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Neuland unter'm ÖlbohrerVon Roberto Becker, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Bühnenbildner Aleksandar Denic wartet auch in der Walküre mit einem kongenialen und Castorf-affinen Bühnenbild auf. Es sieht zwar ganz anders aus als das Golden Motel aus dem Rheingold, hat aber doch alle Merkmale jenes bewährten Volksbühnen-Modells, bei dem noch jede Geschichte in eine Behausung eingeschlossen wird, um dann auch das, was darin zwischen den Akteuren so abläuft, live zu filmen und nach draußen zu übertragen. Es ist sicher kein Zufall, sondern eher dialektische Hinterlist, dass die hölzerne Bohrstation, die jetzt die Drehbühne füllt, die Umrisse einer Kirche hat und der Bohrturm einem Kirchturm ähnelt. Nur, dass den kein Kreuz ziert, sondern im dritten Aufzug zwei rote Sowjetsterne oben funkeln. Es ist aber zugleich unübersehbar ein Ort knallharter Ausbeutung von Natur und Mensch. Trotz der Propagandafilme und -sprüche, die den neuen Menschen zeigen, wie er die Natur bezwingt. Und der sowjetischen Parteizeitung Prawda, die ein Funktionär in Rednerpose ziert. Zu Castorfs aparter Dialektik passt auch, dass die Revolte, die die schon im Rheingold an der Route 66 abhängende Zombie-Hippietruppe jetzt, mit der Fahne in der Hand, vor dem Walkürenritt anzettelt, putinpraktisch mit einer Dosis Gas beendet wird.
1. Aufzug: Sieglinde (Anja Kampe) und Siegmund (Johan Botha)
Für den Aufmarsch der Walküren zu Beginn des dritten Aufzuges liefert die große Terrasse, auf der schon Sieglinde für Hunding eingedeckt hatte, genügend Raum. Außerdem verteilen sich die kriegerischen Damen noch auf den Treppen und lassen ihre Kampfrufe auch von da erschallen. Leider nicht alle mit der gleichen Durchschlagskraft wie Allison Oakes als Gerhilde, aber im Ganzen doch eindrucksvoll. Zumal auch die Kostüme von Adriana Braga Peretzki ziemlich üppig geraten sind. Eine Melange aus Oberschichten- und Kämpferinnenfolklore. Das macht optisch gewaltig was her. Außerdem sieht die Frauentruppe auf den ersten Blick nicht so aus, als würde sie sich von einem Mann etwas sagen lassen. Sie ähneln eher der exotisch fürstlichen Würde des Gewandes, in dem Fricka ihrem Mann entgegen getreten war, als sie von ihm die Einhaltung der Gesetze fordert. Bei diesem exemplarischen Ehe-Streit darüber, was sich Wotan so herausnehmen kann, erkennt man auch ihn zunächst kaum wieder. Da hat er nämlich einen langen Rauschebart und sieht aus wie von Dostojewski erfunden.
Doch der Bart ist schnell wieder ab. Und auch mit diesem angedeuteten Ausflug ins vorsowjetische Aserbaidschan hat es sich bald. Schon bei Hunding, im ersten Akt, hatte es diesen biographischen Zeitsprung gegeben. Wenn der nach Hause kommt und Sieglinde mit ihrem sonderbaren Gast überrascht, dann sieht er mit seinem Zylinder aus wie ein Ölbaron. Wenn Sieglinde dann diese Kopfbedeckung auf dem Kohlkopf ablegt hat, den ihr Mann an der Spitze eines Speers mit sich führte, und sein Profil auf einer Leinwand in Großaufnahme erscheint, dann erinnert er schnell an Stalin persönlich. Die ganze Bühnenarchitektur ist so unheimlich wie die Zeit und die Weltgegend, in die sie verfrachtet wurde. Wer kyrillisch lesen kann, hat einen kleinen Vorsprung beim Entschlüsseln der Propagandalosungen auf dem Dach des Holzschuppens hinter dem hölzernen Ölbohrturm. Aber nur einen kleinen.
2. Aufzug: Wotan (Wolfgang Koch) und Fricka (Claudia Mahnke)
Wenn das Rheingold bei Castorf die verlorene Illusion der Freiheit war, so ist dieses Walküren-Aserbaidschan die ins XL-Format gezimmerte verlorene Utopie vom neuen Menschen. Dass auf den Ölfeldern der einstigen Sowjetrepublik dabei der dortige Gründer- und Entdeckerboom des 19. Jahrhunderts mit der stalinistischen Ära überblendet wird, ist das eine. Dass es natürlich trotzdem eigentlich um die unmögliche Liebe zwischen Siegmund und Sieglinde, die göttliche Strafe für den Tabubruch und Brünnhildes Auflehnung dagegen und ihre Bestrafung für den wissenden Trotz geht, das andere.
Castorf verweigert ziemlich konsequent die brave Nacherzählung. Dass es aber, anders als im Rheingold, in der Walküre stellenweise rumstehkonventionell zugeht, mag auch daran liegen, dass Johan Botha (Spitzentenor, aber die darstellerische Verweigerung schlechthin) als Siegmund den ganzen ersten Aufzug trägt (respektive lähmt). Natürlich fasziniert er mit seiner mühelosen Kraft bei den Wälserufen und vermag auch schwelgerisch in das Liebesduett mit Sieglinde einzusteigen. Doch sein Spiel ist eine einzige Verlegenheit von wenigen Gesten und Blicken. Mit ausgebreiteten Armen dastehen und einfach drauflos singen, das wäre selbst in jeder konventionellen Operninszenierung zu viel respektive zu wenig.
Doch seine Kollegen widerlegen die Mär von der Krise des Wagnergesangs als Sängerdarsteller. Anja Kampe ist eine wunderbar leuchtende und aufgewühlt spielende Sieglinde an seiner Seite. Franz Josef Selig stattet Hunding mit einer mustergültigen Durchschlagskraft aus. Wolfgang Koch ist wiederum ein nobler Wotan mit exzellenter Diktion, der seine Kräfte klug einzuteilen versteht. Claudia Mahnke fügt ihrer Rheingold-Fricka eine ebenso überzeugende Walküren-Fricka hinzu. Mit Spannung wurde Catherine Fosters Brünnhilden-Debüt erwartet. Sie faszinierte mit einer zarten lyrischen Brünnhilde. Das war einigen wenigen Zuschauern am Ende des zweiten Aufzuges zu wenig. Petrenko hatte die Foster wohl tatsächlich ein Spur zu sehr ausgebremst. Dafür geriet dann der dritte Aufzug für die Sopranistin zu einem Triumph.
Musikalisch bietet Kirill Petrenko auch in seiner Walküre eine musikalische Ring-Exkursion der Luxusklasse. Ohne vordergründiges Pathos, mit viel Sinn fürs transparente Detail und die musikalische Rede, die Transparenz des Klanges. Dynamisch spannend bei der Sturmmusik, mit Hineinlauschen ins Lyrische, zart in der Todesverkündigung, aber auch mit Verve beim Walkürenritt oder mit großer Geste bei Wotans Abschied.
Mit seiner Walküre vollzieht Frank Castorfs einen Sprung in eine andere Epoche und an ein anderes Ende der Welt. Er bleibt dem Öl und seiner Wirkung auf der Spur- produziert dabei interessante Überblendungen aber auch jede Menge offene Fragen. Musikalisch bleibt Kirill Petrenko der souveräne Herr im Graben. Das vokale Niveau ist hoch das darstellerische differenziert.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Video Solisten
Siegmund
Hunding
Wotan
Sieglinde
Brünnhilde
Fricka
Gerhilde
Ortlinde
Waltraute
Schwertleite
Helmwige
Siegrune
Grimgerde
Rossweiße
Weitere Informationen erhalten Sie von den Bayreuther Festspielen (Homepage) Weitere Rezensionen von den Bayreuther Festspielen 2013 |
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