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Musikfest Berlin 2012

Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam
Rundfunkchor Berlin
Sergei Leiferkus, Sprecher
Mariss Jansons, Leitung


Werke von Schönberg, Strawinsky, Barber und Varèse


4. September 2012 in der Philharmonie    

Berliner Festspiele
Musikfest Berlin

(Homepage)  

Denkbar größte Kontraste

Von Christoph Wurzel  

Ein Programm der denkbar größten Kontraste bot das Concertgebouworchester Amsterdam beim Musikfest Berlin 2012. Im Rahmen des Amerika-Schwerpunktes wurden im ersten Teil  Werke zweier Antipoden der Musik des 20. Jahrhunderts gegenübergestellt, die beide aufgrund politischer Verhältnisse in ihren Heimatländern Exil in den USA gesucht haben und deren beiden aufgeführten Werken eine religiöse Motivation zugrunde liegt. Nach der Pause standen zwei Kompositionen auf dem Programm, die die enorme Spannbreite zwischen traditioneller und avantgardistischer Musiksprache repräsentieren, wie sie (nicht allein) in der amerikanischen Musik des 20. Jahrhunderts zu verzeichnen ist.

Sowohl Schönbergs Überlebender aus Warschau als auch Strawinskys Psalmensinfonie artikulieren auf expressive Weise die Anrufung Gottes aus weltlicher Not. Schönbergs 1947 entstandene Erinnerungs- und Gedenkmusik an die Gräueltaten eines SS-Kommandos im Warschauer Ghetto beruht auf einer realen Begebenheit, während Strawinskys Vertonung von Psalmentexten aus der lateinischen Vulgata einem Kompositionsauftrag von 1930 für ein symphonisches Werk entspringt. Gotteslob und ein innig empfundenes Halleluja beschließen Strawinskys nach  klassischen Regeln der Kontrapunktik  gebautes symphonisches Chorwerk. Schönbergs von expressiven zwölftönigen  Invektiven des Orchesters begleitete Erzählung des Überlebenden einer Evakuierungsaktion polnischer Juden endet mit dem Gesang des hebräischen Schma Isroel, dem traditionellen jüdischen Glaubensbekenntnis.

Sergei Leiferkus gestaltete die Sprecherpartie in Schönbergs Werk mit großer Intensität, jedoch ohne Pathos. Scharf stellte er die deutschen Wortbrocken des SS-Feldwebels gegen den englischen Erzählbericht des überlebenden Zeugen. Die  Männer des Berliner Rundfunkchores gaben dem jüdischen Gesang machtvollen Ausdruck. Erweitert zum gemischten Chor war dieses Ensemble auch eindrucksvoller Gegenpart des Orchesters, wie es Strawinsky in der Psalmensymphonie vorgeschwebt hat. Klare Konturen gab Mariss Jansons beiden Klanggruppen, wobei besonders der Orchestersatz durch sanfte Intonation und schwebende Phrasierung in seiner Schwere und Strenge gemildert erschien.

Nach der Pause gab es dann meditative Erholung mit Barbers berühmtem Adagio for Strings, dem für US – Amerikaner „nationalen Trauer- und Gedenkstück“, das man bei Prominenten-Begräbnissen, aber auch zu Ehren der Opfer des 11. September zu spielen pflegt. Dieses modernen Einflüssen gegenüber relativ immune Stück, eine Bearbeitung eines Quartettsatzes für große Streicherbesetzung, könnte sentimental überladen wirken. Es gelang den Concertgebouw-Streichern unter Jansons Leitung aber daraus in höchster Klangkultur einen großen elegischen Melodiebogen zu formen. Sensibel wurde die bittersüße Dissonanz gegen Schluss sanft in den tiefen Streichern aufgelöst. Dagegen stemmte sich vehement als fulminanter Konzertschluss Edgar Varèses Amériques, das historisch älteste Stück dieses Abends, aber das modernste und radikalste. Von Avantgarde und Futurismus angesteckt übersiedelte Varèse als 32-Jähriger in die Vereinigten Staaten, wo dieses Werk als erstes 1918 entstand: ein Klangportrait der Großstadt. So wie der Komponist New York gehört hat, hat er es in Klang umgesetzt, brutal und ungeschönt mit all seinem Lärm, den Tönen und Geräuschen der Straßen, Fabriken und Häfen. Allein eineinhalb Dutzend Percussionisten zählt der ungeheure Orchesterapparat,  darunter in der hier gespielten Urfassung verwendete Sturm- und Nebelpfeifen und Holz- und Blechbläser in mehrfacher Verdoppelung. Rund 140 Musiker entfesseln einen Höllenkrach, bei dem Faszination und Entsetzen sich untrennbar mischen. Dass ein Orchester dieses organisierte Chaos so glänzend meistert, wie es an diesem Abend dem Concertgebouworchester gelang, ist schlicht phänomenal und nicht zuletzt solch souveräner Leitung wie der durch Mariss Jansons zu verdanken. Der Jubel des Publikums war dem entsprechend.

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Das Programm

Arnold Schönberg
A Survivor from Warsaw op. 46
für Sprecher, Männerchor und Orchester

Igor Strawinsky
Symphonie des Psaumes
für Chor und Orchester

Samuel Barber
Adagio für Streichorchester

Edgar Varèse
Amériques
für großes Orchester (Urfassung)

Sergei Leiferkus, Sprecher
Rundfunkchor Berlin
Koninklijk Concertgebouworkest Amsterdam
Marisss Jansons, Dirigent


Das Konzert wird am 23. September 2012
um 20:04 Uhr  im Programm von rbb kulturradio
gesendet.



 


 





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