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Polnischer LiebestodVon Thomas Molke / Fotos vom Paula Malone Carty
Ausgelassene Feier beim Woiwoden (Krzysztof Szumanski, Mitte) und Eisbär als Bacchus (ringsherum: der Chor). Die Handlung folgt Antoni Malczewskis polnischem Nationalgedicht Maria aus dem Jahr 1825 und handelt von der nicht standesgemäßen Liebe Wac ławs, des Sohns eines einflussreichen Woiwoden, dem obersten Chef eines Verwaltungsbezirkes nahe der heutigen Ukraine, zu Maria, der Tochter eines einfachen Landpflegers. Da Wacławs Vater diese Beziehung nicht billigt und sich für seinen Sohn zur Sicherung seiner Herrschaft eine einflussreichere Partie wünscht, beschließt er, Maria aus dem Weg zu schaffen. Dazu beauftragt er seinen Leibwächter Zmora, Maria in ein Kloster abzuschieben und bei eventueller Gegenwehr durch einen "Unfall" zu entsorgen. Seinem Sohn gaukelt er vor, Maria als zukünftige Schwiegertochter zu akzeptieren, wenn Wacław sich auf dem Schlachtfeld verdient gemacht und gemeinsam mit Marias Vater die eindringenden Tartaren siegreich zurückgeschlagen hat. Voller Enthusiasmus begibt sich Wacław in den Kampf und lässt Maria allein zurück. Diese wird von Zmora und seinen Helfern getötet und in den Fluss geworfen. Als Wacław von dem Komplott seines Vaters erfährt, will er diesen zur Rechenschaft ziehen und töten. Aber in letzter Sekunde erscheint ihm Marias Geist und verhindert den Vatermord. So richtet sich Wacław selbst, um im Tod die Vereinigung zu seiner Geliebten zu finden, die ihm auf Erden verwehrt worden ist.Statkowskis Musik erinnert vor allem in der Gestaltung des Liebesmotivs an Wagners Tristan und Isolde. So lässt sich in dem bereits in der Ouvertüre entwickelten Motiv, das sich orchestral in die Höhe schraubt, eine deutliche Parallele zu Isoldes "Liebestod" erkennen. Die Liebe zwischen Maria und Wacław kann auf Erden genauso wenig bestehen, wie die Liebe zwischen Tristan und Isolde, so dass Wacław nach Marias Tod den Freitod wählt, um in einer anderen Sphäre das Liebesglück zu finden. Dabei gestaltet Statkowski dieses Motiv aber nicht so psychologisch tiefgründig wie Wagner, sondern bewegt sich auf einer etwas oberflächlicheren Basis. In der symphonischen Breite der Partitur erinnert Statkowskis Musik auch stark an Tschaikowski. Weitere Parallelen sind zu Mussorgskys Boris Godunow erkennbar. So erscheint dem Woiwoden, ähnlich wie Boris Godunow, inmitten einer Feier ein Obdachloser, der vom Untergang des Regimes singt. Neben diesen recht dramatischen Momenten enthält die Musik mit verschiedenen Mazurkas und Polkas auch folkloristische Elemente, die aber mehr wie der Tanz auf dem Vulkan für eine dem Untergang geweihte Gesellschaft wirken. Maria (Daria Masiero) und Wacław (Rafał Bartminski) träumen von einer gemeinsamen glücklicheren Zukunft. Das Regieteam um Michael Gieleta hat die Handlung vom 17. Jahrhundert in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts verlegt. Geprägt durch seine Kindheitserfahrungen sieht Gieleta zahlreiche Parallelen zwischen der Auseinandersetzung zwischen Woiwoden und der einfachen Landbevölkerung im 17. Jahrhundert zu dem Kampf zwischen dem sozialistischem Regime in Polen und der Solidarność-Bewegung, der polnischen Gewerkschaft, die sich Anfang der 80er Jahre mit starker Unterstützung der katholischen Kirche formierte und entscheidend zur politischen Wende 1989 beitrug. Folglich stellt er den Woiwoden als General des alten sozialistischen Systems dar, der natürlich nicht möchte, dass sein Sohn Wacław sich mit der polnischen Gewerkschaft solidarisiert und gemeinsam mit dem Landpfleger, der einen Anführer der Gewerkschaft darstellt, Flugblätter verteilt. Bis dahin geht das Konzept der Parallele noch auf. Wer allerdings die eindringenden Tartaren sein sollen, die Polens Grenzen bedrohen und gegen die die beiden Gruppierungen gemeinsam kämpfen wollen, bleibt offen. In den englischen Übertiteln werden sie gemeinhin als "thugs" bezeichnet, was soviel wie Strolche oder Schlägertypen bedeutet. Es scheint Gieleta also mehr um eine Bedrohung von Innen zu gehen, die in Form von Randalierern, wie man sie auch bei anderen Demonstrationen kennt, die eigentlichen Ziele gefährden. Bereits während der recht langen Ouvertüre werden zahlreiche Schwarz-Weiß-Fotos auf den Vorhang projiziert, die Polens Situation zu Beginn der 80er Jahre reflektieren. Um diese Situation noch plastischer zu machen, wird für kurze Momente der Vorhang gehoben und das Bild vom Ensemble nachgestellt. Auch im weiteren Verlauf arbeitet die Inszenierung sehr häufig mit Videoprojektionen (Andrzej Goulding), die die düstere Stimmung des Stückes stark unterstützen. So werden in den Zwischenspielen des zweiten und dritten Aktes immer wieder Milizen gezeigt, die unaufhörlich auf am Boden liegende Menschen einschlagen. Besonders makaber wirken diese Bilder, wenn sie vom relativ weichen Klang einer Harfe untermalt werden. Die Bühne von James Macnamara ist recht dunkel gehalten. So befindet sich zu Beginn Wacławs Vater in einer Generaluniform in einem grauen nach hinten schmaler werdenden Büro. Dass Krzysztof Szumanski als Wacławs Vater in dieser Szene permanent rauchen muss, soll vielleicht seinen Verdruss über das Verhalten seines Sohnes und die Sorge um die schwindende Macht zeigen. Sängerfreundlich ist es jedenfalls nicht. Sein Leibwächter Zmora (Byron Jackson) befindet sich in einem Nebenraum in einer Art Folterkammer, wo Soldaten permanent auf irgendetwas - sind es Menschen, die gefoltert werden? - einschlagen. Die kalte Lichteinstellung (Declan Randall) unterstützt die bedrohliche Atmosphäre. Wacław (Rafał Bartminski, Mitte) ruft das Volk zum Widerstand auf. Auch die große Weihnachtsfeier im zweiten Bild kann trotz der angedeuteten marmornen Rückwand und dem im Überfluss fließenden Alkohol keinen wahren Wohlstand suggerieren. Da hilft es auch nicht, ein Bunny aus einem großen Eisbärkostüm entsteigen zu lassen. Eleanor Jean Greenwood stört diese Feier als mahnender Obdachloser und wirkt mit ihrem kahl rasierten Kopf, als ob sie gerade einer Strafkolonie entkommen sei. Das fade Licht lässt ihren Auftritt hinter der großen Fensterfront nahezu irreal erscheinen. Wacław selbst wirkt wie eine Art Student, der sich der Solidarność-Bewegung angeschlossen hat und damit gegen seinen Vater rebelliert. Marias Heim ist eine kleine Hütte hinter einem abgesperrten Zaun, die von riesigen Plattenbauten eingeschlossen wird. Vorne rechts steht ein kleines in die Jahre gekommenes Spielplatzkarussell. Das Fenster der Hütte wird von einer großen Ikone der Mutter Gottes dominiert. Der Mord an Maria geschieht auf nahezu leerer Bühne. Die Bühnenwände und die Projektion auf der Rückwand machen deutlich, dass es sich um einen Auftragsmord im Namen der Regierung handelt. Das weiße Kostüm des Obdachlosen ist nun von Blut übersät, wenn er dem zurückkehrenden Wacław von Marias Ermordung berichtet. Die letzte Szene spielt wieder im Büro des Woiwoden. Wacław, der bei den Kämpfen selbst verwundet worden ist, will seinen Vater für den Mord an Maria erschießen. Allerdings ist es nicht Marias Geist, der nun erscheint und ihn die Waffe gegen den eigenen Kopf richten lässt, sondern ein weißer Lichtstrahl, der ihn dazu bringt, der Geliebten in eine andere Welt zu folgen. Mit diesem Übergang in eine andere Welt, öffnen sich die Wände und der Chor tritt als das polnische Volk hervor. Das sozialistische Büro verschwindet im Hintergrund und der Chor tritt vor eine riesige vom Schnürboden herarbgelassene polnische Nationalflagge, die vielleicht den Übergang in eine bessere Zukunft andeutet. Gesungen wird auf sehr hohem Niveau. Großes Lob gebührt dem von Gavin Carr einstudierten Chor des Wexford Festival Opera, der sowohl als polnische Oberschicht bei der Weihnachtsfeier im ersten Akt als auch als geknechtetes Volk im zweiten Akt mit schauspielerischem Talent und großer Stimme überzeugt. Besonders eindringlich gelingt die polnische Hymne "Bogurodzica", die die Männer vor dem Kampf gegen die Eindringlinge an die Mutter Gottes richten. Krzysztof Szumanski überzeugt mit schwarzem Bass in der Rolle des bösen Woiwoden, der das Glück seines Sohnes zerstört. Adam Kruszewski stattet seinen Gegenspieler, den Landpfleger, der hier für die polnische Gewerkschaft tätig ist, mit kräftigem Bariton aus. Daria Masiero gefällt mit ihrem dramatischen Sopran stimmlich in der Titelrolle, wobei man ihr spielerisch das einfache Mädchen nicht immer abnimmt. Besonders zu Beginn des zweiten Aktes, wenn sie auf ihren Geliebten wartet, wirkt ihr unruhiges Warten am Zaun ein wenig unmotiviert. Dafür gewinnt sie im Zusammenspiel mit Rafał Bartminski im Liebesduett und in ihrer sehr kurzen Todesszene an Profil. Star des Abends ist der Tenor Rafał Bartminski der die Partie des Wacław mit nicht enden wollenden Kraftreserven ausstattet. Dabei wirkt seine Stimme auch in den Höhen stets leicht. Mit großer Dramatik gestaltet er den jungen Träumer bis zum finalen Selbstmord und erntet den größten Applaus des Abends.
Auch Tomasz Tokarczyk leistet am Dirigentenpult mit dem
Orchester des Wexford Festival Opera Gewaltiges. Mit großer Verve
durchleuchtet er die Vielschichtigkeit der Partitur und bringt die symphonische
Musik zum Blühen. So gibt es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten.
FAZIT
Es wird Zeit, dass dieses Werk auch über die polnischen Grenzen hinaus bekannt
wird. Das Wexford Festival Opera hat dazu einen Anfang gemacht.
Weitere Rezensionen zum
Wexford Festival Opera 2011 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungTomasz Tokarczyk Regie Bühne Kostüme Licht Videoprojektionen Choreographie Chorleitung Dramaturgie
Solisten
Maria
Wac ławRafał Bartminski
District Govenor
Count Palatine
Count Palatine's Envoy
Waif
Zmora Cavalry
Captain Drunken Nobleman Masked Guard Rioters Dancers
|
- Fine -