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La Cenerentola

Melodramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Jacopo Ferretti
Musik von Gioachino Rossini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15'' (eine Pause)

Premiere im Nationaltheater der Bayerischen Staatsoper am 20.12.1980

(rezensierte Aufführung im Rahmen der Münchner Opernfestspiele: 12.07.2012) 

 

 



Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Theatermärchen ohne Regie-Mätzchen

Von Thomas Molke / Fotos von Wilfried Hösl

Es gab eine Zeit vor dem Regietheater, als in der Oper noch das Werk im Mittelpunkt stand und nicht die Neudeutung eines Regie-Teams. Manche Bühnen trauen sich auch heute noch, so genannte Relikte aus dieser Zeit aktuell auf den Spielplan zu stellen. So sind beispielsweise im Nationaltheater Mannheim in jeder Spielzeit zwei Aufführungen einer über 50 Jahre alten Parsifal-Inszenierung zu erleben, die immer noch für ein ausverkauftes Haus sorgen. In München hat man für die Opernfestspiele eine Cenerentola-Inszenierung aus dem Jahr 1980 wieder auf den Spielplan genommen, die auch nach fast 32 Jahren nichts von ihrem märchenhaften Charme eingebüßt hat und problemlos das Nationaltheater zu füllen vermag, was jedoch auch an der namhaften Besetzung liegen dürfte, hat man doch mit Joyce DiDonato in der Titelpartie und Lawrence Brownlee als Don Ramiro zwei hochkarätige Spitzenkräfte engagiert, die das Interesse an dieser Inszenierung noch steigern dürften.

Die Handlung folgt mit wenigen Ausnahmen der bekannten Märchenvorlage von Charles Perrault. Allerdings gibt es bei Rossini keine böse Stiefmutter, sondern mit Don Magnifico einen Stiefvater, was für die Oper wohl dramaturgische Gründe haben dürfte, da man so über eine weitere Buffo-Rolle verfügt. Der auf dem Ball verlorene Schuh wird durch einen Armreif ersetzt, was einerseits der Zensur bei der Uraufführung geschuldet war, da man das Wagnis der Entblößung eines Fußknöchels auf der Bühne vermeiden wollte, andererseits ein Armband als "vergöttertes und teures Pfand", das Don Ramiro besingt ("Pegno adorato e caro"), sicherlich passender ist als ein Schuh. Statt einer guten Fee tritt der  Philosoph Alidoro auf, der als Lehrer des Prinzen dessen Weg zu Angelina-Cenerentola lenkt. Damit werden der Oper die übernatürlichen Aspekte der Märchenvorlage genommen, und die Geschichte wird in einem realen Ambiente angesiedelt, was für ein Melodramma giocoso der damaligen Zeit sicherlich passender war.

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Angelinas (Joyce DiDonato) Auftritt auf dem Ball des Prinzen

Jean-Pierre Ponnelle gestaltet die Bühne mit fantasievoll gestalteten Prospekten, die aufgrund der Graustufen einen Hauch von Altertümlichkeit besitzen. Schon zu Beginn der Oper wird statt des roten Samtvorhangs mit einem auf einen Prospekt gezeichneten geschwungenen Vorhang gearbeitet, der auch für die Umbauten auf der Bühne während der einzelnen Akte herabgelassen wird. Das mit zahlreichen Figuren verzierte Haus von Don Magnifico ist in die Jahre gekommen und hat seinen Glanz verloren. So sind die Fenster mit Brettern vernagelt, das Dach ist undicht, und eine Treppe, die aus der oberen Etage nach unten führt, ist ebenfalls eingestürzt. Die beiden Ebenen des Hauses sind jeweils dreigeteilt, wobei die Schwestern Clorinda und Tisbe ihre recht kleinen Kammern auf der linken und rechten Seite haben, während Angelina ihre Zeit mit einer Kaffeemühle vor dem großen Ofen in der Mitte des Hauses verbringt. In der oberen Etage hat Don Magnifico sein Schlaf- und Ankleidezimmer. Wesentlich nobler wirkt das Schloss des Prinzen. Der Bühnenprospekt mit der Außenansicht des Schlosses ist ähnlich verziert wie das Haus Don Magnificos, nur dass dieses Schloss noch in seiner vollen Blüte steht. Durch Anheben des Theaterprospektes erhält man entweder Einblick in einen fantasievoll gestalteten Weinkeller oder in eine die ganze Tiefe der Bühne ausnutzende Halle, durch die Angelina beim Ball einen grandiosen Auftritt hat. Auch die Kostüme, für die ebenfalls Jean-Pierre Ponnelle verantwortlich zeichnet, sind fantasievoll und aufwendig gestaltet.

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Zwei Liebende haben sich gefunden: Angelina (Joyce DiDonato) und Don Ramiro (Lawrence Brownlee).

In diesem Ambiente feuern die sechs Solisten ein hochkarätiges Belcanto-Feuerwerk ab und begeistern darstellerisch durch große Spielfreude, so dass man das Gefühl hat, dass es auch den Sängerdarstellern großen Spaß macht, sich in einer solchen Inszenierung buchstäblich austoben zu dürfen. Da sind zunächst Eri Nakamura als Clorinda und Paola Gardina als Tisbe zu nennen. Während Nakamura Clorindas Ambitionen für den Tanz mit bewusst ungelenken Bewegungen karikiert und sich auch nicht scheut, von ihrem strahlenden Sopran in Katzengejammer überzugehen, legt Gardina die Tisbe mit ihrer aufgesetzten langen Nase ein wenig plumper und unbeholfener an und sorgt durch ihre tumben Bewegungen beim Publikum für große Heiterkeit. Musikalisch überzeugen die beiden auf ganzer Linie, so dass man ein bisschen enttäuscht ist, dass Clorindas Arie "Sventurata! Me credea", in der sie die Ansicht vertritt, dass sie aufgrund ihrer Schönheit und Jugend irgendwann noch einen reichen Mann bekommen wird, gestrichen ist, da Nakamura sicherlich über die stimmlichen Qualitäten für diese Arie verfügt. Mit Alessandro Corbelli als Don Magnifico steht den beiden Schwestern ein Vollblutkomödiant zur Seite, der mit buffonesker Grandezza stimmlich und darstellerisch die Paraderolle des Stückes voll ausspielt. Ob es seine große Arie "Sia qualunque delle figlie" zu Beginn des zweiten Aktes ist, in der er sich seine Zukunft ausmalt, wenn Don Ramiro sich für eine seiner beiden Töchter entscheiden sollte, oder das große Duett mit Dandini "Un segreto d'importanza", in dem Dandini ihm steckt, dass er gar nicht der Prinz ist: In beiden Fällen sorgt Corbelli sowohl stimmlich als auch darstellerisch für große Begeisterung beim Publikum.

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Märchenhaftes Ende für Angelina (Joyce DiDonato) (im Hintergrund: der Männerchor)

Mit Alex Esposito ist auch die Partie des Alidoro hochkarätig besetzt. Mit fundiertem Bass begeistert er das Publikum in seiner großen Arie "Vasto teatro è il mondo", in der er Angelina verspricht, sie zum Ball zu begleiten. Als verkleideter Bettler beweist er im Spiel große Beweglichkeit, während er als Philosoph und Lehrer wesentlich ruhiger agiert. Nikolay Borchev gibt mit schlankem Bariton und frischem Spiel einen Kammerdiener Dandini, der großen Spaß dabei empfindet, mit seinem Herrn die Rollen zu tauschen und die Schwestern samt Don Magnifico hereinzulegen. Lawrence Brownlee zählt unbestreitbar zu den derzeit besten Belcanto-Tenören, was er in der großen Tenorarie "Si, ritrovarla io giuro", in der Don Ramiro beschließt, die unbekannte Schöne wiederzufinden, unzweifelhaft unter Beweis stellt. Brownlees Tenor trifft jede Höhe, ohne dabei zu Forcieren, so dass das Publikum gar nicht bis zum eigentlichen Ende der Arie abwartet und schon vorher mit frenetischem Applaus die Szene unterbricht. Großartig gelingen auch die Ensembles am Ende des ersten Aktes, wenn alle eigentlich nur darauf warten, sich auf die reichlich gedeckte Tafel zu stürzen, und im zweiten Akt, wenn in dem berühmten Sextett "Questo è un nodo avviluppato" die Verwirrungen allmählich aufgelöst werden. Ponnelle findet für die Personenregie hierbei eine amüsante Choreographie, die von den Solisten hervorragend umgesetzt wird. Auch der von Stellario Fagone homogen einstudierte Männerchor fungiert nicht nur als Staffage, sondern wird in die Handlung adäquat eingebunden.

Leichte Sorge bereitete dem Publikum die Titelfigur des Abends: Joyce DiDonato, die zu Beginn der Aufführung mit einer Halsentzündung als leicht indisponiert entschuldigt wurde. Während der Aufführung ließ sie sich jedoch weder stimmlich noch darstellerisch etwas anmerken, meisterte die zahlreichen Koloraturen mit Bravour und stellte auch am Ende in ihrer Schlussszene "Non piu mesta accanto al foco", in der sie ihr Glück über die Wendung des Schicksals ausdrückt, noch einmal das ganze Register ihrer stimmlichen Möglichkeiten unter Beweis. Nur beim Schlussapplaus wirkte DiDonato dann ein bisschen angespannter als ihre Kollegen. Vielleicht hatte sie der Abend doch mehr Kraft gekostet, als während der Aufführung zu bemerken war. Antonello Allemandi rundete mit dem Bayerischen Staatsorchester den Abend musikalisch zu einer frischen Belcanto-Perle ab, die wirklich keine Wünsche offen ließ, so dass alle Beteiligten am Ende mit lang anhaltendem und verdientem Applaus bedacht wurden.

FAZIT

In einer solchen musikalischen und darstellerischen Umsetzung macht eine Inszenierung auch nach über 30 Jahren noch Spaß.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Antonello Allemandi

Inszenierung, Bühne und Kostüme
Jean-Pierre Ponnelle

Chor
Stellario Fagone

 

Bayerisches Staatsorchester

Chor der Bayerischen Staatsoper


Solisten

Don Ramiro, Prinz
Lawrence Brownlee

Dandini, sein Kammerdiener
Nikolay Borchev

Don Magnifico, Baron von Monte
Alessandro Corbelli

Clorinda, seine Tochter
Eri Nakamura

Tisbe, seine Tochter
Paola Gardina

Angelina (Cenerentola), seine Stieftochter
Joyce DiDonato

Alidoro, Philosoph
Alex Esposito

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter 
Bayerische Staatsoper München
(Homepage)



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