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Belcanto-Fest in Pedrigos HerbergeVon Thomas Molke / Fotos vom Paula Malone Carty
Gianni (Edgardo Rocha) und sein Page Oliviero (Lucia Cirillo) beobachten die Ankunft der Prinzessin. Obwohl Gianni di Parigi erst 1839 in Mailand seine Uraufführung erlebte, hatte Donizetti die Komposition dieses Werkes schon einige Jahre vorher abgeschlossen. Bereits 1832 schickte Donizetti die Partitur an den damaligen Startenor Giovanni Battista Rubini, der mit seiner herausragenden Interpretation des Percy in Anna Bolena einen entscheidenden Beitrag zu Donizettis Erfolg mit dieser Oper geleistet hatte. Donizetti hoffte, Rubini auch für die Titelrolle in Gianni di Parigi gewinnen zu können und durch ihn Zugang zur Pariser Oper zu bekommen. Doch Rubini schien an der Rolle nicht interessiert, sei es, weil er sich mehr auf tragische Rollen konzentrieren wollte oder nicht über das für die komische Oper erforderliche schauspielerische Talent verfügte. Jedenfalls gab Rubini die Partitur irgendwann ohne Donizettis Wissen an Ricordi weiter. Von dort gelangte sie zur Mailänder Scala, die die Uraufführung in Angriff nahm, ohne Donizetti über diesen Plan zu informieren. Erst wenige Tage vor der Uraufführung erfuhr Donizetti von dem Vorhaben und versuchte, es noch zu stoppen. Wieso Donizetti der Produktion nicht zustimmen wollte, kann mehrere Gründe haben. Zum einen betrachtete er es sicher als Verletzung der bis dahin noch nicht gesetzlich geregelten Urheberrechte. Immerhin glaubte er, beanspruchen zu können, bei einer szenischen Umsetzung ein Wort mitreden zu können. Zum anderen kann es aber auch sein, dass er nicht mehr glaubte, dass dieses Werk seiner Karriere förderlich sein könne, und er fürchtete, von den damaligen Musikkritikern als rückschrittlich getadelt zu werden. Einige musikalische Einlagen wie zum Beispiel die Tarantella im zweiten Akt wiesen nämlich auf seine neapolitanische Phase in den 20er Jahren zurück und waren mittlerweile im Publikumsgeschmack aus der Mode gekommen. Jedenfalls konnte Donizetti die Uraufführung nicht mehr verhindern. Ein großer Erfolg war dem Werk nicht beschieden und auch spätere Wiederaufnahmen fanden im 19. Jahrhundert eher selten statt. Die Handlung der Oper geht zurück ins 14. Jahrhundert. Der französische Thronfolger Jean, Sohn des Königs Philippe VI. von Valois, soll mit der Prinzessin von Navarra verheiratet werden, bei der es sich historisch wohl um Blanca di Navarra handeln muss. Da Gianni (Jean) sich aber zunächst ein Bild von seiner zukünftigen Braut machen will, reist er ihr inkognito als Edelmann Gianni di Parigi entgegen. Die Prinzessin hat auf ihrem Weg nach Paris Pedrigos Herberge gemietet, um dort mit ihrem Gefolge die Nacht zu verbringen, bevor die Reise am nächsten Morgen fortgesetzt werden soll. In dieser Herberge mietet sich Gianni ein, indem er dem geldgierigen Pedrigo eine Geldsumme anbietet, die dieser nicht ablehnen kann. Als die Prinzessin dann mit ihrem Seneschall, einem absoluten Wichtigtuer, ankommt und feststellen muss, dass ihre Räume belegt sind, gibt es natürlich zunächst einen riesigen Aufruhr. Doch die Prinzessin kennt Giannis Plan und ist bereit, sein Spiel mitzuspielen. Großzügig nimmt sie sein Angebot an, mit ihm gemeinsam zu dinieren. Dabei kommen sich die beiden näher und erkennen, dass sie gegen die von den Eltern arrangierte Verbindung keine Einwände haben. Giannis Page Oliviero bildet mit Pedrigos Tochter Lorezza das zweite glückliche Paar für ein strahlendes Happy End. Die Prinzessin von Navarra (Zuzana Markova, Mitte) nimmt die Einladung Giannis (Edgardo Rocha, 2. von links) an. Oliviero (Lucia Cirillo, ganz links) und Lorezza (Fiona Murphy, 3. von links) freuen sich mit den Angestellten (Chor). Der Seneschall (Alessandro Luongo, 2. von rechts) und Pedrigo (Alessandro Spina, ganz rechts) bleiben eher skeptisch. Tiziano Santi hat mit hohen Säulen um eine oval angelegte Terrasse und großen Glastüren, die in die dahinter liegende Herberge führen ein recht aufwendiges Bühnenbild konzipiert, das die Handlung zwar nicht im 14. Jahrhundert ansiedelt, aber auch keineswegs entfremdend wirkt. Die Kostüme von Valeria Donata Bettella orten das Geschehen eher im frühen 20. Jahrhundert, als die ersten motorisierten Fahrzeuge Kutschen und Pferden den Rang abliefen. Gianni und sein Page treten daher zunächst mit hochgeschobener Motorradbrille auf, was den aufgeregten Pedrigo keineswegs an königliche Herkunft glauben lässt. Während der Seneschall (Il Gran Siniscalco) in seinem grauen Frack an einen Parlamentarier des britischen Oberhauses erinnert und die schwarz-weißen Lackschuhe sehr extravagant wirken, kommt die Prinzessin zunächst in einem recht schlichten Kleid daher, das ihren mädchenhaften Charme unterstreicht. Erst beim Bankett im zweiten Akt lassen ihr feine Abendrobe und der Pelzumhang erahnen, dass sie königlicher Abstammung ist. Doch auch Gianni hat sein Motorrad-Outfit nun gegen einen feinen schwarzen Frack eingetauscht. Im Gegensatz zur recht einfachen Handlung bietet das Werk große Herausforderungen an die Sänger. Neben dem Liebespaar sind da zunächst die beiden komischen Bass-Partien, der Seneschall und Pedrigo, zu nennen, die permanent in Konflikt miteinander geraten. Im ersten Akt ist der Seneschall außer sich, dass Pedrigo es gewagt hat, die von ihm reservierte Herberge an irgendeinen Pariser Edelmann zu vermieten. Es kommt zu einem herrlichen Terzett, in dem der Seneschall den Gastwirt permanent beschimpft, Pedrigo sich vergeblich zu verteidigen sucht und Gianni amüsiert die ganze Szenerie betrachtet. Ein weiterer Höhepunkt für diese beiden Partien wird im zweiten Akt erreicht, wenn der Seneschall sich aus Standesdünkel weigern will, mit Gianni am Tisch Platz zu nehmen, und Pedrigo ihm genüsslich unterbreitet, dass es in diesem Fall für den Seneschall nur trockenes Brot und Käse geben wird, was den gefräßigen Seneschall dann schweren Herzens dazu bewegt, doch an Giannis Bankett teilzunehmen. Mit Alessandro Luongo als Il Gran Siniscalco und Alessandro Spina als Pedrigo verfügt die Produktion nicht nur über zwei hervorragende Sänger, die mit kräftigem Bass die Partien erstklassig ausfüllen, sondern auch noch über begnadete Darsteller, die die Komik dieser beiden Figuren auf den Punkt bringen. Während Spina den geldgierigen Pedrigo völlig überfordert zeichnet, präsentiert Luongo die Überheblichkeit des Seneschalls absolut glaubhaft. Besonders witzig inszeniert Federico Grazzini das von einigen Tänzern servierte Essen, bei dem das Essen für den Seneschall entweder auf dem Fußboden landet, da sein Kellner ausrutscht oder der präsentierte Teller leer ist. Die Prinzessin (Zuzana Markova) beruhigt den aufgebrachten Seneschall (Alessandro Luongo) vor dem gemeinsamen Bankett. Auch Giannis Page Oliviero erhält im zweiten Akt eine anspruchsvolle Arie, in der er als Troubadour eigentlich die Schönheit der Prinzessin preisen soll, sich aber lieber den Reizen der Wirtstochter Lorezza widmet. Lucia Cirillo gibt den Pagen mit sehr warmem Mezzo und begeistert durch ihr freches, knabenhaftes Spiel. Gemeinsam mit Fiona Murphy als Lorezza, die ebenfalls mit strahlendem Sopran überzeugt, gibt sie ein sehr niedliches Paar ab. Die größten stimmlichen Herausforderungen haben die Titelfigur und die Prinzessin zu bewältigen. Edgardo Rocha verfügt als Gianni über einen sehr hellen Tenor, der die Partie gut bewältigt, in den extremen Höhen aber bisweilen an seine Grenzen stößt. Darstellerisch gibt er einen selbstsicheren Thronfolger, der jedoch der Prinzessin an Cleverness unterlegen ist. Zuzana Markova glänzt als Prinzessin von Navarra in jeder Hinsicht. Zum einen meistert sie die zahlreichen Koloraturen nahezu spielerisch und singt auch die höchsten Töne sehr sauber aus. Zum anderen ist sie auch optisch eine Augenweide, um die man den Prinzen beneiden kann. In ihrer Darstellung präsentiert sie sich jugendlich frisch und wird dem Charakter dieser cleveren jungen Frau in vollem Maße gerecht. Großes Lob gebührt auch dem von Gavin Carr einstudierten Chor, in dessen Reihen man zahlreiche Interpreten aus den nachmittäglichen Short Works wiederfinden kann. Mit großer Spielfreude präsentieren die Sängerinnen und Sänger die Dienstboten der Herberge. Giacomo Sagripanti zaubert mit dem Wexford Festival Opera einen sehr spritzigen Donizetti-Klang aus dem Orchestergraben, der nachvollziehbar macht, warum dieser Komponist sich hier in Wexford so großer Beliebtheit erfreut. So gibt es am Ende einhelligen und großen Applaus für alle Beteiligten.
FAZIT Es bleibt zu hoffen, dass Donizetti auch in den folgenden Jahren eine zentrale Rolle beim Wexford Festival Opera einnehmen wird. Schließlich gibt es bei diesem Komponisten noch vieles zu entdecken.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2011 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungGiacomo Sagripanti Regie Bühne
Kostüme Licht Chorleitung Dramaturgie
Solisten
La Principessa di Navarra
Il Gran Siniscalco
Gianni di Parigi
Pedrigo
Lorezza
Oliviero
Dancers Supernumeraries
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