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Ein Koffer voll MusikVon Thomas Molke / Fotos vom Rossini Opera Festival (studio amati bacciardi)
Berenice (Elena Tsallagova, links) und Ernestina (Viktoria Yarovaya, rechts) planen, die Rollen zu tauschen (im Hintergrund: Berenices Onkel Don Eusebio (Giorgio Misseri)). Ausgangspunkt der Handlung sind zwei Koffer, die bei einem Aufenthalt in einem Landgasthaus nach einer Gewitternacht versehentlich vertauscht werden. Da Don Parmenione allerdings in dem Koffer des anderen Gastes, Conte Alberto, dessen Pass und ein Portrait einer wunderschönen Frau findet, die Don Parmenione für Albertos zukünftige Braut hält, die diesen, wie Alberto erzählt hat, noch nie gesehen hat, beschließt er kurzerhand, sich selbst als Alberto auszugeben und die junge Dame zu ehelichen. Um die Verwirrung komplett zu machen, hat diese junge Dame, Berenice, allerdings beschlossen, mit ihrer engen Vertrauten und Dienerin Ernestina die Rollen zu tauschen, damit sie als scheinbares Dienstmädchen den zukünftigen Gemahl zunächst einmal in Augenschein nehmen kann. So wirbt Don Parmenione um die Falsche und muss sich gleichzeitig noch mit Alberto herumstreiten, der natürlich auch im Haus der Braut erscheint, sich aber verrückter Weise mehr zu dem Dienstmädchen als zu der vermeintlichen zukünftigen Braut hingezogen fühlt. Nach zahlreichen Verwicklungen stellt sich heraus, dass Ernestina die Schwester eines Freundes von Don Parmenione ist, die mit einem Verführer durchgebrannt ist und nun von Don Parmenione zurückgeholt werden soll. Berenice ist froh, dass der wahre Alberto sie auch als Dienstmädchen geliebt hätte, und so gibt es am Ende zwei glückliche Paare. Berenice (Elena Tsallagova) ist verwirrt. Don Parmenione (Roberto de Candia, links) und Alberto (Enea Scala, rechts) behaupten beide, der zukünftige Bräutigam zu sein. Martino (Paolo Bordogna, im Hintergrund) blickt beschämt zur Seite. In der Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle nimmt Don Parmeniones Diener Martino eine Schlüsselrolle ein. Gemäß Libretto ist es nämlich der Diener, der Don Parmenione überredet, den falschen Koffer zu öffnen und damit die ganzen Verwicklungen eigentlich erst in Gang setzt. So betritt er in der Inszenierung mit einem riesigen Koffer vor Beginn des Stückes den Zuschauerraum und reicht der Dirigentin Yi-Chen Lin aus dem Koffer zunächst einmal die Partitur. Dann schleppt er den Koffer auf die bis dahin noch leere Bühne und lässt ihm während der Ouvertüre die Figuren des Stückes entsteigen, denen er die Rollenbücher reicht. Anschließend zaubert er auch noch die Kostüme und Requisiten aus dem Koffer, mit denen vor bemalten Vorhängen auf relativ einfache Art zunächst das Gasthaus auf der Bühne entsteht, das sich später durch leichte Veränderungen auf der Rückseite in einen Saal im Hause Don Eusebios, des Onkels der Braut, verwandelt. So viel bühnenbildnerisches Geschick mit einfachen Mitteln löst beim Publikum große Begeisterung aus, und es gibt spontanen Szenenapplaus nach dem Umbau. Vielleicht sollte sich das eine oder andere Regie-Team eine solche Reaktion für die Planung der Bühnenbilder einmal zu Herzen nehmen. Die richtigen Paare finden sich: Don Parmenione (Roberto de Candia, links) und Ernestina (Viktoria Yarovaya, links) auf der einen Seite und Berenice (Elena Tsallagova, rechts) und Alberto (Enea Scala, rechts) auf der anderen Seite. Don Eusebio (Giorgio Misseri, Mitte) ist zufrieden. Auch wenn Anhänger des modernen Regietheaters das nun folgende Szenario in einer dem Stück angepassten Kulisse und mit wunderschönen Kostümen als altbacken verteufeln mögen, lässt sich nicht leugnen, dass hier eine sauber geführte Personenregie vorliegt, die sich genauestens an die Musik hält. Da sitzt jede Bewegung, sei es ob die beiden Frauen verwirrt zum Takt der Musik auf die Chaiselongue zurücksinken oder Don Parmenione und Alberto sogar die Waffen zücken, um den Streit um die Braut im Duell zu entscheiden. Dabei hört Martino während des ganzen Stückes nicht auf, die Fäden zu ziehen. So ist es beispielsweise Deutung der Regie, dass er die Koffer bewusst vertauscht, um damit die richtigen Paare zusammenzuführen. Vielleicht wäre Alberto sonst doch an die falsche Braut geraten. Am Ende lässt Martino dann wieder die Requisiten größtenteils im Koffer verschwinden und taucht, nachdem er seine Mission erfüllt hat, selbst im Koffer ab. Dieses herrlich inszenierte Verwechslungsspiel wird von den Solisten darstellerisch und stimmlich großartig umgesetzt. Paolo Bordogna, der sich seit einigen Jahren hier in Pesaro als Buffo-Liebling etabliert hat, gestaltet die Partie des Martino mit unglaublicher Bühnenpräsenz und enormem Spielwitz. Faszinierend sind dabei auch immer wieder seine Beweglichkeit, wenn er beispielsweise von der Bühne in den Orchestergraben springt und blitzschnell wieder auftaucht. Hinzu kommt ein großartiger Bariton, den er vor allem in seiner Arie "Il mio padrone è un uomo" unter Beweis stellen kann, wenn er von Don Eusebio und Ernestina angetrieben wird, endlich die wahre Identität seines Herrn preiszugeben. Ihm zur Seite steht mit Roberto de Candia als Don Parmenione ein ebenso großer Buffo-Bariton, der mit markanten Tiefen und komödiantischem Talent den leicht hinterhältigen Edelmann mimt, der für eine schöne Frau auch mal bereit ist, eine andere Identität anzunehmen. Enea Scala hält als Alberto mit strahlendem Tenor und leuchtenden Spitzentönen sehr gut dagegen. Auch Victoria Yarovaya als Ernestina und Giorgio Misseri als Don Eusebio überzeugen darstellerisch und stimmlich. Einen weiteren Höhepunkt des Abends stellt Elena Tsallagova in der Rolle der Berenice dar. Mit beweglichem Sopran changiert sie zwischen perlenden Koloraturen in ihren Arien und schnatterndem Parlando in den Ensembles. Ihr komisches Talent kann sie vor allem im Duett mit Roberto de Candia "Voi la sposa!" unter Beweis stellen, in der Don Parmenione sich ihr als vermeintlichem Dienstmädchen gegenüber recht anzüglich benimmt und sie ihm mitteilt, dass sie die eigentliche Braut in der Verkleidung eines Dienstmädchens sei. Begleitet wird die hochkarätige Solisten-Riege von dem souverän aufspielenden Orchestra Sinfonica G. Rossini unter der Leitung von Yi-Chen Lin, die die ihr von Bordogna zu Beginn gereichte Partitur nicht einmal öffnet, sondern das komplette Stück in äußerster Präzision auswendig dirigiert. So gibt es am Ende frenetischen Applaus für alle Beteiligten und für eine Inszenierung, die trotz der Jahre immer noch keinen Staub angesetzt hat.
FAZIT Musikalisch bewegen sich die diesjährigen drei Opernproduktionen des Festivals alle auf gleich hohem Niveau, szenisch muss man allerdings festhalten, dass diese Wiederaufnahme der L'occasione die beiden Neuproduktion an Klasse übertrifft.
Weitere Rezensionen zu dem
Rossini Opera Festival 2013 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungYi-Chen Lin Regie, Bühnenbild und Kostüme Wiederaufnahmeregie
Solisten
Don Eusebio
Berenice
Conte Alberto
Don Parmenione
Ernestina
Martino
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- Fine -