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Bayreuther Festspiele 2013

Das Rheingold

Vorabend zum Bühnenfestspiel Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache

Premiere im Festspielhaus Bayreuth am 26.7.2013

Aufführungsdauer: ca. 2 h Stunden 30' (keine Pause)


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Bayreuther Festspiele
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Endstation Tankstelle

Von Roberto Becker / Fotos © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath


Am Ende gab es ein voreiliges lautstarkes Buh. Doch da war eher ein Selbstdarsteller am Werke, als dass ein Zuschauer im Festspielhaus die einhellige Meinung der Gemeinde auf den Punkt gebracht hätte. Wie sich das Publikum am Ende der Götterdämmerung zu Regisseur Frank Castorf stellen wird, bleibt abzuwarten. Das Regieteam stellt sich beim Ring immer erst am Ende dem Urteil. Bei der Musik herrschten nach dem Rheingold jedenfalls Jubel und Begeisterung vor. Etwas abgestuft bei den Sängern, aber doch überwiegend ungetrübt. Allen voran wurde der erleichtert lächelnde und entspannt wirkende Dirigent Kirill Petrenko gefeiert. Für einen Vorabend, der wunderbar transparent, mit geradezu kammermusikalischer Leichtigkeit seine Bahn vom Rheingrund-Wabern bis zum Einzug der Götter nach Walhall zog. Mit betörender Bescheidenheit, die sich allenfalls zu einem reflektierten Pathos aufschwang. Immer mit den Sängern, nie gegen sie.

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1. Szene: Die Rheintöchter (Mirella Hagen, Julia Rutigliano, Okka von der Damerau)

Wobei die vor allem da überzeugten, wo die vokale Intensität mit der darstellerischen einherging. Sowohl der Wotan von Wolfgang Koch als auch der Alberich von Martin Winkler hatten eine kurze Anlaufphase, in der man noch nicht sicher war, was dabei herauskommen würde. Aber gerade die beiden entfalteten mit tadelloser Eloquenz ein darstellerisches Charisma, das geradezu mitriss.

Womit man schon bei der eigentlichen Überraschung dieses Abends ist: Volksbühnenchef Frank Castorf ist ja für seine ausgeprägte Vorliebe für überlange Stücke bekannt und berüchtigt. Also zumindest insofern für den Ring geeignet. Doch das gängige Vorurteil, dass die dafür erforderliche Spezies von Darstellern, die sich auf seine doppelbödigen und gedoppelten Bühnenwelten rückhaltlos einlassen und darin leben kann, bei Sängern nicht zu finden ist, widerlegt er mit diesem Rheingold schlagend! Angeblich zu kurze Probenzeiten hin oder her, und ganz gleich, ob man nun gerne selbst in diesem „Golden Motel“ an der sagenhaften „Route 66“ einchecken würde oder doch lieber nicht: Was dort passiert, wird so spannend erzählt wie in einem Stück von Tennessee Williams.


Vergrößerung in neuem Fenster 2. Szene: Ensemble

Nicht nur, weil der famose Günther Groissböck als Prolet Fasolt eine so bedrohlich virile Ausstrahlung mit seinem verschwitzen Unterhemden-Sexappeal hat wie Stanley Kowalski. Diese Südstaaten-Opernvariante einer typischen Castorf-Bühne mit ihrer Mischung aus (permanent per Video nach draußen, auf die große Reklametafel auf dem Dach übertragenem) Innerem und Äußerem, die Aleksandar Deni? da als Abstiege samt Tankstelle auf die Dreh-Bühne gesetzt hat, ist geradezu ein Wurf. Sie bringt eine Idee auf den Punkt. Endzeit-stimmungsvoll. Offen–assoziativ. Und sogar Drehbühnen-praktisch. Man könnte einwenden, dass sie sich manchmal arg drängeln. Gerade wenn sich alle im einzigen, einigermaßen akzeptablen Zimmer der Motel-Absteige (mit Radio, Color TV und Wifi) versammeln, in dem Wotan sich am Anfang mit seinen beiden Frauen (Fricka, mit Vehemenz: Claudia Mahnke und Freia, etwas leichtgewichtiger: Elisabet Strid) auf dem Doppelbett wälzt. Aber es bleibt selbst in dieser auf den Zuhälter-Nenner gebrachten Welt immer noch ein oben und unten und erkennbar. Und auch ein einst und jetzt.

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2. Szene: Fafner (Solin Coliban) und Fasolt (Günther Groissböck)

Dabei entfaltet Castorf erstaunlich viel Witz. Wenn sich die nicht nur von Natur aus attraktiven, sondern auch noch für‘s horizontale Gewerbe „professionell“ aufgedonnerten und stimmlich exzellenten Rheintöchter (Mirella Hagen, Julia Rutigliano und Okka von der Damerau) am Pool abkühlen, werden sie vom schwitzenden Publikum amüsiert beneidet. Und belächelt, wenn sie lasziv in ihre Riesenbratwürste beißen. Auch, dass Alberich erst dann in den Pool hechtet, wenn er einen Rettungsring und ein gelbes Quietsche-Entchen hineingeworfen hat, um sich das Gold (das wie eine Isoplane aussieht) zu holen, hat Witz. Sogar eine kleine Erinnerung an sein Volksbühnenmarkenzeichen von anno dunnemals, den Kartoffelsalat, gönnt sich Castorf, wenn sich Alberich selbst den Senf für die Würste auf die Brust schmiert. Alberich als ganz spezielles Würstchen. Aber das funktioniert, weil es spielerisch auf leichten Sohlen durch die Hintertür der Assoziationen daher kommt. Amüsant ist auch, wenn man der einen Rheintochter von den Lippen ablesen kann, was Wotan ins Telefon zurückbrüllt, nachdem sie den Verlust des Rheingoldes vermeldet hatte. „Du spinnst wohl“ sagt sie. Und man fragt sich, wie wohl Wotans Kommentar zu der Verlustmeldung war…

Der Auftritt von Erda wird bei der dunkel strömenden Nadine Weissmann zu einem erotischen Kabinettstück. Sie legt ihren weißen Pelz ab und haucht im eleganten Glitzerfummel Wotan so erotisch etwas von seinem bevorstehenden Ende ins Ohr, dass der sofort für diese Schönheit entflammt und sie noch an Ort und Stelle (dass die Gattin auch im Motel ist, ist ihm völlig egal) verführt. Oder sich verführen lässt. Was man so noch nie gesehen hat. (Hier haben wir endlich einmal gesehen, dass Brünnhilde auch nicht vom Klapperstorch gebracht wurde...)

Vergrößerung in neuem Fenster 3. Szene: Alberich (Martin Winkler), Loge (Norbert Ernst) und Mime (Burkhard Ulrich)

In diesem Golden Motel treiben sich aber auch noch andere zwielichtige Gestalten herum, die sonst im Rheingold nicht vorkommen. So gibt es einen beflissenen Tankwart und Barkeeper und eine Zombiehippietruppe, die auch beim Goldverladen hilft. Und es gibt sogar dieses Gold, mit dem Freia ausgelöst wird. Schön amerikanisch in Barrenform. Damit wird die von Fasolt in schwarz-rotes Latex-Outfit verfrachtete Freia auf dem Bettgestell tatsächlich verdeckt. Es gibt auch eine richtige Schlange (Vorteil der Filmtechnik), die im Nibelheimwohnwagen (den der zwar ölschwarz angemalte, aber stimmlich blasse Mime von Burkhard Ulrich hütet) über das Gold kriecht. Und auch eine richtige Kröte, die ebenda quakt. Und es gibt sogar ein richtiges Ring-Schmuckstück für den machtgierigen Finger.

Doch wenn die Götter in Walhall einziehen, dann ist das die pure Illusion. Nur ein Durchatmen in der Hitze der Südstaatenacht auf dem Dach von Motel und Tankstelle. Zur musikalischen Behauptung der Götterburg bringt Castorf Loges Zweifel am guten Ausgang, sein „ihrem Ende eilen sie zu“, auf den Bilderpunkt. Wenn Norbert Ernst als auch stimmlich eher windiger als diabolischer Papparazzo-Typ im roten Anzug und mit schwarzer Lockenperücke am Ende wieder einmal mit seinem Feuerzeug spielt und beinahe die Tankstelle in Luft jagt, dann ist das illustrierend. Wenn dann aber das Wahlhallmotiv vom Klagen der Rheintöchter unterbrochen wird, und man die drei famosen Frauen auf dem Riesenbildschirm überm Motel unter Wasser sieht, dann konterkariert dieses Bild die Musik. Ob sie nur entspannt tauchen oder ihnen womöglich für immer die Luft ausgeht, ist nicht ganz auszumachen. Eine prachtvolle Götterburg oder was auch immer Zuhältertypen wie dieser Südstaaten-Wotan aus den 60ern dafür halten, sieht jedenfalls anders aus. Und eine Auftaktkatastrophe oder von Anfang an verfahrene Ring-Kiste auch.


FAZIT

Der Ring-Auftakt mit dem Rheingold war alles in allem vielversprechend. Regisseur Frank Castorf wendet seine Mittel souverän auf die Oper an. Die Personenführung überzeugt, die vokalen Leistungen halten überwiegend mit. Kirill Petrenko wurde zurecht bejubelt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kirill Petrenko

Inszenierung
Frank Castorf

Bühnenbild
Aleksandar Denic

Kostüme
Adriana Braga Peretzki

Licht
Rainer Casper

Video
Andreas Deinert
Jens Crull

Statisterie und Orchester
der Bayreuther Festspiele


Solisten

Wotan
Wolfgang Koch

Donner
Oleksandr Pushniak

Froh
Lothar Odinius

Loge
Norbert Ernst

Alberich
Martin Winkler

Mime
Burkhard Ulrich

Fasolt
Günther Groissböck

Fafner
Sorin Coliban

Fricka
Claudia Mahnke

Freia
Elisabet Strid

Erda
Nadine Weissmann

Woglinde
Mirella Hagen

Wellgunde
Julia Rutigliano

Flosshilde
Okka von der Damerau





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