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Bayreuther Festspiele 2013

Lohengrin

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache

Aufführung im Festspielhaus Bayreuth am 5. August 2013
(2. Aufführung im Rahmen der Bayreuther Festspiele 2013 - Premiere der Produktion: 25. Juli 2010)

Aufführungsdauer: ca. 5 h Stunden 40' (zwei Pausen)


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Bayreuther Festspiele
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Ratloser Held wie von einer anderen Welt

Von Stefan Schmöe, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath


Man hat sie inzwischen ja irgendwie lieb gewonnen, die Ratten, die das Bild dieses Lohengrin prägen. Die Chöre im Rattenkostüm – das war im Premierenjahr in seinem Überraschungsmoment provokativ, das hat sich aber von Jahr zu Jahr stärker als vielschichtige Metapher herausentwickelt, mit der die Regie den martialischen, allzu schnell jubelbereiten Ritterchören wirkungsvoll das Pathos nimmt. Wenn die Choristen beim Erscheinen des seltsamen Fremden die Rattenhaut ablegen, darunter goldgelbe Anzüge erscheinen, dann klingt farblich nach dem Schwarz-Weiß-Rot des Kaiserreichs das republikanische Schwarz-Rot-Gold an, und das gibt unterschwellig eine Ahnung von den Möglichkeiten, die dieser Schlüsselmoment der Oper bereit halten könnte. Der sargartige Behälter, in dem der Schwan der hinter Lohengrin hereingetragen wird, verheißt dagegen eine düstere Zukunft. In solchem Assoziationsreichtum wirkt die Inszenierung von Hans Neuenfels schlüssiger, konzentrierter als im Premierenjahr. Die viel gepriesene „Werkstatt Bayreuth“ mit der Idee, Regiekonzepte weiterzuentwickeln (was oft genug ein leeres Versprechen war, oder noch schlimmer: Unter der Ägide überforderter Regieassistenten verloren andere Inszenierung mit jedem Jahr an Kontur), das funktioniert hier offensichtlich gut. Die Personenregie ist im vierten Jahr der Produktion sehr konsequent und genau gearbeitet. Die Schlüsselszenen, die großen Dialoge, hat Neuenfels packend in Szene gesetzt, alles Überflüssige getilgt. Requisiten sind gezielt eingesetzt und haben (oft mehrschichtige) metaphorische Bedeutung.

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Vorspiel: Bayreuths Tenorheld Klaus Florian Vogt (Lohengrin) erscheint

Neuenfels bleibt ganz nah am Stück, deutet nichts um, stülpt keine Botschaft über, sondern geht (man kann das getrost „werktreu“ nennen) den zentralen Fragen nach – den Utopien und Sehnsüchten, die sie alle haben, Lohengrin wie Elsa, Telramund und Ortrud wie die Soldaten in den Chören. Die Bilder, die Ausstatter Reinhard von der Thannen und er dafür gefunden haben, sind modern, spielen aber mit den Motiven der Romantik – natürlich immer wieder mit dem Schwan (auch Elsa und Ortrud erscheinen im zweiten Aufzug als weißer und schwarzer Schwan), mit der gebrochenen Kutsche für die gescheiterten Ortrud und Telramund. Selbt das christliche Kreuz findet kurz seinen Platz. Aber alles nur Illustrative ist getilgt. Wie Elsa und Lohengrin dann miteinander ringen, aneinander scheitern, das ist bewegend – und abgrundtief traurig. So kühl und distanziert beobachtend sich das Bühnenbild gibt, so emotional ist das, was sich darin abspielt.


Vergrößerung in neuem Fenster 1. Aufzug: Elsa in Bedrängnis

Hier steht aber auch ein Ensemble auf der Bühne, das nicht nur exzellent spielt, sondern absolut festspielreif singt. Allen voran Klaus Florian Vogt, dessen Lohengrin ein Ereignis ist. Die Stimme hat etwas Ätherisches, Schwereloses, ist dabei gar nicht einmal einfach nur hell, sondern durchaus farbenreich und auch groß. Bei den hellen Vokalen „e“ und „i“ ist auch (nicht immer angenehme) Schärfe beigemischt, vor allem auf dem „a“ aber kann sich ein Klang von Atem raubender Schönheit entwickeln. Bei den leisen Stellen kann Vogt zaubern, aber auch die dramatischen haben heldische Kraft. Und dann gelingen ihm immer wieder magische Momente, in denen diese Figur nicht von dieser Welt zu sein scheint. „Alljährlich naht vom Himmel eine Taube / um neu zu stärken seine Wunderkraft“ - diese Zeile aus der Gralserzählung, das sei hier exemplarisch angeführt, wird das Wunder in Tönen erlebbar. Dass Vogt auch noch ein attraktiver Darsteller ist, wird beinahe zur Nebensache.

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2. Aufzug: Schwarz-weißes Frauenpaar mit Schwan - Annette Dasch (Elsa, links) und Petra Lang (Ortrud)

Annette Dasch ist eine Elsa der (sehr intensiv gesungenen) leisen Töne; die nicht ganz ausgewogene Lautstärkebalance mit Vogts viel üppigerem Lohengrin ist ein kleines Manko. Dabei hat die lyrisch grundierte Stimme genug Kraftreserven, kann auch unangestrengt „aufdrehen“, wobei die Sängerin immer auf „schönen“ Klang achtet. In der Interpretation ist das eine sehr moderne, zu Beginn introvertierte, später zunehmend selbstbewusst fordernde Frau. Die Ortrud erscheint phasenweise wie ihr schwarzes Spiegelbild, vielleicht die Nachtseite der Figur. Auch Petra Lang klingt nicht wie ein hochdramatischer Sopran (dabei hat sie auch die Brünnhilden im Repertoire), die nicht allzu schwere, durchweg gesanglich geführte und nie in Schreierei verfallende Stimme ergänzt sich gut mit der von Annette Dasch, lässt an den ganz exponierten Stellen aber etwas an Wucht vermissen. Thomas J. Mayer ist ein heldenbaritonaler, großformatiger Telramund, stellenweise allerdings arm an Klangfarbe, aber sorgfältig auf den Textsinn achtend. „So zieht das Unheil in dies Haus“: Da klingt bei Mayer auch das Entsetzen mit. Dieser Telramund ist eine gebrochene Figur. Wilhelm Schwinghammer singt einen jugendlichen und hell-baritonalen König mit klar fokussierter, nicht zu kleiner Stimme – die Pappkrone zeigt seine Machtlosigkeit (in der Tat ist er ja nicht einmal in der Lage, den Gerichtsprozess zu führen, sondern überlässt das einem Gottesurteil). Phänomenal ist der Heerrufer von Samuel Youn – eine unerschütterlich große, klare Stimme, nicht auftrumpfend, sondern ganz selbstverständlich und mit gewaltiger Autorität, dabei rollengemäß emotionslos.


Vergrößerung in neuem Fenster 3. Aufzug: Das Volk, beinahe in den Farben des Kaiserreichs

Andris Nelsons am Pult des sehr guten Festspielorchesters dirigiert einen „romantischen“, sehr organischen Lohengrin mit sorgfältig und großflächig disponierten Steigerungen, nie vordergründig oder auf oberflächlichen Effekt bedacht, sehr plastisch im Detail. Die Holzbläser haben die Freiheit zu frei atmenden Kantilenen, aber das ist immer genau abgestimmt auf das Bühnengeschehen. Weder drängt sich Nelsons in den Vordergrund, noch liefert er einfach nur die Begleitmusik - er trägt die Sänger, weiß aber auch die Akzente zu setzen. Sehr klangschön und nuanciert singt der Festspielchor, warm und tragfähig in den Piano- und Pianissimo-Passagen, mit großer Durchschlagskraft im Forte – das kann am Ende der großen Steigerungen dann auch schon mal allzu massig werden und einiges an Transparenz und Klangfarbe kosten. Vielleicht wäre da eine etwas reduzierte Chorbesetzung angebrachter.


FAZIT

Szenisch wie musikalisch eine der besten Produktionen der jüngeren Bayreuther Festspielgeschichte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Andris Nelsons

Inszenierung
Hans Neuenfels

Bühnenbild und Kostüme
Reinhard von der Thannen

Licht
Franck Evin

Video
Björn Verloh

Dramaturgie und Regie-Mitarbeit
Henry Arnold

Choreinstudierung
Eberhard Friedrich

Statisterie, Chor und Orchester
der Bayreuther Festspiele


Solisten

König Heinrich
Wilhelm Schwinghammer

Lohengrin
Klaus Florian Vogt

Elsa von Brabant
Annette Dasch

Friedrich von Telramund
Thomas J. Mayer

Ortrud
Petra Lang

Der Heerrufer des Königs
Samuel Youn

1. Edler
Stefan Heibach

2. Edler
Willem Van der Heyden

3. Edler
Rainer Zaun

4. Edler
Christian Tschelebiew

Edelknaben
Kitty de Geus
Anja Ulrich
Zuzanna Foremska
Johanna Dur

Edeldamen
Sharona Applebaum
Cosima Henseler
Stephanie Dasch
Gisela Pohl
Theresa Derksen-Bockermann
Jessica Leary
Gabriele Neugebauer
Christine Hallereau
Raquel Luis
Dörthe Rohlfing
Alice Rath
Ina Gasciarino


Lohengrin in der Regie von
Hans Neuenfels - unsere Rezension
von 2010 - 2011 - 2012


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