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Musikfest Berlin 2013

Konzerthausorchester Berlin
Benjamin Grosvenor, Klavier
Ilan Volkov, Leitung

Werke von Lutosławski, Britten und Janáček

8. September 2013 im Konzerthaus Berlin  


Berliner Festspiele
Musikfest Berlin

(Homepage)  

Der Reiz der Vielfalt

Von Christoph Wurzel

Was macht ein gutes Konzertprogramm aus? Diese Frage stellte sich beim Musikfest Berlin jeden Tag aufs Neue. Angesichts solch ambitionierter Programmplanung wurde man hier meistens fündig. Biografische Bezüge, solche zwischen den Werken oder Beides stellten sich an den Konzertabenden oft auch überraschend ein. Beim ersten Blick auf dieses Konzertprogramm allerdings schien eine innere Verwandtschaft nur schwer auszumachen. Immerhin: Witold Lutosławski und Benjamin Britten verband eine langjährige Freundschaft, aber ihre Kompositionsweisen unterscheiden sich diametral. Auch hat Leo¨ Janáček mit beiden nur wenig zu tun. Dennoch war die Koppelung von Werken dieser drei Komponisten an diesem Abend nicht ohne Reiz. Diesmal stellte der Kontrast, die Vielseitigkeit der Werke die Herausforderung für ein aufgeschlossenes Publikum dar, das allerdings nicht sehr zahlreich in den schönen  Konzertsaal am Gendarmenmark gekommen war.

Das Programm eröffneten die Jeux vénetiens, Lutosławskis erste Komposition, in der er das Prinzip des „gelenkten Zufalls“ in seine Musik einführte – 13 Minuten figurative Musik, neckische Klangspiele zwischen Einzelinstrumenten, die sich die Töne (teils aleatorisch, teils genau fixiert) wie Matchbälle zuwerfen, mal Ton-Ping-Pong, mal stehende Cluster, hohe Töne von ätherischer Leichtigkeit, harte Schläge, schrille Schreie, weiche Harfenklänge, mulmige Trommelwirbel. Die Komposition entstand 1961 für die Biennale in Venedig und begründete Lutosławskis Ruf als Avantgarde-Komponist. Konturenscharf dirigierte der junge Ilan Volkov die in quicklebendiger Klangproduktion souverän agierende Kammerformation des Konzerthausorchesters.

Mit 25 Jahren schrieb Britten eines seiner virtuosesten Stücke, das Klavierkonzert op. 13, ein Werk voll jugendlicher Frische und zugleich mit gewisser skeptischer Ironie . Es verlangt vom Pianisten eine enorme Fingerfertigkeit. In den drei brillant komponierten Sätzen ist technische Raffinesse ebenso gefragt wie sensible Anschlagskunst und hohes musikalisches Einfühlungsvermögen. Noch 4 Jahre jünger als der Komponist seinerzeit war der Pianist dieses Abends, der Brite Benjamin Grosvenor. Im ersten Satz, einer furiosen Toccata, glitt er mit großer Fingerfertigkeit über die Tasten. Im zweiten Satz (Walz) hat Britten zwar nicht explizit, aber doch unhörbar eine bittere Anspielung auf die Zeitumstände versteckt. Die wienerische Leichtigkeit dieses Walzers, eingeleitet durch eine Melodie der Solobratsche wird bald durch martialisches Blech niedergewalzt: 1938, im Jahr der Komposition, waren die Truppen Hitlers in Wien einmarschiert und hatten Österreich „heim ins Reich geholt“. Diese „Ermordung“ eines Walzers durch die Gewalt , der harte Gegensatz zwischen dem legeren Tonfall der Tanzmelodie (poco rubato)  und der harten Realität wurde in dieser Aufführung vom Dirigenten etwas hintan gestellt. Sensibel gestaltete der Pianist dann den als Impromptu überschriebenen  träumerischen dritten Satz. Einen sarkastischen Marsch fügt Britten danach als Schlusssatz an, in dem deutlich eine Anklage an den begonnenen Krieg zu hören ist.

Kurz nach Vollendung des Klavierkonzerts zog Britten angesichts der aggressiven Homophobie in seiner Heimat mit seinem Lebenspartner in die Vereinigten Staaten, auch um dem Krieg in Europa zu entfliehen. Hier entstand die Sinfonia da Requiem , worin Britten auf den wenige Jahre zuvor erlittenen Verlust seiner Eltern regiert. So spricht diese Musik hauptsächlich eine sehr persönliche Sprache, deutet aber schon auf die im 22 Jahre später entstandenen großen Chorwerk War Requiem formulierte allgemeine Anklage des Krieges hin. Die Wiedergabe dieses ergreifenden Werks gelang an diesem Konzertabend eindrücklich.

Auch eine Art Totengedenken liegt dem Programm von Leoš Janáčeks Konzert-Rhapsodie Taras Bulba zugrunde, in der er einige Szenen aus Nikolai Gogols gleichnamiger Novelle in großformatige musikalische Bilder gefasst hat. Erzählt wird die grausame Geschichte des Tartarenführes Taras Bulba und seiner Söhne (einer empfindsam und einer kriegerisch) und ihr (gescheiterter) Kampf um die Herrschaft im Osten im Spannungsfeld zwischen katholischem Polen und orthodoxem Slawentum. Mitten im ersten Weltkrieg und angesichts der kommenden staatlichen Neuordnung in der zerfallenden kakanischen Monarchie, deren Untertan er war, mag Janáček in diesem Werk seiner entschiedenen panslawistischen Einstellung gehuldigt haben, was im übrigen auch in der Wahl des altslawischen Textes für die Glagolitische Messe zum Ausdruck kommt (die am Abend zuvor von den Philharmonikern gespielt wurde, siehe auch unsere Rezension).  Das Werk ist daher auch eher in seiner tschechischen Heimat populär geworden. So überraschte das bei uns recht unbekannte Werk durch innere Dramatik und eine reiche Palette an Klangfarben. Die straffe Leitung des jungen israelischen Dirigenten und das bestens disponierte Orchester brachten das Werk zu eindrucksvoller Wirkung.

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Das Programm

Witold Lutosławski
Jeux vénetiens für Kammerorchester

Benjamin Britten
Konzert für Klavier und Orchester op. 13

Benjamin Britten
Sinfonia da Requiem op. 20


Leo
š Janáček
Taras Bulba, Rhapsodie für Orchester

Benjamin Grosvenor, Klavier

Konzerthausorchester Berlin

Leitung: Ilan Volkov





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