Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
|
|
OhrenöffnerVon Christoph Wurzel / Foto: Kai Bienert „Während rund 17,5 Millionen Zuschauer im Fernsehen das Wortgefecht zwischen Kandidat und Kanzlerin verfolgten, lieferten sich in der nur mäßig besetzten Philharmonie zuerst drei, dann sieben, danach dreizehn Musiker und schließlich ein Solist mit ganzem Orchester einen möglicherweise viel interessanteren Schlagabtausch und zwar nach Noten und ganz ohne Rechthaberei. Im ersten Teil des Konzerts fanden sich Mitglieder des Chamber Orchestra of Europe in unterschiedlichen Formationen zu Kammermusik von Bartók, Janáček und Ligeti zusammen. Bartóks Kontraste eröffneten den Abend, zugleich hätte dieser Titel über dem ganzen Konzert stehen können. In diesem dreisätzigen Werk voller Esprit und Temperament triumphiert Bartóks Hinwendung zur rumänisch-ungarischen Volksmusik und die drei Ausführenden gingen mit feurigem Elan an die Sache. Einst hatte Benny Goodman dieses Werk für sich bestellt, Romain Guyot erwies sich dabei mit seiner Klarinette als würdiger Nachfolger des quirligen Jazzers, der auch immer wieder Ausflüge ins klassische Repertoire unternahm. Brillant auch das Zusammenspiel mit der Geigerin Lorenza Borrani und Pierre-Laurent Aimard als Konterparts bis hin zum abschließenden furiosen Csárdas. Ganz ruhig dagegen entwickelt sich Janáčeks Concertino, das stellenweise wie ein ironischer Kommentar zum Musikmachen überhaupt wirkt. Sieben Spieler sitzen zwar auf dem Podium, aber in den meisten Sätzen agieren nur wenige von ihnen. Der erste Satz besteht aus einem Duo für Horn und Klavier, im zweiten Satz tun sich Klarinette und Horn zusammen und werden dabei lediglich durch drei Streicher mit zwei Tönen gestört. Der dritte Satz würde als Intermezzo in Janáčeks Oper Das schlaue Füchslein passen, die Bläser imitieren hier Vogelgezwitscher und Jagdmotive und musikalisch kreucht und fleucht so allerhand Getier. Mit stoischer Ruhe absolvierten die Damen und Herren in Frack und Abendkleid diesen musikalischen Spaß im leicht absurden Arrangement. Einen großen Schritt nach vorn bedeutete dann das nächste Werk, György Ligetis Kammerkonzert für 13 Instrumentalisten, einem Werk, das endgültig alle Konventionen hinter sich lässt. Musik, die ähnlich wie Lutosławski mit den Erwartungen der Hörer spielt und sich in amorphen Strukturen fortbewegt, dabei überraschende Klänge hervorbringt, die von einer singulären Besetzung (neben Streichern, diversen Blech- und Holzbläsern auch Klavier, Celesta und Hammondorgel) erzeugt werden, wobei die Grenzen zwischen Musik und Geräusch unmerklich verschwimmen. Im dritten Satz auch hier eine ironische Replik: man meint sich nach Nibelheim zu den hämmernden Zwergen versetzt. Perfekt hielt Pierre-Laurent Aimard dirigierend diese Klangszenerie zusammen. Pierre-Laurent Aimard bei der Probe zu Mozarts Klavierkonzert KV 453 mit dem Chamber Orchestra of Europe Welch ein Sprung dann nach der Pause zurück zu Mozarts Klavierkonzert KV 453. Gewohnte Hörlandschaften, bekannte Klänge. Und doch nahm man diese Musik nun mit anderen Ohren auf. Nach Bartók, Janáček und Ligeti wirkte Mozart plötzlich fremd, historisch entrückt. Aber klar und luzide, vom Orchester mit derselben Genauigkeit und Achtsamkeit in der Artikulation gespielt wie die moderne Musik davor. Aimard brachte den Klang des Klavier zum Singen und Schweben. So verschmolzen die Kontraste der vorher gegangenen Musik am Schluss zu beglückender Harmonie. FAZIT Ein Konzert der reizvollen Kontraste, in welchem neue Hörerfahrungen die Ohren weit öffneten Weitere
Rezensionen zum Musikfest Berlin 2013 Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Das ProgrammBéla BartókKontraste für Violine, Klarinette und Klavier Leoš Janáček Concertino für Klavier, zwei Violinen, Viola, Klarinette, Horn und Fagott György Sándor Ligeti Kammerkonzert für 13 Instrumentalisten Wolfgang Amadeus Mozart Konzert für Klavier und Orchester G-Dur KV 453
Pierre-Laurent Aimard, Lorenza Borrani, Violine
Romain Guyot,
Klarinette
|
- Fine -