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Saisonstart mit großen Versprechungen Von Christoph Wurzel Mit den Herbstfestspielen startete das Festspielhaus Baden – Baden in eine neue Saison - eine Saison, die mit einen Paukenschlag im Frühjahr unüberhörbar auf sich aufmerksam machen wird, nämlich den neuen Osterfestspielen Baden–Baden, deren Programm nahezu ausschließlich von den Berliner Philharmonikern bestritten werden wird. Der Leitung des Festspielhauses war es nämlich im letzten Jahr gelungen, das deutsche Spitzenorchester zu Ostern aus Salzburg abzuwerben und nach Baden – Baden zu verpflichten. Über das zu erwartende Programm berichtete das OMM bereits (siehe auch unsere Vorankündigung). Alles spricht dafür, dass diese Osterfestspiele die Erwartungen nicht enttäuschen werden. An sich ist der Festspielgedanke in Baden–Baden ansonsten ein wenig inflationär geworden. Bisher gab es „Festspiele“ zu jeder Jahreszeit sowie auch zu Pfingsten, ab 2013 nun also auch zu Ostern, dafür aber nicht mehr wie bisher im Winter. Ist es bisher wenigstens ein fester Programmpunkt bei Festspielen gewesen, dass mindestens eine Oper geboten wird (immerhin nennt sich das Festspielhaus „Europas zweitgrößte Opernbühne“), so boten die Herbstfestspiele in diesem Jahr ein reines Konzertprogramm. Außerdem verzichtet man in Baden–Baden nach wie vor auf einen verbindenden Festival - Leitgedanken, der zwischen dem Musikangebot einen roten Faden der Verknüpfung herstellen würde. An der Dramaturgie des Musikfestes Berlin konnte man im September erleben, wie anregend dies sein kann. Aber in Baden–Baden reihen sich ohnehin hochkarätige Veranstaltungen in einer musikalischen Perlenschnur aneinander, man ist ja mittlerweile längst in der ersten Liga der Konzerthäuser angekommen. So bieten „Festspiele“ hier meist lediglich in konzentrierter Form ebenso hochkarätige Aufführungen wie der „normale“ Betrieb über das ganze Jahr. Allerdings schnurren die aus den Katalogen der Agenturen eingekauften Programme zum großen Ergötzen des Publikums ab. Das Festspielhaus kann sich bei einer Platzausnutzung von knapp 85 % wirklich die Besten der Besten leisten. Hier gibt es wirklich kein Mittelmaß. Betrachtet man das Programmangebot für den diesjährigen Herbst, findet man sich auch bestätigt. Ausgewählt aus dem Angebot besuchte das OMM zwei Orchesterkonzerte, deren Niveau ebenfalls sehr hoch war, wenn auch mit Unterschieden. Die Bamberger Symphoniker setzen in diesem Herbst auch in Baden – Baden ihre Mahler – Reihe fort, aus der sie bereits in den vergangenen Jahren Kostproben geboten hatten. Neben dem Lied von der Erde stand an einem zweiten Abend die cis-Moll – Sinfonie auf dem Programm, wobei sich das Orchester allerdings leider nicht von seiner allerbesten Seite zeigte. Hatten nicht nur die Trompeten wohl einen nicht so guten Tag (anders als der exzellente Solohornist), so erwiesen sich auch die Streicher in den ersten Sätzen nicht so homogen, wie es zu wünschen war. Am Dirigenten jedenfalls lag es nicht, dass der Funke erst im Scherzo überzuspringen begann, dann im Adagietto wirklich erglühte und im Rondo-Finale endgültig zu zünden vermochte. Jonathan Nott dirigierte mit Verve, gestaltete das Werk in überzeugendem Duktus, auf exzellente Durchhörbarkeit der polyphonen Struktur bedacht und mit maßvoll gehaltenen Aus- und Durchbrüchen. Der Mahler-Sinfonie voraus gingen die Vier ernsten Gesänge, die Johannes Brahms 1896 nach Bibeltexten vertont hatte. Sein Alterswerk Opus 121 schlägt einen Bogen über 30 Jahre zurück zum Deutschen Requiem, indem es das Motiv des Todes in den Mittelpunkt stellt. Im Ausdruck noch intensiver und drängender als das Chorwerk sind diese 4 Gesänge ursprünglich nur für die Begleitung mit dem Klavier geschrieben. In unterschiedlichen Instrumentationen werden sie allerdings auch für den sinfonischen Konzertsaal zugänglich. In diesem Konzert erklang die Fassung von Günter Raphael von 1933, die in ihrer konzentrierten Klarheit und dem schlanken Orchestersatz der Singstimme breite Entfaltungsmöglichkeiten einräumt. Von dem für den erkrankten Michael Volle eingesprungenen Michael Nagy hätte man sich allerdings etwas mehr Mut zur gestalterischen Expression gewünscht. Das homogene Solistenensemble, das Sir Eliot Gardiner für die Aufführung von Beethovens Missa Solemnis zusammen mit dem Monteverdi Choir und dem Orchestre Révolutionnaire et Romantique mitgebracht hatte, ließ dagegen keinerlei Wünsche offen. Bereits mit dem ersten Ausruf des "Kyrie" wies der Tenor James Gilchrist einen eindeutigen Weg in Richtung einer hoch expressiven Interpretation dieses Ausnahmewerks. An stimmlicher Präsenz und intensiver Ausdrucksstärke standen ihm Lucy Crowe, Daniela Lehner und Matthew Rose in Nichts nach. Im "Gloria" forcierte Gardiner das Tempo zu exaltiertem Jubel. Dass die Messe in unmittelbarer Nähe zur 9. Sinfonie steht, wurde hier eindeutig klar. Auch das Credo war erfüllt von starkem Bekenntnischarakter. Höchst flexibel konnten Chor und Orchester beim "et incarnatus est" in geheimnisvolles Piano wechseln und bei "et sepultus est" kam der musikalische Fluss zum ergriffenen Innehalten. Beim "et resurrexit tertia" die hob die ungeheure Dynamik wieder atemberaubend an. In virtuoser Perfektion war eine hochdramatische Interpretation zu erleben. Kontemplative Innigkeit stellte das meisterliche Violinsolo vor dem "Benedictus" her, bevor die Messe mit dem Friedensgebet "dona pacem" ergreifend endete. Gerade der weit gespannte Spannungsbogen vom furiosen Anfang bis zum intensiv verinnerlichten Schluss gab diesem Werk eine ganz besonders spirituelle Aura.
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Die
Programme 5. Oktober 2012 Orchestre Révolutionnaire et Romantique Monteverdi Choir Leitung: Sir John Eliot Gardiner Lucy Crowe, Sopran Daniela Lehner, Mezzosopran James Gilchrist, Tenor Matthew Rose, Bass Ludwig van Beethoven Missa Solemnis Opus 123 6. Oktober 2012 Michael Nagy, Bariton Bamberger Symphoniker Leitung: Jonathan Nott Johannes Brahms Vier ernste Gesänge Op. 121, in der Instrumentation von Günter Raphael Gustav Mahler Sinfonie Nr. 5 cis-Moll Nicht rezensiert: 3. Oktober 2012 Bamberger Symphoniker Leitung: Jonathan Nott Doris Soffel, Mezzosopran Klaus-Florian Vogt, Tenor Gustav Mahler Das Lied von der Erde 4. Oktober 2012 Jessye Norman Ein amerikanischer Jazzabend 7. Oktober Ingolf Wunder, Klavier Sonntagsmatinee mit Werken von Mozart, Chopin, Liszt, Horowitz u. a.
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