Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musikfestspiele
Zur OMM-Homepage Ruhrtriennale 2009-2011 E-mail Impressum



Tristan und Isolde

Musikdrama in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 5h (zwei Pausen)

Premiere in der Jahrhunderthalle Bochum am 27. August 2011
(rezensierte Aufführung: 03.09.2011)

Logo: Ruhrtriennale 2011

Überwindung des Irdischen

von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire


Vergrößerung in neuem Fenster Vor Einnahme des Liebestranks: Tristan (Christian Franz) und Isolde (Anja Kampe)

Ein Blick als Initialzündung: “… er sah mir in die Augen…“ - das ist in der Vorgeschichte zur Theaterhandlung von Tristan und Isolde der Auslöser, der Isolde von ihren Racheplänen abbringt. In der Sprache der Ruhrtriennale ist dies einer der „Urmomente“, die der Triennale 2009 – 2011 das Programm geben. Intendant Willy Decker selbst hat die Inszenierung dieses Werks, sicher eines, wenn nicht das Haupt- und Schlüsselwerk dieses letzten Triennale-Jahres 2011, das Verbindungslinien unserer Kultur zum Buddhismus nachspürt (2009 stand das Judentum, 2010 der Islam im Fokus) und nach „Aufbruch“ (2009) und „Wanderung“ (2010) die „Suche nach dem jetzt“ ankündigt


Vergrößerung in neuem Fenster Nach Einnahme des Liebestranks: (von links) Brangäne (Claudia Mahnke), Isolde, Tristan und Kurwenal (Alejandro Marco-Buhrmester)

Die Nähe von Tristan und Isolde zum Buddhismus zeigt sich in der Verneinung des Diesseitigen, die Decker nicht als romantisch verklärte Todessehnsucht auffasst, sondern die Suche nach dem Nichts, dem Nirwana, in dem die im Diesseits in unterschiedliche Subjekte getrennten Liebenden zur Einheit verschmelzen – Wagners Libretto ist da geprägt von der Lektüre Schopenhauers und dem Ansatz, dass Raum und Zeit nur Kategorien der menschlichen Vorstellung sind. Eben diese Kategorien gilt es für das Regieteam daher aufzuheben – was im Hinblick auf die Zeitdimension ja schon der Komponist geleistet hat, der die äußere Handlung extrem komprimiert (vor allem im letzten Aufzug) und die innere Handlung stark aufweitet, der Geschichte also eine dem subjektiven Empfinden der Protagonisten entsprechende Eigenzeit als Raster vorgibt.


Vergrößerung in neuem Fenster Die Nacht der Liebe gebiert so manche Videoprojektion: Tristan und Isolde

Für den Raum hat Bühnenbildner Wolfgang Gussmann eine abstrakte Lösung entwickelt, zwei grellweiße trapezförmige Platten, die in diverse Richtungen dreh- und verschiebbar sind, im Raum zu schweben scheinen, sich fast ständig (oft kaum merklich) bewegen – das ist ein Raum, der sich nicht im realen Theater-Raum verankern lässt, und da wird die Bochumer Jahrhunderthalle in ihrer imposanten Industrie-Architektur, die eben keinen abgeschlossenen Bühnenraum bietet, klug einbezogen. Durch die Abstraktion wird auch die Verbindung zu jedem historischen oder literarischen Raum gekappt. Allein die tendenziell eher modernen Kostüme (Wolfgang Gussmann, Susana Mendoza) – Anzug für König Marke, Partykleid für Isolde, auch Tristan trägt eine anzugartige Kombination – stellen einen Bezug zu unserer Zeit her. Eine Kreisscheibe im Hintergrund sieht aus wie ein fremder Planet - darauf werden hin und wieder nicht sehr suggestive Videos (fettFilm / Momme Hinrichs, Torge Möller) projiziert. Die Beschwörung der „Nacht der Liebe“ gipfelt in einem bühnenfüllenden, leider ziemlich schlecht projizierten Bild des Sternenhimmels – da wird die Überwindung des Irdisch-Diesseitigen sichtbar, keine neue Idee, aber plausibel. Und zu ihrem Schlussgesang, den man in diesem Kontext besser nicht wie gewohnt als „Liebestod“ bezeichnen sollte, schreitet Isolde auf einem Laufsteg ins Orchester und geht auch bildlich in Musik auf.


Vergrößerung in neuem Fenster Vor dem schwer verletzten Tristan: Kurwenal mit Hirt (Thomas Ebenstein)

Deckers radikal auf das Notwendigste reduzierte Regie verzichtet fast vollständig auf Requisiten und im Beharren auf Schwarz und Weiß weitestgehend auch auf den Einsatz von Farben. Auch die an sich durchaus konventionelle, aber genaue Personenführung beschränkt sich auf wenige Gesten, um die Handlung zu transportieren. Es gibt einen Becher für den Liebestrank, Tristan stürzt sich in das Messer des ziemlich unschuldigen Melot, gestorben wird allerdings ohne blutgetränkten Verband. Das alles ist von wohltuender Klarheit und vertraut mit Recht auf die Darsteller und die Musik. Allerdings verschenkt Decker auch manche theaterwirksame Szene, vor allem die Ankunft bei Marke am Ende des ersten Aufzugs (aber auch die Einnahme des Liebestranks, das Erscheinen Markes im zweiten Aufzug oder Isoldes im dritten Aufzug, wie überhaupt die Auftritte meistens recht banal erfolgen). Dabei hat gerade Decker ja oft sehr effektvolle Bilder inszeniert, bei der Ruhrtriennale etwa für Schönbergs Moses und Aron 2009 (unsere Rezension). Vielleicht ist die ruhige, zurückgenommene Erzählform ja genau so gewollt; dann allerdings wäre der Inszenierung noch ein Stück mehr Stilisierung gut bekommen.


Vergrößerung in neuem Fenster Allein: Isolde

Kirill Petrenko am Pult der insgesamt guten (in der bei dieser dritten Aufführung stickig-heißen Jahrhunderthalle allerdings nicht immer fehlerfreien) Duisburger Philharmoniker dirigiert sehr sängerfreundlich, was durchweg eine sehr plastische Textausgestaltung ermöglicht. Manchmal fehlt es da ein wenig an orchestraler Wucht. Davon profitiert in erster Linie die Isolde von Anja Kampe, deren Stärken in der sorgfältigen Phrasierung und der durchdachten Gestaltung, weniger in der hochdramatischen Attacke liegen. Die Stimme klingt mitunter uneinheitlich und nicht immer „rund“, kann (nicht immer!) im hohen Register an Farbe uns Strahlkraft verlieren - und ist in anderen Passagen doch wieder auf den Punkt genau da. Christian Franz imponierender Heldentenor bleibt auch in den extremen Ausbrüchen geschmeidig, problematischer sind manche leisen Passagen, die wie mit halber Kraft gesungen scheinen (dabei kann Franz auch ein schönes „heldisches“ und doch kontrolliertes Piano, nur kommt das nicht immer). Stephen Milling gestaltet den Marke mit noblem, in der Höhe nicht ganz ungefährdetem Bass sehr nuanciert und wortgenau, mit feinsten Schattierungen, was zu einem beeindruckenden Rollenportrait führt. Durch und durch souverän sind Claudia Mahnke als Brangäne und Alejandro Marco-Buhrmester als Kurwenal sowie Thomas Ebenstein als junger Seemann und Hirt. Boris Grappe als Melot und Martin Gerke als Steuermann, dazu die sehr präsent und zupackend singenden Herren des ChorWerk Ruhr runden ein sehr gutes Ensemble ab.


FAZIT

Die sehr konzentrierte, auf das Wesentliche reduzierte Regie kommt zwar in der theatralischen Wirkung nicht an die besten Arbeiten Deckers heran, ist aber in sich schlüssig und passt genau in das Profil der Ruhrtriennale. Musiziert wird (mit kleinen Abstrichen) auf sehr hohem Niveau.




Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kirill Peternko

Inszenierung
Willy Decker

Bühne
Wolfgang Gussmann

Kostüme
Wolfgang Gussmann
Susana Mendoza

Licht
Andreas Grüter

Ton
Holger Schwark
Stefan Holtz

Video
fettFilm
Momme Hinrichs
Torge Moller

Regiemitarbeit
Tatjana Heiniger

Chor
Michael Alber

Dramaturgie
Stefan Poprawka


ChorWerk Ruhr

Duisburger Philharmoniker


Solisten

Tristan
Christian Franz

König Marke
Stefan Milling

Isolde
Anja Kampe

Brangäne
Claudia Mahnke

Kurwenal
Alejandro Marco-Buhrmester

Melot
Boris Grappe

Ein junger Seemann
Ein Hirt
Thomas Ebenstein

Ein Steuermann
Martin Gerke




weitere Berichte von der
Ruhrtriennale 2009 - 2011


Homepage
der Ruhrtriennale


Berichte von der
Ruhrtriennale 2008


Berichte von der
Ruhrtriennale 2005 - 2007
(Intendant: Jürgen Flimm)


Berichte von der
Ruhrtriennale 2002 - 2004
(Intendant: Gerald Mortier)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Ruhrtriennale 2009-2011 E-mail Impressum

© 2011 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -