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Denkbar größte KontrasteVon Christoph Wurzel Ein
Programm der denkbar größten Kontraste
bot das Concertgebouworchester Amsterdam beim
Musikfest Berlin 2012. Im Rahmen des
Amerika-Schwerpunktes wurden im ersten Teil
Werke zweier Antipoden der Musik des 20.
Jahrhunderts gegenübergestellt, die beide
aufgrund politischer Verhältnisse in ihren
Heimatländern Exil in den USA gesucht haben und
deren beiden aufgeführten Werken eine
religiöse Motivation zugrunde liegt. Nach der
Pause standen zwei Kompositionen auf dem Programm,
die die enorme Spannbreite zwischen traditioneller
und avantgardistischer Musiksprache
repräsentieren, wie sie (nicht allein) in der
amerikanischen Musik des 20. Jahrhunderts zu
verzeichnen ist. Sowohl
Schönbergs Überlebender aus Warschau
als auch Strawinskys Psalmensinfonie
artikulieren auf expressive Weise die Anrufung
Gottes aus weltlicher Not. Schönbergs 1947
entstandene Erinnerungs- und Gedenkmusik an die
Gräueltaten eines SS-Kommandos im Warschauer Ghetto
beruht auf einer realen Begebenheit, während
Strawinskys Vertonung von Psalmentexten aus der
lateinischen Vulgata einem Kompositionsauftrag von
1930 für ein symphonisches Werk entspringt.
Gotteslob und ein innig empfundenes Halleluja
beschließen Strawinskys nach klassischen
Regeln der Kontrapunktik gebautes
symphonisches Chorwerk. Schönbergs von
expressiven zwölftönigen Invektiven
des Orchesters begleitete Erzählung des
Überlebenden einer Evakuierungsaktion
polnischer Juden endet mit dem Gesang des
hebräischen Schma Isroel, dem
traditionellen jüdischen Glaubensbekenntnis. Sergei
Leiferkus gestaltete die Sprecherpartie in
Schönbergs Werk mit großer
Intensität, jedoch ohne Pathos. Scharf stellte
er die deutschen Wortbrocken des SS-Feldwebels gegen
den englischen Erzählbericht des
überlebenden Zeugen. Die Männer des
Berliner Rundfunkchores gaben dem jüdischen
Gesang machtvollen Ausdruck. Erweitert zum
gemischten Chor war dieses Ensemble auch
eindrucksvoller Gegenpart des Orchesters, wie es
Strawinsky in der Psalmensymphonie
vorgeschwebt hat. Klare Konturen gab Mariss Jansons
beiden Klanggruppen, wobei besonders der
Orchestersatz durch sanfte Intonation und schwebende
Phrasierung in seiner Schwere und Strenge gemildert
erschien. Nach der Pause gab es dann meditative Erholung mit Barbers berühmtem Adagio for Strings, dem für US – Amerikaner „nationalen Trauer- und Gedenkstück“, das man bei Prominenten-Begräbnissen, aber auch zu Ehren der Opfer des 11. September zu spielen pflegt. Dieses modernen Einflüssen gegenüber relativ immune Stück, eine Bearbeitung eines Quartettsatzes für große Streicherbesetzung, könnte sentimental überladen wirken. Es gelang den Concertgebouw-Streichern unter Jansons Leitung aber daraus in höchster Klangkultur einen großen elegischen Melodiebogen zu formen. Sensibel wurde die bittersüße Dissonanz gegen Schluss sanft in den tiefen Streichern aufgelöst. Dagegen stemmte sich vehement als fulminanter Konzertschluss Edgar Varèses Amériques, das historisch älteste Stück dieses Abends, aber das modernste und radikalste. Von Avantgarde und Futurismus angesteckt übersiedelte Varèse als 32-Jähriger in die Vereinigten Staaten, wo dieses Werk als erstes 1918 entstand: ein Klangportrait der Großstadt. So wie der Komponist New York gehört hat, hat er es in Klang umgesetzt, brutal und ungeschönt mit all seinem Lärm, den Tönen und Geräuschen der Straßen, Fabriken und Häfen. Allein eineinhalb Dutzend Percussionisten zählt der ungeheure Orchesterapparat, darunter in der hier gespielten Urfassung verwendete Sturm- und Nebelpfeifen und Holz- und Blechbläser in mehrfacher Verdoppelung. Rund 140 Musiker entfesseln einen Höllenkrach, bei dem Faszination und Entsetzen sich untrennbar mischen. Dass ein Orchester dieses organisierte Chaos so glänzend meistert, wie es an diesem Abend dem Concertgebouworchester gelang, ist schlicht phänomenal und nicht zuletzt solch souveräner Leitung wie der durch Mariss Jansons zu verdanken. Der Jubel des Publikums war dem entsprechend. Weitere
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Das ProgrammArnold SchönbergA Survivor from Warsaw op. 46 für Sprecher, Männerchor und Orchester Igor Strawinsky Symphonie des Psaumes für Chor und Orchester Samuel Barber Adagio für Streichorchester Edgar Varèse Amériques für großes Orchester (Urfassung) Sergei Leiferkus, Sprecher Rundfunkchor Berlin Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam Marisss Jansons, Dirigent Das Konzert wird am 23. September 2012 um 20:04 Uhr im Programm von rbb kulturradio gesendet.
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