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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Spektakulärer Saisonauftakt im Festspielhaus Baden-Baden Von Gerhard
Menzel
Es ist erst elf Wochen her, dass die letzte Festspiel-Saison in Baden-Baden mit einer überwältigenden Gala mit Elina Garanca und Jonas Kaufmann beendet wurde (unser Bericht). Gleich das erste Konzert der neuen Spielzeit setzte diese hohe musikalische Qualität fort. Als Solistin des Abends stand zunächst Hilary Hahn im Rampenlicht der Bühne. Sie präsentierte nicht nur Mozarts G-Dur-Violinkonzert (Nr. 3 KV 216), sondern auch Vaughan Williams‘ The Lark Ascending, ein Edelstein der Violinliteratur. Obwohl Mozarts G-Dur-Konzert
sehr oft zu hören ist, war diese Aufführung durch
Hilary Hahn ein ganz besonderer Moment höchster
Glückseligkeit. Das Instrument tönt von oben bis
unten sehr ausgeglichen und durch ihre Technik und
musikalische Ausdruckskraft klingt
die Musik lebendig, spritzig, elegant und
gefühlvoll abschattiert. Schon
im Kopfsatz mit der außergewöhnlichen Fülle
von kontrastierenden Themen wusste sie das
Publikum zu faszinieren, sodass einige nach
diesem Satz schon zu Begeisterungsgesten
ansetzten.
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Das Adagio mit seinem ausnehmend
innigen Charakter gelang durch die dezent eingesetzten
Flöten (anstatt der verwendeten Oboen in den schnellen
Sätzen) und die durchweg gedämpften Violinen, unter
der Begleitung leiser Pizzicati der Violoncelli und
Kontrabässe, zu überirdischer Entrücktheit. Das
abschließende Rondo gehört mit zu den ungewöhnlichsten
Finalsätzen und das nicht nur, weil Mozart ein
Liedthema, das als „Der Straßburger“ im späten 18.
Jahrhundert bekannt war, eingefügt hatte (daher wird
es auch schon mal als „Straßburger Konzert“
bezeichnet). Auffällig ist auch der fehlende,
auftrumpfende Finalgestus, weder solistisch noch
orchestral. Es verabschiedet sich ganz überraschend
und diskret.
Nach der Pause ließ Hilary Hahn die
Lerche von Vaughan Williams aufsteigen und dem
Auditorium sphärengleich den unendlich weiten Himmel
öffnen. Bei The Lark Ascending für
Violine und Orchester handelt es sich um eine durch
und durch romantische musikalische Stilisierung des
ekstatischen Lerchengesangs nach einem umfangreichen
Gedicht von George Meredith, aus dem zwölf Verse in
die Notenausgabe eingefügt wurden. Im Gegensatz zu der
eher starren und unflexiblen Struktur des Gedichtes
komponierte Vaughan Williams nicht nur den
stilisierten Gesang, den Ausdruck und das Gefühl für
Tier und Landschaft, sondern auch ihren Flug an sich;
und dieses musikalisch unglaublich frei und sich
verströmend. Dazu gehören die wiegenden
Siciliano-Rhythmen und das 2/4 Metrum des Mittelteils
mit pastoraler Stimmung, die pentatonischen Skalen und
die sparsam eingesetzten Dissonanzen. Auch die
Solokadenzen sind ohne Taktstriche notiert. Hilary
Hahn hat diese Freiheiten in großen Zügen genossen und
mit ihrem makellosen, perlmuttartigen Ton das ganze
Publikum verzaubert.
An dieser musikalisch so eindrucks-
und stimmungsvollen Interpretation hatte allerdings
auch die Camerata Salzburg unter der Leitung seines
Chefdirigenten Luis Langrée wesentlichen Anteil. Schon
bei den Intermezzi op. 12 für Streicher von
George Enescu zu Beginn des Konzertes ließ der
ausgesprochen intensiv gestaltete Streicherklang des
Orchesters aufhorchen. Von der Volksmusik seiner
rumänischen Heimat beeinflusst, schuf der junge George
Enescu zwei Miniaturen in D- bzw. G-Dur, die neben
kontrapunktischen Satztechniken vor allem durch ihren
elegisch-meditativen Ausdruck auffallen. Es ist
schade, dass diese Kleinode nicht öfter mal aufgeführt
werden.
Dass die Camerata Salzburg „ihren“ Mozart beherrscht, hatte sie beim Violinkonzert ja schon bewiesen. Was das Orchester und Luis Langrée schließlich bei der Jupiter-Sinfonie veranstalteten, war ganz großes Kino. Wohl jeder Mozartbegeisterte hat dieses Werk schon unzählige Male gehört und mehr oder weniger inspiriert erlebt. An diesem Abend jedoch waren alle guten Geister versammelt und gaben dem obersten der römischen Götter alle Ehre. Die Musik sprühte nur so vor Elan und Frische. Durch eine ausgefeilte Klanggestaltung (gerade bei den Bläsern), deutlich herausgearbeitete Kontraste zwischen kraftvollem Tutti und emotional nachdenklichen Passagen, Punktierungen, Phrasierungen und Binnendynamik, Spannungsbögen und rasante Tempozuspitzungen musste man aufpassen, nicht aus den Sitzen gerissen zu werden. Danach gab es nur eine Möglichkeit, etwas als Zugabe zu setzten: die Ouvertüre zu Figaros Hochzeit. Es war ein großartiger Auftakt der Herbstspiele. Ein Fest für Monteverdi ![]()
Mit dem „Fest für Monteverdi“
betrat man am folgenden Tag völlig andere musikalische
Welten. Das Programm war außerordentlich vielfältig
ausgewählt und präsentierte Madrigale, Concerti mit
Stimmen und Instrumenten sowie bedeutende
Opernszenen aus L´incoronazione di Poppea und
dem Orfeo.
Magdalena
Kožená und
So vielseitig wie die Stückwahl war auch die
gesangliche Zusammensetzung des Abends:
Katherine Watson, Lenneke Ruiten (Sopran), Magdalena
Kožená (Mezzosopran), Pascal Bertin (Countertenor),
Rolando Villazón, Topi Lehtipuu, Emiliano Gonzalez
Toro (Tenor) und Nahuel di Pierro (Bass). Emmanuelle
Haïm und das im Jahre 2000 von ihr gegründete
Ensemble „Le Concert d’Astrée“, die dieses Fest
mit einem Überblick über das unsterbliche musikalische
Erbe dieses großen italienischen Komponisten
gestalteten, waren die Hauptquelle aller Inspiration.Rolando Villazón Foto: manolo press Zu den großen Höhepunkten gehörten vor allem die Arie “Ecco di dolce raggi il sol armato” aus den Scherzi musicali. Gerade Rolando Villazón ist prädestiniert für solch emotionale Situation, in der ein Männerherz entflammt, nachdem es in die schönsten Augen geblickt hat, die es je sah. Neben dem “Lamento della ninfa” mit dem berühmten, sequenzierenden Viertonmotiv, das die Urzelle des Lamento-Gesangs der gesamten Musikgeschichte beeinflusste, war es das Lamento der Ottavia “Disprezzata regina” aus L‘incoronazione di Poppea, das Magdalena Kožená mit ihrer ganzen ausdrucksstarken Präsenz, beim Publikum so zu erschüttern wusste. Den größtmöglichen Kontrast dazu bildete das Finale “Pur ti miro” aus L’Incoronazione di Poppea. Es ist das erste große Duett der Operngeschichte und in seiner intimen Gestaltung immer noch eines der schönsten und ergreifendsten – vor allem, wenn Magdalena Kožená und Rolando Villazón sich so anschwärmen.
Auf
Flügeln des Gesangs ![]()
Foto:
G. Menzel
Die Sonntags-Matinee zum Thema
Lied war leider nur sehr schlecht besucht, obwohl
nicht nur das Programm, sondern auch die Ausführenden
mit dieser Veranstaltung eine erlesene Besonderheit
präsentierten. Eine Reise vom Frühbarock bis zur
Romantik, in der sich das Lied als singendes
Individuum unvermittelt ausdrückt.
Die sorgsam ausgewählten Werke stammten von der venezianischen Komponistin Barbara Strozzi, dem "Orpheus britannicus" Henry Purcell, ergänzt durch Kompositionen der Wiener Klassik von Josef Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven, bis hin zu den Romantikern Franz Schubert als Hauptvertreter der Liedgattung und Felix Mendelssohn Bartholdy. Zu den besonderen Beiträgen gehörten dabei die Einlagestücke aus Masques von Henry Purcell mit der Sopranistin Lenneke Ruiten, die schlichter und intim gehaltenen Strophenlieder von Wolfgang Amadeus Mozart mit dem Tenor Lothar Odinius, begleitet vom Lautenisten Yair Avidor (beide auf Stühlen sitzend). Als Kontrast dazu wirkte die als "Canzonetta" bezeichnete Komposition „Ridente la calme“ (eine Bearbeitung einer Opernarie des tschechischen Komponisten Josef Mysliveček, den Mozart sehr verehrte) gesungen von der Sopranistin Katherine Watson. Der Tenor Kresimir Spicer und der Pianist Thom Jannsen belegten deutlich hörbar, wie bei Franz Schuberts „Meeres Stille“ die Singstimme und die Klavierstimme zunehmend gleichberechtigt und zu einem individuellen künstlerischen Ausdruck werden lassen. Die Komposition „malt“ die „Tiefe Stille herrscht im Wasser, ohne Regung ruht das Meer, …Todesstille fürchterlich!“ in plastisch gezeichnete Bilder. Ein sehr großes Spektrum an Farben und Ausdrucksfähigkeit bewies die Mezzosopranistin Isabelle Druet. Mit dem von Barbara Strozzi komponierten Lamento „L’amante segreto“, einer Cantate, die dem Text sehr genau folgt und den Wechsel von deklamatorischen und ariosen Teilen und deren schmerzlichen Wendungen deutlich hörbar macht, beherrschte sie den Barockstil ebenso sicher, wie die dramatisch gestaltete, große und schauerliche Szene „Der Zwerg“ von Franz Schubert. Erschütternd gestaltete der Tenor Jörg Schneider die gruselige Geschichte vom Erlkönig. Sowohl der Pianist Thom Jannsen, als auch der Lautenist Yair Avidor hatten ihren großen Teil an dieser eindrucksvollen Reise mit Punktlandungen „Auf Flügeln des Gesangs“.
Katia
& Marielle Labèque
![]() Katia
& Marielle Labèque
Zu Beginn stand mit George Gershwins 1926 komponierten Three Preludes ein echter Klassiker auf dem Programm. Mit der Verschmelzung von Klassik und Jazz schuf Gershwin seinen persönlichen Stil und gab jedem seiner Preludes ein eigenen Charakter: Charleston, Blues und Foxtrott. Diese von Katia & Marielle Labèque gespielte vierhändige Fassung verfasste Gregory Stone (1910-1991), ein Oscar nominierter Komponist, der auch viele Broadway Shows arrangiert hatte. Die beiden Königinnen des Anschlags präsentierten diese drei Pretiosen Gershwins in sehr spielerischer und eleganter Weise.
Musik im Museum ![]() Foto:
G. Menzel
Am Montagabend gab es dann noch einen Nachschlag im Museum Frieder Burda: „Musik im Museum“. Mit Kunst, Musik und Literatur gab es eine musikalisch-literarische Annäherung an die Ausstellung von Gemälden Emil Noldes: „Die Pracht der Farben“. „Ich
liebe die Musik der Farben“, meinte Emil
Nolde, „die Farben sind meine Noten, mit
denen ich zu- und gegeneinander Klänge und
Akkorde bilde.“ Den literarischen Beitrag lieferten Ausschnitte aus der Autobiographie des Malers. Das musikalische Programm mit Werken für Klarinette und Klavier war ebenfalls eine Fundgrube für farbige, kräftig und auch dezent gestaltete Hörbilder. Es waren Kompositionen von Robert Schumann (Drei Fantasiestücke op. 73), André Messager (Solo de concours), Claude Debussy (Premiére Rhapsodie), Gabriel Fauré (Après un rêve op. 7) und eine Sonate (1962) von Francis Poulenc zu hören. Der
Klarinettist Dionysis Grammenos gehört zu
der aktuellen Season 2013/14 des
internationalen Förderprogramms „Rising
Stars“. http://www.concerthallorganisation.eu/rising-stars/20132014-season Mit seinem fabelhaft leichten
Ansatz, seiner kontrollierten Atemführung, einer
musikalisch sinngebenden Phrasierung und farbig
sensiblen Klangbildungen, gehört er schon jetzt zu den
führenden Klarinettisten des weltweiten Musikbetriebs.
Zusammen mit der einfühlsam und musikalisch gestaltenden Pianistin Karina Sposobina (Solo: Enrique Granados Quejas, o la maja y el ruisenor) bildeten sie ein gut aufeinander eingespieltes Duo, die der Farbkraft Emils Noldes ein akustisches Wahrnehmungsereignis entgegensetzten konnte. Dionysis
Grammenos: http://www.dionysisgrammenos.com/
Die
musikalisch sehr anspruchsvollen Werke
standen in größtem Kontrast zu den
autobiographischen Texten von Noldes.
Seine Selbstzeugnisse zeigen einen sehr
eigenen und unkonventionellen Schreibstil
und schildern seinen persönlichen und
künstlerischen Werdegang. Zu einem
bedeutenden Abschnitt seines Lebens
gehörte auch die Verfemung mit Mal- und
Ausstellungsverbot während der Nazizeit.
FAZIT Das kurze aber sehr vielseitige Programm von Claudio Monteverdi bis Philip Glass präsentierte ein Top-Ereignis nach dem anderen. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Das Programm 27.09.2013 Hilary Hahn George Enescu Zwei Intermezzi op. 12 für Streicher Wolfgang Amadeus Mozart Violinkonzert Nr. 3 G-Dur KV 216 Vaughan Williams "The Lark Ascending" Wolfgang Amadeus Mozart Sinfonie C-Dur KV 551 „Jupiter-Sinfonie" Hilary Hahn, Violine Camerata Salzburg Leitung Luis Langrée 28.09.2013 Ein Fest für Monteverdi “Altri canti di Marte e di sua schiera” aus Canti amorosi Sinfonia zu L´incoronazione di Poppea “Disprezzata regina” aus L‘incoronazione di Poppea “Interrotte speranza” aus Settimo libro di madrigali “Si dolce è l'tormento” “Chiome d’oro” “Tempro la cetra” aus Settimo libro di madrigali “Lamento della ninfa” “Zefiro torna” aus Scherzi musicali “Gira il nemico insidioso Amore” aus Canti guerrieri “Ecco di dolce raggi il sol armato” aus Scherzi musicali “O come sei gentile” aus Settimo libro di madrigali De “vi ricorda”à “tu sei morta – à dio » aus dem 2. Akt Orfeo “Pur ti miro” aus L’Incoronazione di Poppea “Hor che l’ ciel e la terra e ‘l vento tace” aus canti guerrieri Anonym Ciaccona di Paradiso, e dell’ Inferno Lenneke Ruiten (Sopran) Magdalena Kožená (Mezzosopran) Pascal Bertin (Countertenor) Rolando Villazón (Tenor) Topi Lehtipuu (Tenor) Emiliano Gonzalez Toro (Tenor) Nahuel di Pierro (Bass) Emmanuelle Haïm, Leitung
und Cembalo
29.09.2013 Auf Flügeln des Gesangs (Matinee) Barbara Strozzi „L’amante segreto“ op. 2 Nr. 6 Henry Purcell „Music for a while“ Z 583/2 „Sweeter than roses“ Z 585/1 Josef Haydn „Fidelity“ Hob.XVIa:30 „Piercing Eyes“ Hob.XVIa:35 Wolfgang Amadeus Mozart „Die Zufriedenheit“ KV 349 (367a) „Komm, liebe Zither, komm“ KV 351 (367b) „Ridente la calma“ KV 152 „An Chloe“ KV 524 Ludwig van Beethoven „Neue Liebe, neues Leben“ op. 75 Nr. 2 „Flohlied“ aus Goethes „Faust“ op. 75 Nr. 3 „Der Kuss“ op. 128 Franz Schubert „Guarda, che bianche lune“ D 688/2 „Mi oben ricordati“ D 688/4 „Meeres Stille“ D 216 „An Silvia“ D 891 „Gretchen am Spinnrade“ D 118 „Der Zwerg“ D 771 „Der Musensohn“ D 764 „Erlkönig“ D 328 Felix Mendelssohn Bartholdy „Auf Flügeln des Gesangs“ op. 34 Nr. 2 Musiker von Le Concert d’Astrée Lenneke Ruiten Sopran Katherine Watson Sopran Isabelle Druet Mezzosopran Kresimir Spicer Tenor Jörg Schneider Tenor Lothar Odinius Tenor Laute Yair Avidor Klavier Thom Jannsen 29.09.2013 Katia & Marielle Labèque George Gershwin "Three Preludes“ Arr.: Gregory Stone Philip Glass “Four mouvements for two pianos” Leonard Bernstein „West Side Story“ Arr.: Irwin Kostal Katia & Marielle Labèque Raphael Seguinier (drums) und Gonzalo Grau (percussion) 30.09.2013 Musik im Museum Robert Schumann „Drei Fantasiestücke“ op. 73 André Messager „Solo de concours“ Claude Debussy “Premiére Rhapsodie“ Gabriel Fauré „Après un rêve“ op. 7 Enrique Granados „Quejas, o la maja y el ruisenor“ (Klavier Solo) Francis Poulenc Sonate (1962) Dionysis Grammenos, Klarinette Karina Sposobina, Klavier |
- Fine -