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Keep on trockingVon Thomas Molke / Fotos von Sascha VaughanMit Männer-Ballett assoziieren wahrscheinlich viele unwillkürlich Karnevalsveranstaltungen, bei denen sich bisweilen wohlbeleibte Herren in ein rosafarbenes Tutu zwängen und mehr schlecht als recht die hohe Kunst des Spitzentanzes karikieren. Wer mit dieser Vorstellung eine Veranstaltung der Trockaderos besucht, muss umdenken. Zwar handelt es sich hierbei auch ausschließlich um männliche Tänzer, die ebenfalls in Frauenrollen und damit in klassische Tutus schlüpfen, die hohe Kunst des Spitzentanzes aufgrund ihrer klassischen Ausbildung allerdings in äußerster Perfektion beherrschen und zwischen persiflierenden Momenten immer wieder erkennen lassen, dass sie den Tanz durchaus ernst nehmen und nicht nur karikieren. Des Weiteren täuscht der Name der Company. Mit Monte Carlo hat die Truppe aus New York überhaupt nichts zu tun. Wahrscheinlich haben sie dort noch nicht einmal gastiert. Wenn man jedoch seine geistige Heimat in der Blütezeit des imperialen russischen Balletts verortet, dann klingt Monte Carlo, wo so viele emigrierte russische Ballerinen während der bolschewistischen Revolution gelandet sind, allerdings mondäner als Hoboken, New York. Das Ensemble des Ballets Trockadero de Monte Carlo Gegründet wurde die Company 1974 von einer Gruppe Ballett-Enthusiasten, die sich vorgenommen hatten, klassisches Ballett mit einem amüsant vergnüglichen Augenzwinkern in parodistischer Form von männlichen Tänzern präsentieren zu lassen. Da aber jeder Pas de deux und die meisten klassischen Ensembles nun mal Ballerinen einfordern, mussten natürlich auch die Partien der Tänzerinnen übernommen werden. Was zunächst in späten Nachtshows in speziellen Lofts Off-Off Broadway entstand, sprach sich so schnell herum, dass die Trocks, wie sie liebevoll genannt werden, bereits in der Spielzeit 1975/76 ein professionelles Management suchten und die erste ausgedehnte Tournee durch Kanada und die USA unternahmen. Seitdem gastierten sie in 34 Ländern und mehr als 500 Städten und erhielten zahlreiche Auszeichnungen, so beispielsweise den prestigeträchtigen britischen "Critic's Circle National Dance Award" 2007 in der Kategorie "Bestes klassisches Repertoire" und den italienischen "Positano Premia la Danza - Leonide Massine"-Preis 2007 in der Kategorie "Herausragende Tanzdarbietung". Nach ihrem ausverkauften Köln-Debüt vor zehn Jahren haben die Trocks nun im Rahmen des 26. Kölner Sommerfestivals erneut den Weg in die Domstadt am Rhein gefunden. Für ihren Auftritte nehmen die Tänzer jeweils eine weibliche und männliche Identität an, die in der Namensgestaltung zum einen bereits den persiflierenden Charakter der Darbietung beinhaltet, zum anderen der jeweiligen Figur auch gewisse Charakterzüge zuweist, die sich dann in der tänzerischen Darbietung widerspiegeln. So ist es sicherlich kein Zufall, dass der "Dying Swan", bei dem im Programmheft darauf hingewiesen wird, dass noch nicht klar sei, ob dieses Stück in der jeweiligen Vorstellung präsentiert werden könne, da es von der Laune der Primaballerina abhänge, von einem Tänzer unter dem Pseudonym Ida Nevasayneva zum Besten gegeben wird. Amüsant lesen sich in diesem Zusammenhang auch die fingierten Künstlerbiographien, die dann beispielsweise Sonia Leftova als "die Verlassene", Marina Plezegetovstageskaya als "die Geächtete" oder Yakatarina Verbosovich als "die Geschwätzige" beschreiben oder den Legupski Brüdern attestieren, zwar weder Russen zu sein, noch eine Pirouette von einem Jeté unterscheiden zu können, dafür allerdings sehr gut in die Kostüme zu passen und sich auch einigermaßen hübsch und nett bewegen zu können. Die vier kleinen Schwäne Den Anfang macht der 2. Akt aus Tschaikowskys Ballettklassiker Schwanensee, der sich über die Jahre zum Markenzeichen der Trocks entwickelt hat. Mit viel Liebe zum Detail wird dabei einerseits absolut klassisch die Geschichte von der schönen Prinzessin Odette erzählt, die von dem bösen Zauberer Rothbart in einen Schwan verwandelt und durch die Liebe des Prinzen Siegfried beinahe erlöst wird. Vor einem pittoresken Bühnenhintergrund sieht man Giovanni Ravelo als Rothbart über die Bühne jagen und mit teuflischen Bewegungen zuckende Blitze, die als Projektionen im Hintergrund aufleuchten, erzeugen. Ravelo changiert hier gekonnt zwischen kraftvollen Sprüngen und einer fingierten Erschöpfung, die den Zauberer ergreift, nachdem er mehrere Runden auf der Bühne gedreht hat. Roberto Forleo mimt Siegfrieds Freund Benno, der im Wald auf der Jagd von den Schwänen regelrecht eingekesselt wird, als etwas unbeholfenen Jungen, der beim Verlassen der Bühne auch schon einmal "aus Versehen" einen Schwan umrennt. Trystan Merrick begeistert als Prinz Siegfried mit kraftvollen Sprüngen und spielt die Komik dahingehend aus, dass er seiner Odette schon ganz zu Beginn unter den Rock fassen will, was Raffaele Morra als divenhafte Odette zunächst allerdings brüsk ablehnt. Erst am Ende lässt sie dann den Griff unter den Rock zu. Mit präzisem Spitzentanz und eleganten Pirouetten macht Morra deutlich, dass er es mit jeder Primaballerina aufnehmen kann. Der sterbende Schwan Auch die Schwäne werden von den Trocks liebevoll in Szene gesetzt. Dabei wechselt graziler Spitzentanz mit scheinbaren Missgeschicken, wenn beispielsweise ein Schwan bei dem Versuch, auf Spitze die Bühne zu betreten, auf die Nase fällt, oder ein anderer Schwan sich beim Ensemble plötzlich auf der falschen Seite befindet. Wie die Trocks diese fingierten Fehler mit übertrieben aufgesetztem Lächeln zu kaschieren versuchen, macht einen großen Teil der Komik an diesem Abend aus. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch der berühmte "Tanz der kleinen Schwäne". In absoluter Präzision gelingt es einem der vier Trocks bei der schnellen und absolut synchronen Schrittfolge sogar noch, in dem leicht rockigen Rhythmus aus der Choreographie auszubrechen. Das Publikum bricht danach in frenetischen Jubel aus. Auch der Applaus nach diesem ersten Teil wird noch persifliert. So wird der Primaballerina (Raffaele Mora) ein Blumenstrauß überreicht, um den sich, sobald das Licht verlischt, alle Tänzer prügeln. Schließlich ist hier ja jeder "gleich". Der zweite Teil beginnt mit einem Pas de deux aus Léon Minkus' Don Quixote, für das Mike Gonzales Kostüme in spanischem Kolorit entworfen hat. Wenn man es nicht wüsste, könnte Chase Johnsey auch als richtige Ballerina durchgehen, da er vom Körperbau recht filigran ist. Anders verhält es sich mit Davide Marongiu beim folgenden Go for Barocco in drei Sätzen von Johann Sebastian Bach. Im Spotlicht lässt er neben Carlos Miller seine Muskeln spielen und wirkt in seinem Tutu dabei wie die Karikatur eines Bodybuilders. In diesem Teil beweisen die Trocks, dass sie auch den neoklassischen Tanz à la Balanchine beherrschen. Der Abschluss des zweiten Teils greift dann zurück auf Schwanensee. Paul Ghiselin begeistert mit clowneskem Spiel als "Dying Swan". Während er dabei auf Spitze schwanengleich über die Bühne schwebt, lässt er jede Menge Federn, die aus seinem Tutu wie Blätter von einem Baum herabrieseln. Die Trocks bei Paquita Nach einer weiteren Pause folgt dann noch Paquita, eine ursprünglichen Ballettpantomime in zwei Akten, die der Ballettmeister Joseph Mazillier zur Musik von Ernest Deldevez 1846 choreographierte. Ein Jahr später beauftragte Marius Petipa Ludwig Minkus, für dieses Ballett zusätzliche Musik zu komponieren. Im hinzugefügten "Divertissement" entwickelten sich ein Pas de trois und ein Grand Pax de deux zu so großen Bravourstücken, dass sie als einzige Fragmente dieses Balletts bis heute erhalten geblieben sind. In sechs Variationen präsentieren die Trocks nun diese beiden Höhepunkte des klassischen Tanzes. Auch hierbei verzichten sie natürlich nicht auf den ihnen eigenen Humor, wenn Robert Carter als Ballerina Carlos Miller als Offizier für die Hebefiguren zu schwer ist und Miller sich zunächst Unterstützung bei den anderen Tänzern holen muss, um Carter zu stemmen, und hinterher von diesem angewiesen wird, gefälligst ein bisschen Krafttraining zu machen, um die weiteren Hebefiguren allein durchführen zu können. In den einzelnen Variationen reißen die Trocks ihr Publikum zu großen Begeisterungsstürmen hin. Als Zugabe präsentieren sie noch einen kleinen Auszug aus Riverdance, um ihre Vielseitigkeit unter Beweis zu stellen. Danach ist aber Schluss. Wahrscheinlich fehlt für eine weitere Zugabe nach diesem gewiss kräftezehrenden Programm die Kraft. Das muss dann auch das Publikum nach lang anhaltendem Applaus akzeptieren. FAZIT Wer klassischen Tanz liebt, wird bei den Trocks voll auf seine Kosten kommen. Wer Ballett ablehnt und kitschig findet, wird vielleicht eines Besseren belehrt, wenn er erkennt, wie liebevoll man die übertriebenen Gesten persiflieren kann, ohne dabei den Tanz seines Charmes zu berauben. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Schwanensee, II. AktChoreographie Kostüme Bühnenbild Lichtdesign SolistenOdette, Königin der Schwäne
Prinz Siegfried
Benno, sein Freund und Vertrauter Rothbart, Zauberer
Schwäne
Don Quixote, Pas de deuxChoreographie Kostüme SolistenYakatarina Verbosovich
Viacheslav Legupski
Go for BaroccoChoreographie Bühnenbild und Kostüme Lichtdesign SolistenErster Satz (Moderato) Zweiter Satz (Adagio)
Dying SwanSolistIda Nevasayneva
PaquitaChoreographie Einstudierungen Bühnenbild und Kostüme Lichtdesign SolistenBallerina Offizier Variation 1 Variation 2 Variaton 3 Variation 4 Variation 5 Variation 6 Ensemble
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