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Großartige Semiramide in der TrinkhalleVon Thomas Molke / Fotos von Josefine Knauschner (© Rossini in Wildbad)
Finale 1. Akt: von links: Geist des Königs Ninos (Raffaele Facciolà), Azema (Marija Jokovic), Assur (Lorenzo Regazzo), Semiramide (Alex Penda), Arsace (Marianna Pizzolato), Oroe (Andrea Mastroni) und Idreno (John Osborn) (dahinter: Camerata Bach Chor Posen, davor: Antonino Fogliani mit Virtuosi Brunenses) Die Handlung folgt im Großen und Ganzen der gleichnamigen Tragödie von Voltaire und kann als orientalische Mischung aus Orestie, Hamlet und König Oedipus betrachtet werden. Die assyrische Königin Semiramide hat vor 15 Jahren gemeinsam mit dem Prinzen Assur ihren Gatten, den König Nino, vergiftet und regiert seitdem relativ erfolgreich über Babylon. Der Hohepriester Oroe drängt sie jedoch, endlich einen männlichen Nachfolger zu bestimmen. Während Assur darauf hofft, die Nachfolge antreten zu können und damit die Hand der Prinzessin Azema zu erhalten, verfolgt Semiramide andere Pläne. Sie hat sich in Arsace, den jungen Anführer des assyrischen Heeres, verliebt und beabsichtigt, ihn an ihrer Seite zum neuen König zu machen, ohne zu wissen, dass Arsace ihr tot geglaubter Sohn Ninia ist, den der sterbende Nino kurz vor seinem Tod hatte außer Landes schaffen lassen. Arsace, der ebenfalls Azema liebt, ist von diesem Vorhaben zwar nicht begeistert, willigt aber ein, dem Befehl seiner Königin Folge zu leisten, als sich plötzlich Ninos Schatten aus dem Grab erhebt und Arsace ermahnt, den Mord am König zu rächen. Oroe offenbart Arsace seine Herkunft und fordert ihn auf, dem Befehl des toten Königs Folge zu leisten. Arsace will aber nur Assur für den Mord zur Rechenschaft ziehen und seine geliebte Mutter verschonen. In der Grabkammer des Königs kommt es zu einer Auseinandersetzung zwischen den beiden Männern. Als Arsace jedoch zum tödlichen Schlag ausholt, trifft er seine Mutter, die sich zu seinem Schutz ebenfalls in die Grabkammer begeben hat. Während Assur festgenommen wird und darüber triumphiert, dass Arsace seine eigene Mutter getötet hat, wird der verzweifelte Arsace vom jubelnden Volk als neuer König gefeiert. Bereits die Ouvertüre verarbeitet zahlreiche Melodien der Oper, die im weiteren Verlauf geradezu leitmotivisch wieder aufgenommen werden. Zu nennen ist hier eine Anspielung auf das bekannte Volkslied "Freut euch des Lebens", das einer Anekdote zufolge Rossini Metternich zuliebe in die Ouvertüre eingearbeitet haben soll, der dieses Volkslied wohl sehr geschätzt habe. Auch wenn die musikalischen Übereinstimmungen nicht zu überhören sind, lässt sich inhaltlich keine Nähe erkennen, da diese Melodie bei Rossini im Folgenden eher Unheil verkündend wieder aufgegriffen wird. Schon in der Introduktion wird deutlich, dass man für diesen Abend ein exquisites Ensemble zusammengestellt hat. Aufhorchen lässt direkt in der ersten Szene Andrea Mastroni als Hohepriester Oroe, der in "Si, gran Nume, t'intesi" die Gottheit um Gerechtigkeit und Rache am Königsmord auffordert und in seiner dunklen Stimmfärbung und tiefen Schwärze sicherlich auch einen guten Bösewicht Assur abgegeben hätte. Dieser ist allerdings mit Lorenzo Regazzo, der Assur nicht nur mit profundem Bass stimmlich sondern auch im ausdrucksstarken Mimenspiel einen diabolischen Charakter verleiht, ebenfalls trefflich besetzt. Marianna Pizzolato Weiterer Glanzpunkt des Abends ist Marianna Pizzolato in der Hosenrolle des Arsace. Mit ihrem samtig weichen Mezzosopran und den absolut beweglichen Koloraturen bringt sie bereits in ihrer ersten Kavatine "Ah! quel giorno ognor rammento", in der sie darauf hofft, von Semiramide Azemas Hand zu erhalten, den Saal zum Toben. Auch das sich anschließende Duett mit Assur, in dem sich die beiden als Widersacher um die Gunst der schönen Azema erkennen, vermag das Publikum zu begeistern. Marija Jokovic hat als Azema zwar nicht viel zu singen, ist aber optisch eine wahre Augenweide, so dass man gut nachvollziehen kann, dass sich die Männer nach ihr verzehren. Der Dritte im Kampf um die schöne Prinzessin ist der indische König Idreno, der mit dem Tenor John Osborn ebenfalls hochkarätig besetzt ist. Seine beiden Arien sind genau wie seine Person dramaturgisch zwar eigentlich entbehrlich, dürfen in einem Belcanto-Konzert aber natürlich nicht fehlen. Im ersten Akt besingt er seine Hoffnung, Azema zu gewinnen. Im zweiten Akt versucht er die enttäuschte Prinzessin davon zu überzeugen, dass er für sie ein guter Ehemann sein wird. In beiden Arien glänzt Osborn mit tenoraler Durchschlagskraft in den Spitzentönen und versteht es, mit geschmeidiger Stimme ein Forcieren zu vermeiden. Man kann musikalisch verstehen, dass Azema Idreno gegenüber nicht abgeneigt wäre, wenn ihr Herz nicht für Arsace schlüge. Semiramide (Alex Penda, links) und Arsace (Marianna Pizzolato, rechts) In der Titelpartie glänzt Alex Penda mit gestochen scharfen Koloraturen und großartiger Dramatik. Besonders beeindruckend gelingen ihr die beiden Duette mit Marianna Pizzolato, da Pizzolatos samtiger Mezzo und Pendas dramatischer Sopran wunderbar harmonieren, wobei das erste Duett, in dem beide von der großen Liebe singen, damit aber unterschiedliche Personen meinen, an emotionaler Innigkeit kaum zu überbieten ist, und im zweiten Duett ein kongenialer Wechsel in ein Mutter-Sohn-Verhältnis erfolgt. Während Penda in diesen beiden Duetten die Titelfigur regelrecht sympathisch erscheinen lässt, wird im Duett mit Regazzo im zweiten Akt aber deutlich, dass die assyrische Königin auch andere Töne anschlagen kann. Da wird auf einmal eine eiskalt berechnende Frau erkennbar. Penda gelingt es musikalisch sehr gut, die Vielschichtigkeit der Titelfigur sauber herauszuarbeiten. Einen weiteren musikalischen Höhepunkt stellt Assurs Wahnsinns-Arie dar, in der dem Prinzen noch einmal der Geist des toten Königs erscheint, der ihn ins Grab ziehen will. Mit großartiger Mimik und dramatischem Bass setzt Regazzo diesen aus dem schlechten Gewissen entstehenden Wahnsinn überzeugend um. Begeistern kann auch der von Tomasz Potkowski einstudierte Camerata Bach Chor Posen mit einem fulminantem und homogenen Klang. Die Virtuosi Brunenses erweisen sich unter Antonino Fogliani erneut als Rossini-Experten, die den Abend zu einem rundum gelungenen Belcanto-Konzert abrunden, bei dem die fast viereinhalb Stunden regelrecht im Flug vergehen und das am Ende mit frenetischem Applaus bedacht wird.
FAZIT Es ist immer wieder beachtlich, welches hohes musikalische Niveau hier in Bad Wildbad gefahren wird. Diese konzertante Fassung lässt wirklich keine Wünsche offen.
Weitere Rezensionen zu Rossini in
Wildbad 2012 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungAntonino Fogliani Chor Licht
Virtuosi Brunenses Camerata Bach Chor Posen
SolistenSemiramide, Königin von Babylon
Arsace, General der assyrischen Armee
Assur, ein Prinz
Idreno, ein indischer König Oroe,
Hohepriester Azema, eine Prinzessin Mitrane, Hauptmann der Wache Der Geist König Ninos
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- Fine -