer Farbenbogen der Hoffnung in Leonores großer Arie (mit einem wunderbar geschmeidig geblasenen, in Gefühlstiefen dringenden Hornsolo) und der Gefangenenchor, der zu einer Szene tiefster innerer Bewegung emporwuchs, gesungen in harmonischer Einheit vom "Arnold Schönberg Chor" und dem "Coro de la Comunidad de Madrid".

Dass auch alle Solisten dieses hohe musikalische Niveau erreicht hätten, lässt sich leider nicht sagen. Anja Kampe kam klanglich mit schöner, rein strahlender Stimme dem Leonoren-Ideal der edlen Heldin recht nahe, die dramatische Energie dieser Rolle vermochte sie aber nicht ganz zu verströmen. Wenn der Sänger des Florestan nicht nur von seinen Qualen erzählen, sondern diese auch noch mittels einer verzerrten, gequetschten Stimme leibhaftig machen sollte, dann wäre Clifton Forbes dem Rollenideal sehr nahe gekommen. Wenn man aber die Ansprüche eines jugendlichen Heldentenors an die Rolle stellt, dann kann man diesen Sänger leider nur als Fehlbesetzung bezeichnen. Völlig überzeugen konnte im übrigen soliden Ensemble besonders Julia Kleiter , die der Rolle der Marzelline neben jugendlicher Frische die nötige Portion Selbstbewusstsein beimengte und sängerisch weit mehr als den üblichen Soubrettenton anschlug.


Vergrößerung in neuem Fenster Willige Helferin:
Julia Kleiter als Marzelline

Der andere Debutant war auf dem Regiestuhl der Filmregisseur Chris Kraus, dessen Ausspruch, noch nie ein Opernhaus von innen gesehen zu haben, zur allgemeinen Verwunderung vor den Aufführungen kolportiert worden war. So krass ahnungslos, wie man deshalb vermuten konnte, erwiesen sich seine Regiekünste denn doch nicht, aber von einem Wurf lässt sich auch nicht sprechen. Im optischen Umfeld des napoleonischen Imperialismus (Bühne: Maurizio Balò / Kostüme: Anna Maria Heinrich) arrangierte Kraus die Handlung im Breitwandformat der Baden-Badener Bühne in recht flächigen Tableaus. Die Tiefe, die der Bühne fehlte, entwickelte sich auch nicht im Spiel der Figuren. Sinnstiftend wirkte vor allem die Dekoration.

Beherrschender Effekt war eine Guillotine, die während des Geschehens drohend alles überragte, deren Gegenwart aber nur ganz zu Anfang Bildmacht zu entfalten vermochte, wenn Marzelline das Mordinstrument wie ein Haushaltsgerät munter zu putzen begann. Später wurde ein Gefangener zur Hinrichtung vorgeführt und festgeschnallt, mit ihm wurde das Gerät dann hin- und hergeschoben und schließlich in irgendeiner Ecke vergessen. Derart fahrig mit Einfällen umzugehen, darf man sich nur beim Film erlauben, wo sich alles Unbrauchbare wieder herausschneiden lässt.


Vergrößerung in neuem Fenster

Anbruch der Freiheit im Sonnenlicht.
Von links: Albert Dohmen (Pizarro), Giorgio Surian (Rocco),
Clifton Forbes (Florestan), Anja Kampe (Leonore)
und Diogenes Randes (Minister)

Düster und dunkel begann in schlichtem Naturalismus der 2. Akt. Im Rollstuhl als Symbol seiner schwindenden Macht wurde Pizarro hereingeschoben, bis der Minister im Kardinalsgewand auftauchte - ein oberflächlich wohlfeiler Effekt, dessen Sinn angesichts des Textes aber angezweifelt werden darf. Ein Kardinal als Aufklärer? Damals wie heute dürfte das wohl ein Fehlschluss sein. Im hellen Sonnenlicht löste sich am Schluss alles in Wohlgefallen auf.


FAZIT

Die Inszenierung blieb auf einer vordergründigen, plakativen Ebene stehen, die Musik aber drang in die Tiefe des Herzens.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Claudio Abbado*
/ Eivind Gullberg Jensen

Inszenierung
Chris Kraus

Bühnenbild
Maurizio Balò

Beleuchtung
Gigi Saccomandi

Kostüme
Anna Maria Heinreich

Chorleitung
Erwin Ortner



Mahler Chamber Orchestra

Arnold Schönberg Chor
(Einstudierung : Jordi Casals)

Coro de la Comunidad de Madrid
(Einstudierung : Jordi Casas Bayer)


Solisten

* nur 3. und 5. Mai

** Mitglieder des Arnold Schönberg Chores

Don Fernando,
Minister
Diogenes Randes

Don Pizarro,
Gouverneur eines Staatsgefängnisses
Albert Dohmen

Florestan,
ein Gefangener
Clifton Forbes

Leonore,
seine Gemahlin
Anja Kampe *
/ Gabriele Fontana

Rocco,
Kerkermeister
Giorgio Surian

Marzelline,
seine Tochter
Julia Kleiter

Jaquino,
Pförtner
Jörg Schneider

1. Gefangener
Ilker Arcayürek **

2. Gefangener
Levente Pall **


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)




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