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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Die Musik rettet die AufführungVon Christoph Wurzel, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico NawrathWenn es nur nach dem Gesang ginge, müsste Sentas Wahl auf Erik fallen. Denn Tomislav Muzek hat sängerisch im wieder aufgenommenen Fliegenden Holländer der diesjährigen Festspiele auf jeden Fall am meisten zu bieten. In der Rolle des verschmähten Bräutigams ist der kroatische Tenor in diesem Jahr der vokale Glanzpunkt in der noch düsterer gewordenen Inszenierung von Jan Philipp Gloger. Aber eine solche, einfache Lösung ist ja in der Oper nicht vorgesehen, sondern – und die Inszenierung unterstreicht dies noch mit großem Nachdruck – Senta weiß sich zur Erlösung des „Verdammten der Meere“ berufen. Einfach weil auch sie sich nicht zu dieser Gesellschaft gehörig fühlt, weil auch sie sich, wie der Holländer, dem Zwang der merkantilen Erwerbsgesellschaft entziehen will: sie in freier Entscheidung als Künstlerin, er als gefühlloser Anämiker aus Ekel vor globaler Ökonomie und permanentem Profitinteresse. Voll Überdruss hat ihn das Meer der Daten und Bilanzen ans Land geworfen.
"Ist’s Täuschung? Wahrheit?
Ist es Tat?“ Zwei starke Szenen gibt es in dieser Inszenierung: gleich zu Beginn das Auftauchen des Holländers aus dem Geflacker der blitzenden Leitungsstränge der Superplatinen, mit denen Christof Hetzer die Bühne umstellt hat und im dritten Akt die Kavatine des Erik, der mit alten Fotos zum letzten Mal Sentas Erinnerungen an alte, bessre Zeiten ihrer Beziehung wachzurufen versucht. Wie man weiß, ist das vergebens: Senta ist auf den Holländer fixiert, den sie sich bereits vor ihrer Ballade als Kunstfigur gebastelt hat, eine Puppe aus Pappe in erschreckender Hässlichkeit, die sie mit schwarzer Farbe bemalt. Zwei Szenen, die in ihrer atmosphärischen Dichte zu bannen vermögen. Der Rest aber bleibt dröge und schal. Zwar ist das eher Kindische und Alberne, das an dieser Produktion im ersten Jahr moniert wurde, anscheinend reduziert, aber die Chorbehandlung frönt der Karikatur noch immer ziemlich unbeholfen und die Ironisierung von Dalands Geldgier samt seines assistierenden Steuermanns, der dessen Gesten beflissen imitiert, macht diese Figuren auch nicht zu glaubwürdigen, lebendigen Bühnen-Charakteren. Gut, dass beide Rollen wenigstens gut gesungen werden; von Franz-Josef Selig, der hier einen als unermüdlich auf Profit lauernden Kleinunternehmer darstellen soll, den er stimmlich markant präsentiert und von Benjamin Bruns, der mit offener, heller und klarer Höhe die Klippen seiner Partie souverän umschifft.
„Liebe? – Ach nein, die
Sehnsucht nach dem Heil“ Die Inszenierung krankt daran, dass sie ihr Konzept mitunter mit dem Zeigefinger ans Publikum bringen will, wie mit den kollektiv vorgezeigten Edelklamotten als Mitbringsel der Seeleute für die daheim gebliebenen „Mädel“, die hier natürlich auch kein Garn mehr spinnen, sondern Klein-Ventilatoren einpacken. Sie krankt daran, dass sie die Macht der romantischen Urgewalt, die vom Schicksal des Holländers und seiner Mannschaft in dieser Oper ausgeht, bagatellisiert. Einen schwarzen Rollkoffer hinter sich herzuziehen, macht eben noch keinen Verdammten aus. Da muss Samuel Youn viel Stimmgewalt aufbringen, um seine Rolle wenigstens stimmlich auszufüllen. Das gelingt gut, aber die mögliche breite Farbpalette, die ein packendes vokales Portrait des Holländers malen würde, kommt nur sparsam zum Einsatz, die stimmlichen Valeurs sind ähnlich farbenarm wie Sentas Bild von ihm. Deren Rolle hat in diesem Jahr Ricarda Merbeth übernommen. Der äußeren Strenge, die die Regie ihr durch Kostüm und Gestaltung zugewiesen hat, entspricht ihre stimmliche Durchschlagskraft, in der Herbheit, bisweilen auch Schärfe, ebenso aber auch ein feines Piano sich zu einer Einheit runden. So kommt die Sängerin dem Ideal dieser Rolle vokal durchaus sehr nahe. Und auch Christa Meyer zeigt als Mary starke Präsenz in ihrer Rolle, die durch die Anspielung einer offenbar verdrängten intimen Affinität zum Holländer einen interessanten Akzent bekommt.
"Mein Mädel, ich bin da. Hurrah!“ Die szenische Chorregie hat außer Karikatur dagegen wenig zu bieten, dafür singt der Festspielchor in gewohnt bester Qualität, stark und präzise. Textverständlichkeit ist Trumpf, wie auch bei den Solisten. Einer der Vorzüge dieser Aufführung! Das größte Plus jedoch ist das Orchester. Christian Thielemann hat sich so perfekt mit der Bayreuther Akustik verbündet, dass sich der Klang so transparent wie möglich, aber auch so mächtig wie nötig ausbreiten kann. Die Musik braucht nicht bloße Lautstärke um zu überwältigen, sondern sie erreicht ihre Wirkung durch Intensität und kalkulierte Dynamik. So gelingt musikalisch das romantische Gefühls-Drama, das man sich auf der Bühne bloß denken kann.
Szenisch erreicht diese
Aufführung nur sehr bedingt Festspielniveau. Das Konzept wird deutlich,
irrlichtert aber zwischen szenischem Realismus, neckischer Ironisierung
und verquaster Symbolik hin und her. Die Rettung kommt freilich aus dem
Graben, dem einzigen mystischen Abgrund dieses Abends. |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Video
Chorleitung
Dramaturgie
Orchester der Solisten
Daland
Senta
Erik
Mary
Der Steuermann
Der Holländer
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- Fine -