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Musiktheater
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Internationale Gluck-Opern-Festspiele
Nürnberg

20.07.2012 - 28.07.2012

 

Don Juan (UA)

Tanzstück von Goyo Montero
Musik von Lera Auerbach, Luigi Boccherini, Cake, Arcangelo Corelli, Christoph Willibald Gluck,
Wolfgang Amadeus Mozart und Tom Waits
Texte von Johann Wolfgang von Goethe, Tirso de Molina und José Zorrilla y Moral

Aufführungsdauer: ca. 1h 40' (keine Pause)

Premiere im Schauspielhaus Nürnberg am 21.07.2012


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Flirt mit dem Tod 

Von Thomas Molke / Fotos von Jesús Vallinas


Don Juan ist eines der ersten Ballette, das den Tanz von einem bloßen Divertissement zu einer kompletten dramatischen Handlung verändert hat. Der Choreograph Gasparo Angiolini schuf zur Musik von Christoph Willibald Gluck damit eine neue Gattung, die den Tanz ebenso reformieren sollte wie Glucks Opern das Musiktheater. Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts entwickelte sich das Drama um den berühmten Verführer zu den meistgespielten Balletten und ist auch im 20. Jahrhundert durch Michel Fokine, einen Choreographen der Ballets Russes und Gründer des modernen Balletts, noch mehrfach erneuert worden. Berühmtheit erlangte vor allem Don Juans Höllenfahrt, eine Chaconne, die Gluck später als "Air des Furies" in seine Pariser Fassung von Orphée et Eurydice für Orphées Abstieg in die Unterwelt übernahm und die für einen Regisseur der Oper mit die größte Herausforderung in der Inszenierung darstellen dürfte. In der ersten Aufführungsserie des Ballettes 1761 führte das veranstaltete Höllenfeuer in der dritten Woche zu einem verheerenden Brand, dem das Wiener Kärntnertor-Theater komplett zum Opfer fiel.

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Don Juan (Ravael Rivero) und seine Opfer, die Frauen (Ensemble).

Auch wenn Goyo Monteros Choreographie als Beitrag zu den diesjährigen Internationalen Gluck-Opernfestspielen gedacht ist, inszeniert er nicht Glucks dreiaktige Fassung, sondern erarbeitet musikalisch eine Version, die neben Gluck zahlreiche andere Komponisten beinhaltet, die vom Barock bis zur zeitgenössischen Musik reichen. Für die Handlung greift er nicht nur auf Tirso di Molinas Drama El Burlador de Sevilla y convidado de piedra, die erste klassische Fassung des Mythos, zurück sondern auch auf José Zorrilla y Morals Don Juan Tenorio aus dem 19. Jahrhundert, in dem Don Juans Verführungstaten durch eine Wette motiviert werden, Don Juan jedoch von wahrer Liebe zu der Novizin Inés erfasst wird und voller Reue an ihrem Grab Vergebung im Jenseits erlangt. Montero kombiniert die Idee der Wette mit Johann Wolfgang Goethes Faust und lässt Don Juan mit dem personifizierten Teufel, der hier M genannt wird, um seine Seele spielen, die M, anders als im Faust am Ende auch gewinnt. Dabei kommt dem gesprochenen Text neben der Musik eine entscheidende Bedeutung zu, so dass eine Crossover-Arbeit zwischen Theater und Tanz entsteht.

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M (Julia Bartolome, rechts) hilft als Äbtissin Don Juan (Rafael Rivero), Doña Inés (Ana Baigorri) gefügig zu machen.

Die Musik kommt leider nur vom Band, wofür sich zwei Gründe anführen lassen. Zum einen hätten Tom Waits' "Temptation" und Cakes Cover-Version von "I will survive" sowieso eingespielt werden müssen, zum anderen hätte es bei dem Einsatz der Bühnentechnik überhaupt keine Möglichkeit gegeben, irgendwo ein Orchester zu positionieren. Denn auch die Bühne ist in ständiger Bewegung und nutzt die technischen Möglichkeiten des Hauses komplett aus. So wird eine riesige Drehbühne nach vorne und hinten gefahren, und Abgründe tun sich auf, wenn der Bühnenboden in mehreren Ebenen emporgefahren wird, so dass die Tänzer in die Tiefe springen bzw. stürzen oder auf einer Schräge regelrecht in den Abgrund rollen. Auch das Lichtdesign von Olaf Lundt und Goyo Montero erzeugt mit düsteren Bildern eine unheimliche Stimmung. Schon beim ersten Auftritt von M ist es erstaunlich, wie der Teufel quasi aus dem Nichts auf der schwarzen Bühne erscheint und in unterschiedlichen Lichtstimmungen fast wieder unsichtbar wird. Auch die Schattenspiele hinter einem weißen Vorhang, die eine Frau immer größer werden lassen, bis sie den ganzen Vorhang ausfüllt, spiegeln Don Juans Gedankengänge glaubhaft wider.

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Julia Bartolome (links) als M mit Marina Miguélez (Mitte) als Schatten von Doña Inés und Macarena González (rechts) als verschleierte Braut

Mit der Schauspielerin Julia Bartolome als M und dem Gastsolisten Rafael Rivero verfügt die Produktion über zwei Künstler, die auch den gesprochenen Text auf der Bühne zu einem Erlebnis machen. Bartolome begeistert durch ihre akzentuierte Diktion und die Diabolik, die in ihrer recht dunklen Stimme mitschwingt. Dabei präsentiert sie sich absolut wandlungsfähig und schlüpft problemlos in die Rolle der Äbtissin, die der unbekümmerten Inés Don Juan als ehrlichen Liebhaber anpreist. Rivero spricht seine Texte auf Spanisch und macht mit dem musikalischen Klang seiner Stimme den Schwerenöter mehr als glaubwürdig. Besonders gelungen ist die Szene, in der Inés seinen Brief liest. Während Rivero den Text spricht, hallt er von einer Frauenstimme vom Band wider, was zeigt, wie sich die Worte in Inés' Gedanken einbrennen. Auch dass sich Bartolome und Rivero in unterschiedlichen Sprachen unterhalten, stört durch die Übertitelung der spanischen Passagen nicht weiter, da so das gesprochene Wort bei beiden größere Authentizität erhält.

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Don Juan (Rafael Rivero, rechts) fühlt sich schuldig und bereut (links: Ensemble).

Das Ensemble überzeugt in seinem modernen Ausdruckstanz durch große Wandlungsfähigkeit. Während die Tänzer im ersten Barockstück noch die Ehemänner der Damen zu sein scheinen, die versuchen, ihre Frauen vor Don Juan zu schützen, werden sie im weiteren Verlauf des Stückes selbst auch zum Verführer, um so zu zeigen, dass Don Juan entweder absolut wandlungsfähig ist oder ein Stück von ihm in jedem Mann stecken könnte. Beeindruckend gelingt der Höllentanz, in dem die Tänzer Don Juan immer wieder einkreisen und mit sich nehmen wollen, Rivero jedoch in einer Art Kickboxen die anderen niederkämpft, bis er schließlich doch in die Tiefe hinab gezogen wird. Riveros Energie in dieser Szene ist geradezu unbeschreiblich. Auch zu Lera Auerbachs "Stabat Mater" gelingen Montero bewegende Bilder, wenn Don Juan auf Inés' Schatten trifft und ihn ein Gefühl der Reue überkommt. Auch hier hat die Beleuchtung wieder eine enorme Wirkung, da die Tänzer mit Lampen unter schwarzen Tüchern die Frauen in weißen Kostümen regelrecht eingesponnen haben. Rivero trägt zu diesem Zeitpunkt nicht mehr seinen dunkelroten Anzug, wahrscheinlich um die Läuterung der Titelfigur anzudeuten. Der Schluss erklärt sich dann jedoch musikalisch nicht. Während alle Tänzer das schwarze Kostüm des Teufels angelegt haben, wird Don Juan in Inés' Grab zu den Klängen von "I will survive" gelegt. An dieser Stelle überlebt Don Juan ja gerade nicht. Montero begründet es mit der Unkenntnis über die Hölle.

Aber auch diese Verwirrung am Schluss beeinträchtigt nicht den frenetischen Applaus, mit dem das Publikum am Ende das Ensemble und den Choreographen feiert, auch wenn der Abend mit Gluck nicht allzu viel zu tun hat.

FAZIT

Wer nicht erwartet, eine Choreographie von Glucks erstem Handlungsballett zu sehen, wird bei diesem kurzweiligen und eindringlichen Tanzabend voll auf seine Kosten kommen.

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Produktionsteam

Choreographie und Inszenierung
Goyo Montero

Bühne
Verena Hemmerlein,
Goyo Montero

Kostüme
Angelo Alberto,
Goyo Montero

Lichtdesign
Olaf Lundt,
Goyo Montero



Solisten

Don Juan
Rafael Rivero

M
Julia Bartolome

Doña Inés
Ana Baigorri

Schatten von Doña Inés
Marina Miguélez

Doña Ana
Simone Elliott

Asasello
Saúl Vega

Ensemble Damen
Sophie Antoine
Ana Baigorri
Julia Cortés
Macarena González
Sayaka Kado
Hannah Lagerway
Marina Miguélez
Marina Sánchez
Natsu Sasaki

Ensemble Herren
Oscar Alonso
Max Levy
Carlos Lázaro
Hirotaka Seki
Malcolm Sutherland
Christian Teutscher
Simon van Heddegem
Felix Valentim
Saúl Vega
Max Zachrisson


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