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Musikfestspiele
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Festspielhaus Baden-Baden
Sommerfestspiele 2008

Tannhäuser
und der Sängerkrieg auf Wartburg

Oper in drei Aufzügen von Richard Wagner

Aufführungsdauer: ca. 5 ½ Stunden (2 Pausen)
25., 27. und 29. Juli 2008

Koproduktion zwischen dem Festspielhaus Baden-Baden
und der Nederlandse Opera Amsterdam
Besuchte Vorstellung: 27. Juli 2008


Homepage

Festspielhaus Baden-Baden
(Homepage)

Sängerkrieg im Goldglitzer-Frack

Von Christoph Wurzel / Foto von Andrea Kremper

Es sollte bewusst eine Alternative werden: Exakt zeitgleich mit Bayreuth hob sich der Vorhang auch in Baden-Baden zur großen sommerlichen Wagneroper.


Vergrößerung in neuem Fenster Einzug der Gäste:
"Der holden Kunst Beschützer Heil!"
(Ensemble)

Zum dritten Mal baute sich das Festspielhaus Baden-Baden damit zum Bayreuth-Antipoden auf - nach "Parsifal" (Sommer 2004), "Lohengrin" (Pfingsten 2006) in diesem Jahr nun "Tannhäuser". Schon vor vier Jahren sprach man vom "Gegen-Bayreuth" an der Oos - und dies nicht allein der äußeren Umstände wegen, sondern vor allem wegen der künstlerischen Qualität der Aufführungen. Die waren nämlich unumstritten, anders als in Bayreuth. Dort oft rätselhaftes "Regietheater" (Schlingensief!), hier eine handwerklich tadellose, hoch ästhetische Szenerie (Lehnhoff) - dort eine Sängerbesetzung, die viele Wünsche offen lässt, hier ein Ensemble, das im Wagnergesang bestens zuhause ist. Die jüngste Tannhäuser-Produktion bestätigte diesen Trend. Vielleicht entwickelt sich Baden-Baden damit zum zweiten Wallfahrtsziel für Wagnerianer. Intendant Andreas Mölich-Zebhauser bilanzierte für dieses Jahr schon recht zufrieden: "Es steht eins zu eins zwischen Bayreuth und Baden-Baden". Aber der umtriebige Musikmanager greift schon nach Höherem: ab 2011 bis 2013 soll es den ganzen Ring geben, Thielemann wird dirigieren, der Regisseur steht noch nicht fest, die Sängerriege dürfte erlesen sein, jedenfalls wenn man die Erwartungen an der Besetzung des diesjährigen "Tannhäuser" misst.


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Verzückt im Venusberg:
"Von ros'gen Düften mild durchwallt."
Waltraud Meier (Venus),
Robert Gambill (Tannhäuser)

Denn diese Besetzung war wirklich erstklassig: Robert Gambill war als Tannhäuser schier unübertrefflich, ein Heldentenor mit starken lyrischen Qualitäten, der auch durchhielt, wenn das Orchester aus dem Vollen schöpfte. Als Elisabeth brillierte Camilla Nylund mit makellosen Höhen und explizit schönem Klang. Waltraud Meier war eine glutvolle Venus. Wie sie ihre Stimmfarbe vom Schmeicheln zum Fluch wandelte, war faszinierend anzuhören. Dass sie inzwischen dem Grünen Hügel abhold ist, machte ihren Baden-Badener Auftritt umso mehr zur Attraktion. Roman Trekel gab einen Wolfram von elegantem (Stimm-)Format - ein weich strömender Bariton, dessen Abendstern-Gesang einem das eigene Herz rührte. Kraftvoll Stephen Milling als Landgraf, auch väterlich mild, wunderbar sonor und würdevoll, barsch und beißend Tom Fox in der Rolle des Biterolf. Auch die übrigen Minnesänger waren stimmlich gut beieinander.


Vergrößerung in neuem Fenster Umstrittener Wegweiser:
"Zieht in den Berg der Venus ein!"
Roman Trekel (Wolfram) und
Robert Gambill (Tannhäuser)

Die Szene wurde dominiert von edlen Kostümen, die im zeitlosen Design viel Phantasie erlaubten. Zum Wettstreit traten die Sänger in Gold gewandet an - ein bisschen Showeffekt, ein bisschen Edelboutique. Allein Tannhäuser war finsteres, anarchisches Schwarz vorbehalten. Mit unbeherrschten Gesten mischte er die noble, aber sterile Veranstaltung auf, wild das Mikro an sich reißend, das Lehnhoff sich als einziges "modernes" Accessoire erlaubt hatte. Hier wurde etwas von Tannhäusers Außenseitertum deutlich, ansonsten aber verblieb die Inszenierung auf der Ebene eines überaus ästhetischen Szenen-Arrangements. Eine kritische Auseinandersetzung, einen Blick auf den gesellschaftlichen Konflikt, der diese Oper grundiert, eine Befragung der Gründe für Tannhäusers allzu schnellen Canossagang, bzw. seine Pilgerfahrt nach Rom, eine Erhellung des Wagnerschen fixen Erlösungswahns leistete die Regie nicht und wollte es wohl auch nicht. Auch an subtiler Personenregie wurde gespart, der Chor schritt vorwiegend gemessen dahin.

Sehen konnte man freilich eine schöne Bühnenwelt in einem architektonisch raffinierten Einheitsdekor, in welchem die geschwungene Treppe reiche Möglichkeiten für effektvolle Auf- und Abtritte bot. Zu Beginn drehte sich um die im üppigen barocken Kleid wie eine Statue harrende Venus fortwährend eine kleinere Wendeltreppe. An verpuppte Insektenlarven erinnerten die Sirenen, die sie etwas zappelig umtanzten. Die schwüle Erotik war in dieser Szene vor allem in den Sublimationszustand des schönen Gesangs gezwungen. Auch als Venus ihr ausladendes Obergewand ablegte und verheißungsvoll auf den Boden bettete, blieb die Leidenschaft begrenzt. Als Elisabeth im 2. Akt die teure Halle betrat, erschien sie zuerst auf der höheren Ebene des Bühnenbilds, was sowohl akustisch von großem Vorteil, als auch szenisch von herrschaftlichem Gepränge war. Überraschend stieg der vergeistigte Tannhäuser am Schluss auf eben dieser Treppe seiner verblichenen Retterin in die Ewigkeit nach, während selbiger in Gestalt eines Doubles tot in Wolframs Arme sank. Etwas geschmäcklerisch wirkte das Einheitskostüm der Choristen, zumal deren Helmgeweih einige Rätsel aufgab. Eine geschickte Lichtregie tauchte die Szenerie stets in angenehme Farben.


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Erotik im Kokon:
"Naht euch dem Lande!"
Waltraud Meier (Venus),
Nymphen (Corps de Ballet)

Am Pult des Deutschen Symphonieorchesters sorgte Philippe Jordan für exzellent dramatischen Wagnerklang: romantisch und schwärmerisch, erhaben pathetisch und düster bedrohlich (markante Bläser in der Rom-Erzählung!) - ganz wie es die Situation erforderte. Ein großes Verdienst war, dass nie die Sänger zugedeckt wurden, so dass der Text gut verständlich blieb. Gespielt wurde die Wiener Fassung (,die auf der Pariser fußt) mit einem extra Bläserensemble auf der Hinterbühne, das viel Eindruck machte. Überhaupt gelang Jordan ein sehr plastischer Orchesterklang, der auch in den Einzelstimmen immer wieder schönste Klangeindrücke hervorbrachte. Mit großem Engagement folgten die Instrumentalisten seinem zupackenden, temperamentvollen Dirigat. Philippe Jordan gab seine Visitenkarte als künftiger Musikdirektor der Bastille-Oper höchst glaubwürdig ab.


FAZIT

Ein Augen- und Ohrenschmaus und keine regietheatralische Irritation: höchst kulinarische Oper.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Philippe Jordan

Inszenierung
Nikolaus Lehnhoff

Bühnenbild
Raimund Bauer

Kostüme
Andrea Schmidt-Futterer

Licht
Duane Schuler

Chorleitung
Walter Zeh

Choreografie Ballett
Amir Hosseinpour
Jonathan Lunn

Choreografie Chor
Denni Sayers

Dramaturgie
Klaus Bertisch
Wolfgang Willaschek



Philharmonia Chor Wien

Deutsches Symphonie-
Orchester Berlin


Solisten


* Alternativbesetzung

Herrmann, Lanfgraf von Thüringen
Stephen Milling

Tannhäuser
Robert Gambill
/ Frank van Aken*

Wolfram von Eschenbach
Roman Trekel

Walther von der Vogelweide
Marcel Reijans

Biterolf
Tom Fox

Heinrich der Schreiber
Florian Hoffmann

Reimar von Zweter
Andreas Hörl

Elisabeth, Nichte des Landgrafen
Camilla Nylund
/ Solveig Kringelborn*

Venus
Waltraud Meier

Ein junger Hirt
Katherina Müller

Vier Edelknaben
Claudia Chmelar
Anna- Katina Tilch
Manuela Leonhartsberger
Martina König

Geist des Tannhäuser
(stumme Rolle)
Reinier van der Eng

Tänzer
Fabienne Boekel
Jasper Dzuki Jelen
Namiko Gehier
Caroline D'Haase
Esther Jager
Leena Keizer
Andrea Mitschke
Maroussia van der Moezel
Anna Pons Carrera
Sophy Ribrault
Lilou Robert
Satyra Roosens
Shahla Tarrant
Susana Garcia Valverde
James-John van der Velden
Pim Veulings


Weitere Informationen
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(Homepage)




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