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Metamorphose unter dem SternenhimmelVon Thomas Molke / Fotos von Rupert Larl ( © Innsbrucker Festwochen)
Giove (Jeffrey Francis) verführt in Diana Gestalt deren treue Dienerin Calisto (Anna Gorbachyova). Die Handlung stammt mit einigen Abänderungen aus Ovids Metamorphosen. Giove (Jupiter) besichtigt gemeinsam mit dem Götterboten Mercurio den Schaden, den der mit dem Sonnenwagen verunglückte Phaeton auf der Erde angerichtet hat, und wird dabei auf die reizende Nymphe Calisto aufmerksam. Da diese sich jedoch als keusche Dienerin der Jagdgöttin Diana Gioves Werben widersetzt, verwandelt sich Giove auf Anraten Mercurios kurzerhand in Diana, um die ahnungslose Nymphe zu verführen. Gioves Ehefrau Giunone kommt ihrem Gatten auf die Schliche und rächt sich an Calisto, indem sie sie in einen Bären verwandelt. Giove bleibt nichts anderes übrig, als der traurigen Calisto zu versprechen, nach Beendigung ihres irdischen Daseins zum Sternbild des Großen Bären zu werden. Ein weiterer Handlungsstrang erzählt von dem jungen Schäfer Endimione, der sich in unglücklicher Liebe zu der Jagdgöttin Diana verzehrt und von dem Hirtengott Pane und seinem Gefolge gequält wird. Als Diana ihn schließlich aus den Fängen des Hirtengottes befreit, schwört sie sich mit ihm ewige keusche Liebe, die lediglich in einem Kuss bei Nacht gipfeln soll. Noch umwirbt der triebgesteuerte Satirino (Onur Abaci) die Nymphe Linfea (Wilfried Rogl). Hinrich Horstkotte verzichtet in seiner Inszenierung größtenteils auf ein Bühnenbild und nutzt lediglich die Gegebenheiten des Innenhofes der Theologischen Fakultät. So ist um das Orchester ein Podest aufgebaut, das sich direkt an den Säulengang des Innenhofes anschließt. Die breiten Steinsäulen werden als Versteck- und Rückzugsmöglichkeiten in die Inszenierung eingebaut. Mitbespielt werden auch die beiden Etagen der Theologischen Fakultät, die den Innenhof umschließen. Die drei allegorischen Figuren La Natura, L'Eternità und Il Destino treten im Prolog an den Fenstern des ersten Stockwerkes auf und eröffnen den Diskurs, der die nun folgende Geschichte einleitet. Dazu lässt La Natura ein großes schwarzes Tuch auf das Podest herab, das im späteren Verlauf des Stückes häufig dazu dient, Verwandlungen der Figuren vorzunehmen. Il Destino, als blind dargestellt, lässt eine Puppe an einem Faden auf die Bühne herab, die am Ende quasi in den Himmel, das heißt bis zum zweiten Stock, emporgezogen wird und Calistos Blick in die himmlischen Sphären symbolisiert, in denen sie später als Sternbild erstrahlen soll. Auch das Sternbild des Großen Bären wird am Ende an die Fassade des zweiten Stockwerkes geworfen und gibt mit dem darüber liegenden nächtlichen sternenklaren Himmel ein wunderbares Schlussbild. Unterstützt wird dieses Bild durch den Chor der himmlischen Geister, der für den Zuschauer im Hof im wahrsten Sinne von oben ertönt und, da die Sänger auf allen Seiten hinter offenen Fenstern postiert sind, einen sehr ergreifenden Klang erzeugt. Calisto (Anna Gorbachyova, rechts) vertraut sich in ihrer Naivität Giunone (Francesca Lombardi Mazzulli, links) an. Neben dieser optimalen Nutzung der räumlichen Gegebenheiten richtet Horstkotte sein Augenmerk vor allem auf eine sehr treffende Kostümierung. So werden die einzelnen Gottheiten jeweils mit einem kleinen Attribut ausgestattet, das ihre Zuordnung sofort verständlich macht: Giove erhält einen Blitz und wirkt in seinem schwarzen Gewand sehr majestätisch. Giunone schmückt sich mit einer Pfauenfeder, da laut Mythologie ihr Wagen von Pfauen gezogen worden ist. Mercurio verfügt nicht nur über die weißen Flügelschuhe, sondern hat auch noch kleine Flügel an seinem Hut. Diana, die von Endimione als Göttin des Mondes verehrt wird, da sie ihm in seinen Träumen stets im Mond erscheint, hat in ihrem dunkelroten Kostüm über ihrer Brust eine in den Stoff eingearbeitete aufgehenden Mondsichel. Sehr bezeichnend ist, dass bei Giove, wenn er sich als Diana ausgibt und ein gleiches Kostüm trägt, die Mondsichel auf dem Kopf steht. Bei Pane wird mit einem überdimensional großen Phallus seine Triebhaftigkeit betont. In diesem göttlichen Reigen bewegen sich nun Calisto in einem schlichten rosafarbenem Kleid, in dem sie einfach nur bezaubernd aussieht, so dass man sehr gut verstehen kann, dass der Göttervater in Liebe zu ihr entbrennt. Als komische Figur wird die weitere Nymphe Linfea eingeführt, die in einem züchtigen Dirndl von einem Mann gespielt und mit tenoraler Stimme gesungen wird, und als Gegenpart Calistos die Keuschheit zunächst wohl nur verteidigt, weil sich für sie sowieso kein Mann interessieren würde. Selbst der kleine triebgesteuerte Satirino, der ihr anfangs noch Avancen macht, scheint am Ende nicht begeistert zu sein, wenn sie ihr Dirndl gegen ein weißes Hochzeitskleid eintauscht, und versucht relativ erfolglos, der mittlerweile liebestollen Nymphe zu entfliehen. Endimione erinnert in seiner Kostümierung und mit seiner Frisur ein wenig an Ozzy Osbourne, was die depressive Haltung der Figur unterstreicht. Begleitet wird der Abend von neun Musikern des 2005 in Gent gegründeten B'Rock, einem international ausgerichteten Barockorchester, das sich auf historisch informierte Aufführungspraxis spezialisiert hat. Gemeinsam mit Andrea Marchiol, dem musikalischen Leiter, dieser Produktion, der die Rezitative auch am Cembalo begleitet, geht diese kleine orchestrale Besetzung über die der Uraufführung, die mit nur vier Musikern auskommen musste, weit hinaus und ermöglicht, weitere Verzierungen und Elemente in die Musik einzubauen. So hat Marchiol auch eigene kleine Kompositionen in die Musik eingefügt, was in der damaligen Tradition der Barockoper durchaus üblich war. Musikalisch besonders innig gelingt das Terzett am Ende der Oper, wenn Giove von Calisto Abschied nehmen muss, nachdem er ihr vorher einen Ausblick auf ihre Zukunft als Sternenbild gegeben hat. Bei diesen nahezu himmlischen Klängen vergisst man, vielleicht auch mit Blick auf das nächtliche Ambiente, dass es sich um einen heidnischen Stoff handelt, da der Schluss musikalisch schon fast sakral klingt. Ein Kuss muss reichen: Endimione (Benno Schachtner) und Diana (Anna Alàs y Jové). Als einziger erfahrener Sänger tritt Jeffrey Francis als Giove auf und fungiert gleichzeitig als Coach des Ensembles. Mit kräftigem Tenor überzeugt er als Göttervater und vollzieht die Metamorphose zur Jagdgöttin Diana stimmlich und darstellerisch sehr überzeugend. Anna Gorbachyova, die Siegerin des Gesangswettbewerbs 2010, interpretiert die Titelfigur mit jugendlichem Charme und warmem Sopran. Francesca Lombardi Mazzulli überzeugt als ihre Gegenspielerin Giunone mit einem kräftigen Sopran und sehr intensivem Spiel. Simon Robinson, ebenfalls Finalist des Cesti Gesangswettbewerbs, gibt den Götterboten Mercurio mit einem fundierten Bariton. Besonders aufhorchen lässt der Countertenor Benno Schachtner, der den Schäfer Endimione sehr eindringlich spielt und die stets melancholischen Passagen mit einer sehr lyrischen Stimmfärbung ausfüllt. Onur Abaci, ebenfalls Countertenor, stellt als quirliger Satirino stimmlich als auch darstellerisch einen sehr passenden Gegenpart dar. Klaus Dieter Paar verfügt als Pane über einen sehr hohen Tenor, der problemlos auch in einen Countertenor wechseln kann. Bei ihm scheint noch offen zu sein, wohin er sich stimmlich entwickeln wird. Auch Anna Alàs y Jové als Diana, Wilfried Rogl als Linfea und Daniele Macciantelli als Silvano wissen, stimmlich und darstellerisch zu überzeugen.
FAZIT Schade, dass es diese kurzweilige Produktion nur zweimal zu erleben gab. Es bleibt zu hoffen, dass das Projekt BAROCKOPER:JUNG auch im nächsten Jahr wieder stattfindet.
Weitere Rezensionen zu den
Innsbrucker Festwochen der Alten Musik 2011 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungAndrea Marchiol Inszenierung und Kostüme Licht
Solisten
Calisto / L'Eternità
Diana
Giunone / Il Destino
Giove
Mercurio
Endimione / Secondo Furia
Linfea Satirino /
Prima Furia Pane / La Natura Silvano
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