Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Das Rheingold

Vorabend des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Musik und Dichtung von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (keine Pause)

Premiere im Nationaltheater der Bayerischen Staatsoper am 4. Februar 2012

(rezensierte Aufführung im Rahmen der Münchner Opernfestspiele: 10.07.2012) 

 

 



Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Menschen erzählen den Ring

Von Thomas Molke / Fotos von Wilfried Hösl

Ein Jahr vor dem großen Wagner-Jubiläumsjahr hat man sich in München entschieden, einen neuen Ring innerhalb von nur sechs Monaten zu stemmen, der mit zahlreichen weiteren Projekten und Veranstaltungen das zentrale Thema der diesjährigen Festspiele darstellt. Damit verhindert man zum einen eine Konkurrenz zu den Bayreuther Festspielen, die einen neuen Zyklus natürlich im Jubiläumsjahr im Spielplan haben und dieses Jahr noch einmal "Ring-frei" sind, zum anderen ist man Bayreuth aber auch wie schon bei der Uraufführung eine Nasenlänge voraus, da bekanntlich die ersten beiden Teile der Tetralogie gegen Wagners Willen in München vor der ersten zyklischen Aufführung im neu errichteten Festspielhaus in Bayreuth ihre Premiere feierten. Nachdem die Neuinszenierung des Rheingolds also im Februar im Nationaltheater seine Premiere feierte (siehe auch unsere Rezension), ist es nun im Rahmen der diesjährigen Festspiele zweimal im kompletten Zyklus zu erleben.

Andreas Kriegenburgs Inszenierung geht von einer Regieanweisung Wagners am Ende der Götterdämmerung aus, in der Männer und Frauen den Weltenbrand und den Untergang der Götter beobachten. Wenn die Menschen also das Ende beobachten und die Geschichte weitererzählen, den Mythos sozusagen kreieren, müssen sie auch schon zu Beginn der Erzählung vorhanden sein. Daher fügt Kriegenburg zusätzliche Akteure - die Dramaturgie spricht von 100 Protagonisten - ein, die schon vor dem berühmten Es-Dur des Rheins die leere Bühne, die in ihrem Hellbraun an eine Turnhalle erinnert, wie bei einem Picknick bevölkern. Auch die Rheintöchter und Alberich bewegen sich vor dem Vorspiel in dieser Menschenmenge, unterhalten sich und deuten an, dass hier ganz normale Menschen auf der Bühne sind, die eine mythische Geschichte erzählen wollen. Wenn die Türen zum Zuschauerraum geschlossen werden, hört man ein leises Rauschen von Wasser, bis ein Akteur aufsteht und sich auf einen Karton an der Bühnenrampe setzt. Die anderen ziehen ihre weißen Kleider aus und malen sich mit hellblauer Farbe an. Die Akteure werden also im Folgenden den Rhein darstellen.

Bild zum Vergröß;;;;;;;;;;;;;;;;;;;ern

Der Rhein aus Menschenkörpern (Statisterie)

Erst dann beginnt die Musik. Nach und nach legen sich die Akteure in einer langen breiten Linie auf den Bühnenboden und ahmen mit wellenartigen Bewegungen einen Fluss nach. Auf die Rückwand wird ebenfalls ein Bild von ineinander verschlungenen Menschenkörpern projiziert, so dass man das Gefühl hat, sich wirklich in den Tiefen eines Flusses zu befinden. Hierin bewegen sich nun die drei Rheintöchter in ausgelassenem Spiel, bis Alberich erscheint. In dieser wogenden Menschenmenge versucht der Nibelung, sich den begehrten Mädchen zu nähern. Zenta Haerter gelingen in dieser Szene mit den Akteuren choreographisch ästhetische Bilder, da die Statisten Alberich regelrecht von den Rheintöchtern wegspülen. An anderen Stellen wirkt das Spiel der drei Wassernixen mit dem Nibelungen allerdings ein wenig statisch, vielleicht, weil die Sängerdarstellerinnen aufpassen müssen, dass sie nicht auf die Statisten treten. Auch das Rheingold wird von einem Statisten dargestellt. An dieser Stelle ist vor allem die Lichtregie von Stefan Bolliger zu erwähnen, dem es gelingt, den ansonsten recht trüben Fluss in gleißendem Licht erstrahlen zu lassen. Alberich raubt das Gold, indem er den Statisten von der Bühne trägt, und die Tragödie nimmt ihren Lauf.

Bild zum Vergröß;;;;;;;;;;;;;;;;;;;ern

Die Lichtalben: von links: Froh (Thomas Blondelle), Fricka (Sophie Koch), Wotan (Johan Reuter), Freia (Aga Mikolaj) und Donner (Levente Molnár)

Für das zweite Bild wird die bewegliche Rückwand nach hinten gefahren, und die Statisten formen sich an der Rückwand zu einer Art Burg (Walhall?), deren Zinnen auf der Rückwand in einer Projektion angedeutet werden. Die Götter haben alle weißblonde Haare, was sie wohl als Lichtalben kennzeichnen soll. Freias Äpfel der Jugend sind weiße Blüten an hohen Ästen, mit denen ein Schwarm weiß gekleideter Mädchen sie begleitet. Die beiden Riesen erscheinen in dunkelblauen Kostümen auf riesengroßen blauen Würfeln, die aus Menschenkörpern zusammengesetzt scheinen. Eindrucksvoll gelingt das Bild, wenn Fasolt und Fafner auf den Würfeln stehen und mit einem weiten Mantel, weiteren Anzugsteilen und riesigen Schuhen zu zwei Riesen geformt werden, die auf den Würfeln sitzen. Loge erscheint in feuerrotem Anzug. Warum man ihm eine feminisierende schulterlange Weißhaarperücke verpasst hat, bleibt fraglich. Soll das ein Zeichen seiner Verschlagenheit sein?

Bild zum Vergröß;;;;;;;;;;;;;;;;;;;ern

Alberich (Wolfgang Koch) muss den Göttern den Nibelungenschatz ausliefern (im Hintergrund: Statisterie als Nibelungen).

Für das dritte Bild wird der Bühnenboden nach hinten hin angeschrägt und verengt sich mit der herabgelassenen Decke zu einem kleinen Schlitz, in dem man die schuftenden Nibelungen sieht. Ab und an wird ein erschöpfter Nibelung auf die Bühne gerollt und in einem Loch versenkt, aus dem dann anschließend eine hohe Stichflamme aufsteigt, was als Regieeinfall zum einen unnötig ist, da Alberichs Gewaltherrschaft auch ohne diese Aktionen verständlich wird, zum anderen auch störend wirkt, weil das Geräusch der Stichflamme den musikalischen Fluss ständig unterbricht. Gelungen, wenn auch für die Augen nicht ganz angenehm, ist Alberichs Verschwinden unter dem Tarnhelm, da vier Statisten mit so grellem Licht in den Zuschauerraum blenden, dass man im Anschluss wirklich nicht sehen kann, wohin Alberich entschwunden ist. Die Verwandlung selbst ist wiederum diskutabel. So singt er als Unsichtbarer einfach von der Rampe, während sich Mime unter seinen Schlägen krümmt. Als Riesenwurm tragen die Statisten einen an Stöcken brennenden Wurm über die Bühne, was beim Publikum für Heiterkeit sorgt. Als Kröte sitzt ein Statist in grünem Kostüm auf der Bühne, der dann von Wotan und Loge überwältigt wird.

Bild zum Vergröß;;;;;;;;;;;;;;;;;;;ern

Erda (Catherine Wyn-Rogers mit Statisten) warnt Wotan (Johan Reuter) vor dem Ring.

Wenn der gefangene Alberich im vierten Bild das Rheingold den Göttern ausliefern muss, wird in der Mitte der Bühne ein großer Quader empor gefahren, in den die Nibelungen zunächst die Goldbarren hineinwerfen. Wenn der Hort später an die Riesen ausgezahlt werden soll, sind diese Goldbahren in strahlendem Glanz in diesem Quader am Rand geordnet, so dass auch der Quader bespielt werden kann. Ein Nachteil ist nur, dass sich die Solisten so weit in die Tiefen des Quaders bewegen, dass die am Rand sitzenden Zuschauer kaum Einblick haben, was in dem Quader eigentlich passiert. Diskutabel ist die Idee, dass Fafner seinen Bruder mit einem Messer erdolcht, das ihm Loge reicht. Wieso sollte Loge Interesse an der Einhaltung des vom Nibelungen ausgesprochenen Fluchs haben? Bewegend hingegen gelingt der Auftritt Erdas, die von einem Heer von Statisten in Lehmgrau umgeben auftritt. Die Statisten bewegen sich wie Erdwürmer um sie herum, so dass Wotan es kaum schafft, sich der Urwala zu nähern, somit seine Absicht nachvollziehbar wird, dass er hinabsteigen will, um mehr zu erfahren. Relativ unspektakulär gelingt dann der Einzug der Götter in Walhall, wobei die Statisten mit silberner und goldener Pappe, den Wetterzauber erzeugen.

Musikalisch lässt Kent Nagano mit dem Bayerischen Staatsorchester keine Wünsche offen, sondern führt die Musiker punktgenau durch die vielschichtige Partitur, ohne die Tempi zu dramatisch auszudehnen. In aller Ruhe lässt er den Rhein aus den ersten Takten langsam anschwellen und verzichtet in den folgenden Bildern auf plakative Betonung der Leitmotive. Nachdem bei der Premiere Johannes Martin Kränzle kurzfristig eingesprungen war, ist nun Wolfgang Koch als Alberich zu erleben. Mit markantem Bass interpretiert er den Nachtalben, der sich vom gedemütigten hässlichen Zwerg zum grausamen Tyrannen wandelt, um dann Opfer seines eigenen Größenwahns zu werden. Johan Reuter liefert als Wotan stimmlich und darstellerisch einen angemessenen Gegenspieler. Sophie Koch als Fricka, Levente Molnár als Donner und Thomas Blondelle als Froh überzeugen als einheitliche Göttersippe. Nur Aga Mikolaj klingt als Freia bisweilen ein bisschen schrill. Stefan Margita legt den Loge musikalisch recht verschlagen an. Thorsten Grümbel und Phillip Ens statten die Riesen Fasolt und Fafner mit kernigem Bass aus, während Catherine Wyn-Rogers die Partie der Erda ungewöhnlich hoch ansetzt. Ulrich Reß gefällt als Mime mit leicht näselndem Tenor, und Eri Nakamura, Angela Brower und Okka von der Damerau überzeugen als Rheintöchter durch harmonischen Klang und saubere Diktion.

FAZIT

Kriegenburgs Inszenierung erzählt die Geschichte des Rheingolds, ohne dem Werk dabei eine zeitgenössischen Interpretation überzustülpen. Das geht im Großen und Ganzen auf, auch wenn nicht jeder Regieeinfall nahvollziehbar wird. Musikalisch ist die Produktion auf jeden Fall empfehlenswert. (Weitere Termine in der Spielzeit 2012 / 2013)

Weitere Rezensionen zu den Münchner Opernfestspielen 2012

 


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kent Nagano

Inszenierung
Andreas Kriegenburg

Bühne
Harald B. Thor

Kostüme
Andrea Schraad

Licht
Stefan Bolliger

Choreographie
Zenta Haerter

Dramaturgie
Marion Tiedtke /
Miron Hakenbeck

 

Bayerisches Staatsorchester

Statisterie der
Bayerischen Staatsoper


Solisten

*rezensierte Aufführung

Wotan
*Johan Reuter /
Egils Silins

Donner
Levente Molnár

Froh
*Thomas Blondelle /
Sergey Skorokhodov

Loge
Stefan Margita

Alberich
*Wolfgang Koch /
Tomasz Konieczny

Mime
Ulrich Reß

Fasolt
Thorsten Grümbel

Fafner
*Phillip Ens /
Steven Humes

Fricka
*Sophie Koch /
Elisabeth Kulman

Freia
Aga Mikolaj

Erda
Catherine Wyn-Rogers

Woglinde
*Eri Nakamura /
Hanna Elisabeth Müller

Wellgunde
Angela Brower

Floßhilde
Okka von der Damerau


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter 
Bayerische Staatsoper München
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2012 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -