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Rossini Opera Festival

Pesaro, 9. - 22. August 2010


Sigismondo

Dramma per musica in zwei Akten

Libretto von  Giuseppe Foppa

Musik von Gioachino Rossini


in italienischer Sprache mit italienischen Übertiteln

 

Aufführungsdauer: ca. 3 h 05' (eine Pause)

Premiere im Teatro Rossini in Pesaro am 09.08.2010
(Rezensierte Aufführung: 15. August 2010)

 

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Rossini Opera Festival

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Die Welt als Irrenhaus

Von Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival / © Studio Amati Bacciardi

Wenn man eine Oper ausgräbt, die in nahezu keinem Opernführer vermerkt ist, muss man schon sehr auf die Qualitäten des Werkes vertrauen. Rossinis Sigismondo, am 26.12.1814 im Teatro la Fenice als zweite Opera seria nach seinem recht erfolgreichen Tancredi uraufgeführt, war schon damals kein Erfolg beschieden, wobei der Grund hierfür wohl kaum der Musik anzulasten war, da den einzelnen Solisten durchaus in bravourösen Glanzarien die Gelegenheit gegeben wurde, mit ihrem stimmlichen Potenzial zu glänzen, sondern vielmehr dem schwachen Libretto zuzuschreiben war, das durch eine absolut verworrene Handlung auch für das damalige Opernpublikum kaum nachvollziehbar gewesen sein dürfte.


Vergrößerung in neuem Fenster Ensemble-Szene im Irrenhaus, von links: Ladislao (Antonino Siragusa), Aldimira (Olga Peretyatko, Statisten, Zenovito (Andrea Concetti), Anagilda (Manuela Bisceglie), Radoski (Enea Scala), Sigismondo (Daniela Barcellona), im Hintergrund der Chor

Sigismondo, der König von Polen, hat seine Gattin Aldimira, die Tochter Uldericos, des Königs von Böhmen und Ungarn, töten lassen, da ihn sein Kanzler Ladislao von Ihrer Untreue überzeugt hat. Hierbei handelte es sich aber um eine Intrige Ladislaos, da er sich an Aldimira für die Zurückweisung seiner Liebesschwüre rächen wollte. Aldimira wird auf wundersame Weise von Zenovito, einem polnischen Adligen, gerettet und lebt fortan unter dem Namen Egelinda als Zenovitos Tochter im Wald. Nun plant ihr Vater Ulderico mit seinem Heer einen Krieg gegen die Polen, um die Ermordung seiner Tochter zu rächen. Sigismondo trifft im Wald Egelinda/Aldimira, verliebt sich in sie und plant, sie Ulderico als noch lebende Tochter zu präsentieren, um den Krieg zu verhindern. Doch Ladislao fürchtet, dass seine Intrige auffliegen könnte, und verrät Ulderico Sigismondos Vorhaben, so dass Ulderico die eigene Tochter als Hochstaplerin zurückweist. Es kommt zur kriegerischen Auseinandersetzung, bei der Sigismondo Ulderico schon wehrlos ausgeliefert ist, als Ladislao bei der Verfolgung Aldimiras stürzt und, vom Sturz benommen, seine Schandtat gesteht. Sigismondo und Ulderico erkennen Egelinda endlich als die totgeglaubte Aldimira, und alle stimmen in großen Jubel ein.


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Der von seinen Schuldgefühlen traumatisierte Sigismondo (Daniela Barcellona), während im Hintergrund die Irren toben

Es verwundert nicht, dass diese Geschichte bei den Venezianern keine Begeisterungsstürme hervorgerufen hat, da sie zu verworren und zu wenig motiviert ist. Das hat sich wohl auch das Regieteam um Damiano Michieletto gedacht und sich daher nicht getraut, die Geschichte gemäß Libretto zu erzählen. Da es sich bei Sigismondo weder um eine historische Person handelt, noch das beschriebene Polen irgendeine Ähnlichkeit zu dem tatsächlichen Land aufweist, sondern eher einen mythischen Ort darstellt, hat sich Michieletto auf ein Schlüsselgefühl konzentriert, das alle Protagonisten betrifft und von allen ständig besungen wird: "Delirio". So befinden wir uns im ersten Akt in einer Irrenanstalt - Dale Wasserman's Einer flog über das Kuckucksnest lässt grüßen - mit hohen weißen Wänden und großen vergitterten Fenstern. Neben den Irren, die optisch die Szene beherrschen und von der eigentlichen Handlung ablenken, treten auch noch mehrere Aldimira-Doubles auf, um abwechselnd bei Ladislao und Sigismondo - je nach Bedarf - furienhaft das schlechte Gewissen zu evozieren oder - je nach Notwendigkeit - die Schreibtische im zweiten Akt von einem Möbelhaufen in einen Sitzungssaal zu verwandeln. Ladislao (Antonino Siragusa), seine Schwester Anagilda (Manuela Bisceglie) und sein Diener Radoski (Enea Scala) treten als Besucher auf, um sich nach Sigismondos (Daniela Barcellona) Gesundheitszustand zu erkundigen. Dieser Regieeinfall trägt den Handlungsgedanken leider nicht, da Zenovito (Andrea Concetti) als Arzt im Irrenhaus die eigentliche Autorität besitzt und somit seine Rolle als Eremit völlig verfälscht wird. Auch wird nicht glaubhaft, dass Sigismondo, der in einem Rollstuhl sitzend ständig versucht, sich einen imaginären Ehering vom Finger zu reißen, am Ende des Aktes als geheilt entlassen wird, um seinen Plan zur Verhinderung des Krieges durchzuführen. Wenn man also das Libretto nicht vorher genauestens studiert hatte, hatte man bis zur Pause  kaum die Möglichkeit die Handlung zu verstehen.


Vergrößerung in neuem Fenster Aldimira/Egelinda (Olga Peretyatko) und Sigismondo (Daniela Barcellona) erwarten die Ankunft Uldericos, im Hintergrund die Aldimira-Doubles.

Nach der Pause gibt es einen Funken Hoffnung, doch noch der eigentlichen Geschichte näher zu kommen. Die Irren sind weg und man befindet sich in einem hohen Raum mit braunen Wänden, der während des Aktes in einen Sitzungssaal mit zahlreichen Schreibtischen umgebaut wird. Auch Sigismondo darf jetzt sein Nachthemd ablegen und in einer schwarzen Uniform schon eher wie ein König erscheinen, auch wenn Daniela Barcellonas Körpersprache noch sichtlich die Verunsicherung des Königs ob seines Vorhabens ausdrückt (hervorragend gespielt von Frau Barcellona). Die Szenerie wirkt fast nah am Libretto, doch kaum ist wieder von "Delirio" die Rede, stehen die Irren auch schon wieder vor den Fenstern und stürmen den Saal. Doch dieses Mal holen sie nicht Sigismondo, für den es ein Happy End mit seiner Aldimira gibt, sondern Ladislao wird in den Rollstuhl gesetzt und mit seiner Schwester Anagilda ins Irrenhaus verfrachtet. Sigismondo ist geheilt, wirklich?

Zum Glück entschädigten die sängerischen Leistungen für die Schwächen der Inszenierung. Daniela Barcellona sang die Hosenrolle Sigismondo mit satten weichen Tönen in den Tiefen und blieb auch in den Höhen stets klar und exakt. Auch schauspielerisch stellte sie die innere Zerrissenheit dieses leidenden Königs sehr glaubhaft dar. Besonders in den Duetten mit Olga Peretyatko (Aldimira) kam das Gefühl auf, dass diese schöne Musik nicht der Vergessenheit anheim fallen sollte. Olga Peretyatkos Koloraturen als Aldimira perlten wie Champagner und klangen stets leicht und warm, selbst wenn sie dabei gegen den ständig zudringlichen Ladislao (Antonino Siragusa) ankämpfen musste. Den Tenor als Bösewicht  hat man nicht ganz so häufig in der Oper. Antonino Siragusa beherrschte die schwierige Partie des Ladislao mit Bravour, auch wenn er in den Höhen bisweilen ein wenig pressen musste.


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Ladislao (Antonino Siragusa) wird von den Irren ins Irrenhaus geholt.

Neben diesen drei Hauptpartien waren auch die kleineren Rollen sehr gut besetzt. Andrea Concetti interpretierte sowohl Ulderico im zweiten als auch Zenovito im ersten Akt mit wohligem Bass. Manuela Bisceglies Rolle als Anagilda wurde von der Regie aufgewertet, da Michieletto sie als ebenso intrigant anlegte wie ihren Bruder Ladislao. Sie will den König Sigismondo für sich und damit ist die vermeintliche Egelinda eine Gefahr für die Erreichung ihrer Ziele, so dass sie die Nebenbuhlerin bisweilen auch mit der Waffe bedroht. Frau Bisceglie spielte und sang diese intrigante Schlange mit großem Einsatz und schön geführter Stimme. Gleiches galt auch für Enea Scala als Diener Radoski und den Herrenchor unter der Leitung von Paolo Vero.

Ein besonderes Lob gebührt auch der Statisterie. Man mag den Einsatz der Irren nun mögen oder nicht, glaubhaft gespielt wurden sie auf jeden Fall und zeigten starke Bühnenpräsenz. Auch das Orchester unter der Leitung von Michele Mariotti lieferte einen nahezu perfekten Rossini-Klang.

FAZIT

Musikalisch ist das Werk - vor allem bei einer solchen Besetzung - die Wiederentdeckung wert, bei der Szene sollte man aber vielleicht doch darauf achten, dass die Handlung nachvollziehbar bleibt, auch wenn das Libretto selbst dies nicht gerade leicht macht.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Michele Mariotti

Inszenierung
Damiano Michieletto

Bühnenbild
Paolo Fantin

Kostüme
Carla Teti

Licht
Alessandro Carletti

Choreinstudierung
Paolo Vero

Orchester und Chor des
Teatro Communale di Bologna


 

Solisten

Sigismondo
Daniela Barcellona

Ulderico / Zenovito
Andrea Concetti

Aldimira
Olga Peretyatko

Ladislao
Antonino Siragusa

Anagilda
Manuela Bisceglie

Radoski
Enea Scala






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