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Rossini in Wildbad
Belcanto Opera Festival
07.07.2011 - 17.07.2011


Il Turco in Italia

Komische Oper in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von Gioachino Rossini


In italienischer Sprache mit deutschen und italienischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h (eine Pause)

Premiere in der Neuen Trinkhalle in Bad Wildbad am 09. Juli 2011
(rezensierte Aufführung: 15.07.2011)




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Türkischer Maskenball

Von Thomas Molke / Fotos von Patrick Pfeiffer


Obwohl der gerade mal 24-jährige Rossini bei der Uraufführung seines Turco in Italia erst vier Jahre im Operngeschäft erfolgreich tätig war, handelte es sich bei dieser Oper bereits um seine 13. Produktion, was den Pesaresen vielleicht selbstironisch zu der Bemerkung verleitet haben mag, dass, wer eine seiner Buffo-Opern kenne, sie bereits alle kenne. Ob dies auf seinen Turco zutrifft, ist fraglich. Schließlich weist Rossinis zweite sogenannte Türkenoper schon im Vergleich zu der ein Jahr vorher erschienenen L'Italiana in Algeri einige bemerkenswerte Unterschiede sowohl musikalischer als auch inhaltlicher Natur auf. Grund genug also für den Intendanten Jochen Schönleber, dieses Werk einer sorgfältigen Analyse zu unterziehen und es im Rahmen der diesjährigen Festspiele in Bad Wildbad in der akustisch verbesserten Neuen Trinkhalle zu präsentieren.

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Fiorilla (Alina Furman) hat ihren Gatten Don Geronio (Bruno Praticò) voll im Griff.

Im Gegensatz zu den meisten in der damaligen Zeit populären "Türkenopern" verschlägt es im Turco nicht irgendwelche Europäer in den Orient, sondern Selim, einen reichen Türke, nach Italien, um sich nach europäischen Frauen umzusehen. Dabei kommt er der frustrierten Fiorilla, die unglücklich mit dem älteren Don Geronio verheiratet ist und auch bei ihrem Liebhaber Don Narciso keine rechte Befriedigung zu finden scheint, gerade recht. Doch Fiorilla hat die Rechnung ohne Selims ehemalige Geliebte Zaida gemacht, die, obwohl von diesem verstoßen und beinahe umgebracht, den Türken immer noch liebt und zurückerobern möchte. So kommt es unter der Leitung des Theaterdichters Prosdocimo, der ein Sujet für seine Oper sucht, bei einem Maskenball zu einem Verwechslungsspiel, bei dem sich Selim dann doch für Zaida entscheidet. Nachdem Fiorilla ihr ungebührliches Verhalten ihrem Gatten gegenüber bereut, ist auch Don Geronio bereit, sie wieder bei sich aufzunehmen, und so bleibt am Ende alles beim Alten.

Jochen Schönleber verlegt die Ausgangssituation der Oper in die heutige Zeit. Der Zigeunerchor zu Beginn des Stückes entspricht in den Kostümen von Claudia Möbius eher einer gesellschaftlich ausgegrenzten Bevölkerungsschicht, die sich aus abgeworfenen Plastiktüten noch etwas Essbares oder Kleidung heraussucht. Zaida wirkt in ihrem Outfit zunächst wie eine Prostituierte - wie soll sie auch sonst als von Selim vertriebene mittellose junge Frau ihren Lebensunterhalt verdienen -, bevor Prosdocimo mit seiner Idee der Oper folkloristisches Kolorit auch in die Kostüme bringt und den Chor samt Zaida als regelrechte "Operettenzigeuner" einkleidet. Fiorilla wirkt mit den hochgesteckten Haaren aufgrund der blassen Bluse und dem hellen schlichten Rock sehr unprätentiös und keineswegs so auffällig, dass sie sofort die Aufmerksamkeit des Türken auf sich lenken könne. Erst später entwickelt sie sich - auch hier wieder unter dem Einfluss des Dichters - zu einem blonden Vamp mit aufreizendem roten Kleid, bevor sie als graue Maus am Ende der Oper geläutert zu ihrem Gatten zurückkehrt.

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Der Dichter Prosdocimo (Marco Bussi, links) plant, Don Narciso (José Luis Sola, Mitte) und Don Geronio (Bruno Praticò, rechts) in sein Stück einzubauen.

Die Bühne von Anton Lukas wird von einem großen zylinderförmigen drehbaren Gestell dominiert, von dem aus Prosdocimo die meiste Zeit über das Bühnengeschehen lenkt. Während dieses Gestell im ersten Akt etwas sperrig wirkt, da es nahezu die ganze Bühne blockiert und den vorderen Reihen auch etwas die Sicht auf das dahinter stattfindende Geschehen nimmt, kann es im zweiten Akt durch Abnahme des Vorhangs mit bespielt werden und gibt den Figuren etwas mehr Bewegungsfreiheit. Hinter dem Gestell befinden sich auf einer erhöhten Bühnenebene weiße drehbare Bühnenwände, durch die die Figuren auf und abgehen können. Besonders die Verwirrung beim Maskenball, bei dem Fiorilla und Zaida als blonder Vamp und Selim und Narciso im Scheichskostüm den ebenfalls als Scheich verkleideten Don Geronio durcheinander bringen, wird durch das Drehen dieser Wände sehr gut veranschaulicht. An den Wänden kleben beschriebene Zettel, die vielleicht die poetischen Ergüsse des Dichters symbolisieren. Auf der rechten Seite wird, ebenfalls erhöht, die Küche Don Geronios mit einem Tisch, zwei Stühlen und einigen Küchenutensilien angedeutet. Auch vor dieser Bühnenerhöhung sind zahlreiche Zettel und Bilder angebracht, die der Fantasie des Dichters entspringen mögen.

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Wer ist wer beim Maskenball? (von links: Selim (Christian Eberl), Zaida (Elsa Giannoulidou), Fiorilla (Alina Furman) und Don Narciso (José Luis Sola))

Wie in Bad Wildbad üblich hat man einem relativ jungen Sängerensemble den recht erfahrenen und spielfreudigen Buffo Bruno Praticò als Don Geronio zur Seite gestellt. Um seine Bühnenpräsenz noch auszuweiten, entschied man sich, ihn nicht nur die ursprünglich für ihn vorgesehene Kavatine im ersten Akt "Vado in traccia d'una zingara"  singen zu lassen, in der Geronio auf der Suche nach einer Zigeunerin ist, die ihm die Zukunft aus der Hand lesen soll, sondern auch die ein Jahr später für eine Aufführungsreihe in Rom eingefügte Arie "Se ho da dirla" aufzunehmen, in der Geronio die Untreue seiner Gattin beklagt. In dieser Bravourarie konnte Praticò wieder einmal so richtig aufdrehen und sein überbordendes komödiantisches Talent zeigen. Ansonsten wirkte er an diesem Abend darstellerisch eher ein wenig zurückhaltend, so als ob er der Jugend nicht die Schau stehlen wolle. Dabei verstanden es auch die jungen Solisten, sich sehr gut in Szene zu setzen.

Für die Rolle des Geliebten Don Narciso, der am Ende leer ausgeht, konnte der sehr vielversprechende junge Tenor José Luis Sola gewonnen werden. Mit leidenschaftlichem Spiel und strahlenden klaren Höhen, bei denen jeder Ton punktgenau saß, war eigentlich gar nicht nachvollziehbar, wieso Narciso für Fiorilla keine Alternative ist. Auch ihm zu Ehren wurde eine weitere für die Aufführung in Rom komponierte Kavatine im ersten Akt eingefügt, in der er beklagt, dass Fiorilla dem Türken den Vorzug gibt. So konnte Sola in beiden Akten mit je einer Bravourarie glänzen. Doch es hilft alles nichts. Fiorilla geht, nachdem Selim sich für Zaida entschieden hat, lieber reumütig zu ihrem alten Ehemann zurück. Dieser Wandel der Primadonna am Ende der Oper wird mit einer recht dramatischen Arie untermalt, die eher in eine Opera seria passt. Alina Furman gestaltet diese Arie wie auch den Rest ihrer Partie mit großem Sopran und überzeugt auch darstellerisch auf ganzer Linie.

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Happy End für Selim (Christian Eberl) und Zaida (Elsa Giannoulidou).

Eine komödiantische Schlüsselrolle kommt auch Marco Bussi als Dichter Prosdocimo zu. Mit Zwirbelbart und Baskenmütze kommt er wie eine Werbeikone aus einer Pizzareklame daher und spielt sich, auch ohne eigene große Arie, mit Slapstick-Einlagen und sehr expressiver Mimik und Gestik in die Herzen des Publikums. Christian Eberl gibt die Titelfigur sehr stereotyp mit langem schwarzem Haar, Kinnbart, Goldkettchen und Macho-Allüren, wobei sein doch etwas weicher Bass-Bariton stimmlich noch etwas Kontur gewinnen kann. Darstellerisch reiht er sich wunderbar in das Ensemble ein. Von Elsa Giannoulidou als Zaida hätte man gern mehr an diesem Abend gehört. Mit einem Feuer, dass einer Carmen ebenbürtig ist, gestaltet sie mit starkem Mezzo die leider recht kleine Partie der verstoßenen Geliebten. Ein darstellerischer Höhepunkt wird das Finale des ersten Aktes, in dem sie sich mit Fiorilla in einer Art Frauencatchen um Selim streitet. In dieser Szene entwickeln sowohl Giannoulidou als auch Furman so viel Power, dass man als Mann nicht zwischen die Fronten geraten möchte.

Auch Massimiliano Silvestri als Zaidas Begleiter Albazar und der Camerata Bach Chor Posen unter der Leitung von Tomasz Potkowski gefallen durch große Spielfreude. Antonino Fogliani, der ab dem nächsten Jahr als offizieller Musikdirektor von Rossini in Wildbad fungiert, rundet mit der Württembergischen Philharmonie Reutlingen durch ein punktgenaues Dirigat und spritziges Tempo den Abend zu einem in jeder Hinsicht erfolgreichen Belcanto-Erlebnis ab, so dass es am Ende großen und verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt.


FAZIT

Jochen Schönleber hat erneut gezeigt, wie man mit ambitionierten jungen Solisten festspielgerechte Belcanto-Oper produzieren kann.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antonino Fogliani

Regie
Jochen Schönleber

Bühne
Anton Lukas

Kostüme
Claudia Möbius

Licht
Kai Luczak

Choreinstudierung
Tomasz Potkowski



Camerata Bach Chor Posen

Württembergische
Philharmonie Reutlingen

Fortepiano
Achille Lampo


Solisten

Selim, ein reicher Türke
Christian Eberl

Fiorilla, Gemahlin des Don Geronio
Alina Furman

Don Geronio
Bruno Praticò

Don Narciso
José Luis Sola

Prosdocimo, ein Dichter
Marco Bussi

Zaida, eine Zigeunerin
Elsa Giannoulidou

Albazar, ein Zigeuner
Massimiliano Silvestri

 


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