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Musikfest Berlin 2013

Orchester der Deutschen Oper Berlin
Klaus Florian Vogt, Tenor
Donald Runnicles, Leitung

Musik von Britten und Schostakowitsch

3. September 2013 in der Philharmonie Berlin  


Berliner Festspiele
Musikfest Berlin

(Homepage)  

Musik als Verkleidung

Von Christoph Wurzel

Nach dem Konzert des Mahler Chamber Orchestra am Vortag war dieses das zweite Konzert, in dem Werke von Britten und Schostakowitsch direkt aufeinander bezogen waren – darunter zwei Werke, die bei allen Unterschieden ihrer klanglichen Gestalt in ihrem Wesen erstaunliche Ähnlichkeiten aufweisen, beide doppelbödig in ihrem musikalischen Ausdruck, einem bis ins Groteske gehenden Tonfall. Zuerst Brittens Vertonung der assoziativen Prosabilder Les Illuminations  von Arthur Rimbaud und darauf folgend die letzte Symphonie von Dimitri Schostakowitsch. In einer Mischung aus Staunen und Faszination hatte der 27-jährige  Rimbaud seine Erlebnisse im Paris der Commune 1871 in eine hoch expressive Sprache mit magischer Kraft gefasst. Die Texte spiegeln in exzentrischen Phantasien die chaotischen, libertär anarchischen Zustände dieser Zeit, den Mummenschanz eines außer Rand und Band geratenen Volkes. Als „wilde Parade“ erlebt die Ich-Figur teils dramatisch hineingezogen, teils lyrisch distanziert diese Szenen von morbider Schönheit, greller Vitalität und exotischer Sinnlichkeit. Britten scheint sich von der radikalen Subjektivität und kompromisslosen Künstlichkeit dieser Texte angezogen gefühlt haben. Nur für Streicher und umfangreiches Schlagwerk hat er für diese oszillierende Sprache eine äußerst farbige Musik komponiert und unterstreicht die exaltierte Stimmung des erlebenden Subjekts durch den Einsatz einer sehr hohen Stimme für die exponiert ausgestalteten Texte. Dafür war Klaus Florian Vogt eigentlich der passende Sänger. Mühelos leuchtete seine Stimme auf, wo der Text von der „leichten Luft“  und den „Strudeln des Lichts“ spricht. Insgesamt hätte man sich aber in der Gestaltung eine Spur mehr von dem Geheimnisvollen gewünscht, dem Irritierenden, dem labilen Suchen zwischen Verzauberung und Abscheu, das diese Texte durchzieht. Auf gleicher Ebene beließ Donald Runnicles mit dem Orchester die ausgefeilten Klangspiele der Partitur. Mehr Überzeugungskraft hatten sie zur Konzerteinleitung mit den dramatisch aufwühlenden Zwischenspielen aus Britten erster Oper Peter Grimes aufbringen können.

Als Außenseiter in der englischen Gesellschaft lebte Britten gemeinsam mit seinem Partner Peter Pears zur Zeit der Komposition des Liederzyklus Les Illuminations in Amerika, seine Homosexualität und sein Pazifismus hatten ihm das Leben in der Heimat unerträglich gemacht. Dimitri Schostakowitsch konnte die Sowjetunion nie verlassen, obwohl er zeitweise schwerem Druck der Parteibürokratie ausgesetzt war. Er hat sich rein musikalisch gewehrt und nicht selten – jedenfalls in den „öffentlichen“ Werken außerhalb der Kammermusik – eine Narrenkappe aufgesetzt. In seiner letzten Symphonie scheint die Verkleidung deutlich durch. Eine heiter hüpfende Flötenmelodie eröffnet das Werk, kurz danach wird sogar ausführlich die angriffslustige Fanfare aus der Ouvertüre zu Rossinis Wilhelm Tell zitiert. Doch so lustig ist die Musik nur auf den ersten Blick, düstere Bläserakkorde deuten Unheil an und der erste Satz bildet musikalisch ein verwirrend hektisches „Weltgetümmel“ mahlerschen Ausmaßes aus. Im Adagio hat Schostakowitsch gleich zweimal Wagner zitiert. Brünnhildes Todesverkündigung und Tristans Klage stehen für die resignative Stimmung des Komponisten angesichts von Alter und Krankheit. Der dritte Satz ist ein sarkastisches Scherzo, in dem der Komponist sich nochmals hinter zahlreichen Anspielungen versteckt. Wie auch Brittens Komposition endet die Sinfonie im leisen Verlöschen des Klangs und lässt den Zuhörer vielsagend in  Stille zurück.

Auch hinter der Doppelbödigkeit dieses Werks bleib die Interpretation durch das Orchester der Deutschen Oper zurück. Die glänzende Oberfläche der Musik kam wohl zum Vorschein, Ironie und Sarkasmus blieben im Ausdruck abgeschwächt. An emotionaler Tiefe erreichte diese Interpretation leider nicht, was am Vortag vom Mahler Chamber Orchestra mit Schostakowitschs 14. Sinfonie geboten worden war.

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Das Programm

Benjamin Britten
Four sea interludes und Passacaglia
aus der Oper Peter Grimes op. 33 a/b

Benjamin Britten
Les Illuminations für hohe Stimme und
Streichorchester auf Texte von
Arthur Rimbaud op. 18

Dimitri Schostakowitsch
Symphonie Nr. 15 A-Dur op. 141

Klaus Florian Vogt, Tenor

Orchester der Deutschen Oper Berlin

Leitung: Donald Runnicles





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