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Strenge der Form, Kühnheit des KlangsVon Christoph Wurzel / Foto: Peter Meisel So konzentriert sind Korrespondenzen zwischen musikalischen Welten nur selten zu erleben: zwei doch so unterschiedliche Stücke, aber ein Titel - Konzert für Orchester – von zwei Komponisten, die diese Werke in nur kurzem zeitlichen Abstand schufen, Béla Bartók und Witold Lutosławski. Präsentiert wurden sie jeweils als singuläre Blöcke in zwei Konzerthälften eines Abends vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das beide Werke glänzend aufblühen ließ. Die Programmatik des Musikfestes 2013 hat diesen glücklichen Umstand ermöglicht. Bartók schrieb sein Konzert für Orchester im Sommer 1943 unter dem Eindruck seiner schweren Krankheit und insgesamt massiver existenzieller Belastungen durch die Situation im amerikanischen Exil. Sein letztes großes Werk für Orchester, das er gänzlich vollenden konnte, kann als eine Quersumme seiner schöpferischen Individualität gelten, es ist klanglich von kühner Expressivität, folgt dabei aber einem an der Tradition orientierten Formprinzip. Auch Anklänge an die Volksmusik finden sich wieder in dem fünfsätzigen Werk. Lutosławski bezog sich mit seiner Komposition gleichen Titels auf den von ihm hoch geschätzten Kollegen in einer Situation des Aufbruchs zu neuen Ufern. Sein Ende 1954 uraufgeführtes Orchesterkonzert etablierte den Komponisten als wichtigen Vertreter der neuen Musik in Polen, der damit im Rahmen traditioneller Formen zu einer modernen Klangsprache gefunden hatte, ohne als „Formalist“ zu gelten, was auch im stalinistisch geprägten Polen der 50iger Jahre ein künstlerisches Todesurteil bedeuten konnte. So stellt Lutosławskis große Komposition für Orchester einen gewissen Kompromiss dar, den der Komponist allerdings später nicht mehr akzeptieren wollte, als er mit seinen kompositorischen Mitteln längst avantgardistische Wege beschritt. Gerade die vollkommene Beherrschung der Form hat der als Mathematiker ausgebildete Lutosławski an Bartók bewundert und wesentliche Prinzipen von dessen Kompositionsweise für sich adaptiert, wie die Bogenform für den musikalischen Verlauf eines Werks. Auch der Grundgedanke des Konzertierens der Instrumentengruppen untereinander und mit den anderen des gesamten Apparats ist beiden Werken gemeinsam. Beide geben einem Orchester beste Gelegenheit, sich spieltechnisch perfekt zu zeigen. Beide sind voll klanglicher Raffinessen und leben vom Reichtum der Klangfarben. Das BR – Symphonieorchester erfüllte diese Bedingungen in höchstem Maße. Mariss Jansons mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks Dennoch – Lutosławskis Konzert wirkt gegenüber dem von Bartók technischer, kälter, kalkulierter, wenn auch auf höchstem künstlerischen Niveau. Es ist eine Musik ohne erkennbaren Außenbezug, die vor allem durch ihre artifizielle Konstruktion beeindruckt. Jansons arbeitete diese Seite sozusagen feinmechanisch heraus, die Musiker entlockten ihren Instrumenten ein Höchstmaß an Verfremdung, wenn es erforderlich war und fächerten die Klangfarbenpalette weit auf. Wohin Lutosławskis Klangsprache dann später geführt hat, ließ sich bereits hier erahnen. Auch in Bartóks Konzert wurde ein unerschöpflicher Reichtum an Klangvaleurs und Nuancen hörbar, besonders aber im zentralen Satz, einer ausdrucksstarken Elegia, belebte die Klänge eine suggestiv magische Kraft und vermochte besondere emotionale Nähe zu der Musik herzustellen. Wie ein leidender Vogel im Käfig mutete das wunderbar einfühlsam gespielte Solo der Piccoloflöte gegen Ende des Satzes an und ließ an die Gefühlslage des Komponisten zur Zeit der Komposition denken. Gut somit, dass das eigentlich früher entstandene Werk von Bartók an den Schluss des Konzertabends gesetzt wurde. Jetzt konnte Musik ihre empathische Kraft entfalten. Es gab auch noch eine furiose Zugabe: von Schostakowitsch und damit zugleich anknüpfend an das Schostakowitsch-Zitat in Bartóks Konzert. Ein ganz großer Konzertabend, der zu Recht vom Publikum bejubelt wurde Weitere
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Das Programm
Witold Lutosławski
Symphonieorchester des Leitung: Mariss Jansons
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- Fine -