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Beans and Soul
Was für ein Künstler, Mensch mag der amerikanische Komponist Harry Partch, dessen Werk Delusion of the Fury während der Ruhrtriennale 2013 die europäische Erstaufführung feierte, wohl gewesen sein? Das Bild, das David Moss, amerikanischer Schlagzeuger, Komponist, Stimm- und Performance-Künstler und Wahlberliner, in seiner wundervoll vorgetragenen Lecture-Performance Harry Partch: Bitter Music im Maschinenhaus der Zeche Carl zeichnete, war das eines „exzentrischen“ Außenseiters, der seine Umwelt kafkaesk erlebt und beschreibt. Moss erzählt im Vorwort zur Veranstaltung, wie er als Jugendlicher von Partchs neuartigen Klangwelten verzaubert wurde, wie sein eigenes künstlerisches Schaffen neue Anregungen erfuhr. Und in der Tat schien sich im Laufe des Abends das Netz zwischen den beiden amerikanischen Künstlern immer dichter und persönlicher zu spannen. Es entstand eine Art musikalisch-künstlerisches Stillleben, eine Collage aus wundervoll vorgetragenen Textauszügen, Musikbeispielen, eigenen Kompositionen und Improvisationen. Bitter Music war eine Lecture Performance in englischer Sprache, diesem breiten, die Sprachmelodie auskostenden amerikanischen Englisch. Moss’ Textauswahl und Darbietung folgten einer kreisenden, nicht chronologisch orientierten Dramaturgie. An Aufzeichnungen zum Kunstverständnis aus dem Jahr 1940 bspw. schlossen sich Szenen aus dem Jahre 1935 an, wo Partch seine Lebensbedingungen und Begegnungen als "Hobo" festhält; sodann ein Dialog aus dem Jahre 1934, in dem ein wenig Kunst- und Musikverständnis zeigender Direktor sich anlässlich der Stipendienvergabe aufgefordert sieht, unpassende, väterliche Ratschläge zu erteilen. Anschließend folgten 1960 entstandene Anmerkungen zum Begriff „rein“ in der Musik, zur "Reife" und "Weisheit" östlicher Kulturen. Danach wieder ein Blick zurück in die entscheidenden Jahre 1934/35. Zeitsprünge wurden durch ein eingespieltes Partch-Jingle kenntlich gemacht.
Im Laufe des Abends entwickelte sich die „Lesung“ zu
einer geheimnisvoll intimen, manchmal mit leichtem
Augenzwinkern versehenen, entspannten, musikalischen
Performance. Schritt für Schritt
führte uns Moss die ganze Farbigkeit der
Stimmungen, Eindrücke, Lebens- und Kunstwelten
Partchs vor Augen. Stand zu Beginn noch die
kontrastreich zwischen warm, körperlich und
ironisch, leicht pendelnde Vortragskunst im
Vordergrund, veranschaulichte er die im Tagebuch
beschriebenen Szenen immer mehr z.B. durch Einbeziehen
des eigenen Körpers, Geräuschkompositionen
und eigene Improvisationen. Mal wurden knisterndes
Feuer, lodernde Flammen und entrückte
Gesänge dargeboten, um sogleich von der
Brutalität der Wirklichkeit, z.B. der Armut und
des Sinne schärfenden Hungers eingeholt zu
werden; mal wurden Stift und Skizzenbuch gezückt
und kleine, witzige Figuren bemüht, um die Ironie
einer Dialogszene auf den Punkt zu bringen.
Der Abend mit David Moss war auch ein unvergessener
Einblick in die Kunst der Lecture Performance, diesem
ausgewogenen Gemisch aus unmittelbarem Erleben und
Betrachtung, Belehrung und Unterhaltung, Ernst und
Komik, Kunst und Musik, Distanz und Nähe.
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Harry Partch: bitter music
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