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Bayreuther Festspiele 2012



Der fliegende Holländer

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache

Premiere im Festspielhaus Bayreuth am 25.7.2012
(Rezensierte Aufführung: 6. August 2012 - 3. Aufführung)

Aufführungsdauer: ca. 2 h Stunden 15' (keine Pause)


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Bayreuther Festspiele
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Der singende Hausmeister oder Wie der erschöpfte Manager zu einer Frau kam

Von Stefan Schmöe, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath


Es geht ja ganz beeindruckend los: Zwei Herren im Anzug – der mittelständische Unternehmer Daland und sein Assistent, nur „Steuermann“ genannt – stranden mit ihrem Ruderboot inmitten einer riesigen Installation aus rechtwinklig verlaufenden und immer wieder aufleuchtenden Kabeln, wie im Inneren eines Computers (Bühne: Christof Hetzer). Das sieht schon nicht schlecht aus, hindert die beiden aber nicht am Einschlafen. Derweil betritt ein Top-Manager mit Trolley und Kaffee im Pappbecher, vor allem aber mit offensichtlichen Burn-Out-Syndromen die Bühne – angeödet von den dienstbeflissenen Angestellten wie vom Edelcallgirl, das erfolglos an seinem Gürtel zupft, ritzt er sich am Arm. Auf den erwachenden Mittelständler übt das trotzdem eine gewisse Faszination aus, insbesondere das viele Geld im Trolley. Da könnte man ja glatt versuchen, das eigene Töchterchen mit diesem global player zu verbandeln, denkt er, und lädt den Herrn zum Essen ein.

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Ei, wie das viele Geld so schön leuchtet: Steuermann (Benjamin Bruns, links), Daland (Franz-Josef Selig) und Holländer (Samuel Youn)

Schwenk auf die Produktionsstätten des Mittelständlers: Der handelt mit Tischventilatoren (es wird zwischendurch auch irgendwas von „drehenden Rädchen“ gesungen), und wir sehen die Abteilung „Endkontrolle und Versand“ (wie überhaupt alle Chorszenen ist das revuehaft und ein bisschen albern choreographiert). Die Tochter des Chefs ist offenbar eine Künstlerin, die aus Pappkartons und roter Farbe Skulpturen gestaltet: Ein Schiff, eine Halbfigur, Engelsflügel – das sieht zunächst wieder durchaus eindrucksvoll aus. Dann allerdings wird es hochnotpeinlich, denn es wird offenkundig, dass diese Senta ein Verhältnis mit dem alles andere als attraktiven Hausmeister Erik hat – oder hatte, wobei letzterer das Ende der Beziehung nicht wahrhaben will. Dass der inzwischen eingetroffene Top-Manager das Mädel sofort für sich einnimmt, macht die Sache nicht besser. Es gibt spontane Treueschwüre inmitten von Sentas (in der Masse doch ziemlich kitschigen) Skulpturen.


Vergrößerung in neuem Fenster In Dalands Produktionsstätten: Hier singt das Personal fröhliche Lieder, während es Tischventilatoren versandfertig verpackt.

Schwenk zum Betriebsfest: Man feiert das neueste Ventilatormodell, was dem holländischen Top-Manager nun wirklich zu blöd ist (das macht ihn sympathisch). Deshalb müssten seine Angestellten aber nicht gleich das schöne Plakat in Brand stecken! Dummerweise kommt der Hausmeister im falschen Moment, der Top-Manager ist eifersüchtig und zieht beleidigt ab. Dramatischer Showdown: Senta findet Unternehmer, die sich ritzen, besser als ungepflegte Hausmeister, und ritzt sich auch. Das Paar fällt sich in die Arme. Vorhang, obwohl die Musik noch gar nicht aus ist? Falsch gedacht: Vorhang wieder auf, und der Mittelständer hat seine Produktpalette erweitert - er produziert jetzt kleine Statuen von seiner Tochter nebst Gatten. Der Mensch wird zum Produkt! (Ein Regieeinfall, der vor ca. 30 Jahren 'mal sehr beliebt war.)

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"Traft ihr das Schiff im Meere an": Senta (Adrienne Pieczonka) zeigt, was sie gerade gebastelt hat

Zu diesem belanglosen Schwank aus der modernen Arbeitswelt (Regie: Jan Philipp Gloger) wird eine ziemlich unpassende Musik gespielt, in der von Beginn an die von der Bühne verbannten entfesselten Naturgewalten hochdramatisch donnern und blitzen. Stilistisch steht der fliegende Holländer ja zwischen der deutschen Spieloper und dem aufkeimenden Musikdrama – im Dirigat Christian Thielemanns dominiert eindeutig das Letztere. Selbst die konventionellen, der Tradition verhafteten Nummern haben eine pulsierende Nervosität. Das ist hochdramatisches und sehr spannendes Musiktheater. Das Festspielorchester, nicht ganz frei von kleinen Patzern, spielt das mit nicht unbedingt transparenter, aber überwältigend üppiger Klangfülle. Und der zahlenmäßig wie klanglich imponierende Festspielchor steuert steuert entsprechende Klangmassen bei (die im Fortissimo nicht mehr viel Differenzierung zulassen). Ein wenig hapert's mit der rhythmischen Genauigkeit; zwar bleib ein Desaster wie bei der per Radio in alle Welt übertragenen Premiere in dieser (dritten) Aufführung aus, aber es wackelte doch.


Vergrößerung in neuem Fenster Senta (Adrienne Pieczonka) und Holländer (Samuel Youn)

Samuel Youn, als Einspringer für den wegen seiner Tätowierungen gechassten Evgeny Nikitin kurzfristig mit der Titelpartie betraut, ist kein „schwarzer“ Holländer, aber einer mit klar fokussierter Stimme, der sich im Festspielhaus offenbar sehr wohl fühlt und zu großer Form aufläuft – nach Ersatz oder nur zweitbester Besetzung hört sich das nicht an (obwohl man Nikitin schon gerne gehört hätte). Adrienne Pieczonka ist eine recht dramatische Senta mit zupackender Mittellage; in der Höhe dünnt die Stimme aus und wird eindimensional. Der eine oder andere Spitzenton gerät auch von der Intonation unsauber. Ihr gelingen aber durchaus packende Szenen. Ansonsten herrscht eher vokales Mittelmaß. Franz-Josef Selig ist ein konventioneller Daland mit etwas mulmiger Höhe, ganz solide, aber auch nicht mehr. Ähnliches gilt für den Steuermann von Benjamin Bruns: Ein leichter und heller Tenor mit nicht allzu viel Substanz, aber leicht greller Klangfarbe. Michael König bewältigt den singenden Hausmeister Erik mit höhensicherem, aber für die Partie doch zu leichtem und mattem Tenor, was die Figur (wie so oft) noch schwächer erscheinen lässt, als sie von Wagner ohnehin angelegt ist (die Regie erledigt sie dann vollends). Die undeutlich wabernde Mary (Christa Mayer) muss man wohl als Charakterrolle hinnehmen.


FAZIT

Regisseur Jan Philipp Gloger liegt ja nicht ganz falsch mit seiner Übertragung des Fliegenden Holländers in die Gegenwart, und zeitgemäße Bilder sind ja an sich ganz schön – aber so plump und geheimnislos mit derart uninteressanten Figuren müsste es dann doch nicht sein. So sieht die Inszenierung unfreiwillig aus wie eine Parodie auf das Regietheater. Eine packende musikalische Interpretation mit einem allerdings durchwachsenen Ensemble kann das teilweise ausgleichen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christian Thielemann

Inszenierung
Jan Philipp Gloger

Bühnenbild
Christof Hetzer

Kostüme
Karin Jud

Licht
Urs Schönebaum

Video
Martin Eidenberger

Choreinstudierung
Eberhard Friedrich

Dramaturgie
Sophie Becker

Statisterie, Chor und Orchester
der Bayreuther Festspiele


Solisten

Holländer
Samuel Youn

Daland
Franz-Josef Selig

Senta
Adrianne Pieczonka

Erik
Michael König

Mary
Christa Mayer

Steuermann
Benjamin Bruns


Weitere
Informationen

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