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Theatralische Schatzsuche, 400 Pendel, optisch-akustisch erfahrbare Barcodes und Wasserwände
Zu den interaktiven Kunstwerken und Schwerpunkt der diesjährigen Ruhrtriennale gehören auch mehrere multimediale Installationen und Kreationen wie von Ryoji Ikeda, William Forsythe, rAndom international und Douglas Gordon. Diese faszinierenden Auseinandersetzungen mit Industriekulturdenkmälern, Räumen, Naturphänomenen und digitalen Welten sind nicht zuletzt dem profanen Grund geschuldet, dass die Große Halle im Museum Folkwang sowie die Mischanlage der Kokerei Zollverein nur in diesem Jahr für derlei außergewöhnliche Projekte zur Verfügung stehen. Außergewöhnlich? Vielleicht nicht, was den Grad der Modernität betrifft; aber sie bereichern in besonderer Weise die Industriearchitektur des Ruhrgebiets.
Let's make it move again war Douglas Gordons Kommentar anlässlich einer Einführung in seine Videoinstallation Silence, Exile, Deceit in der Mischanlage der Kokerei Zollverein. Es ist Schatzsuche und aktives, erfahrungsorientiertes Musiktheater zugleich. Eigens für die Ruhrtriennale kreiert und komponiert, setzt sich der 1966 geborene schottische Regisseur und Videokünstler mit viel Gespür für Dramatik und Atmosphäre mit der Geschichte und Industrie des Ruhrgebiets auseinander, setzt durch ästhetische Licht- und Videoinstallationen die spezifische Raumarchitektur der Kokerei mit ihrem kalten Beton, ihren Abgründen, Schächten und Eisengittern kulissenartig in Szene. Protagonisten dieser Inszenierung sind außerdem aufsteigender Nebel bzw. Rauch, das Gold des Ruhrgebiets, Feuer und Explosionen, ein unscheinbar in der Ecke liegender, schlafend wirkender, toter Hund, ein Aas fressender Rabe, eine von einer Cellistin begleitete Königin der Nacht samt ihrem kleinen Feuerteufel. Und natürlich der Besucher. Seine Assoziationen an Landschaftstransformation, Krieg, Wirtschaftswunder, Arbeit in der Stahlindustrie, seine Neugier und Kreation formen die Geschichte.
Die Installation besteht aus mehreren Ebenen. Die obere gleicht mit ihrer Fließbandanlage, dem Eisengitterboden, den Scheinwerfern und aufsteigendem Nebel einem Theaterschnürboden. Im Halbdunkel brummt, donnert, faucht und zischt es. Der Boden fängt an leicht zu beben. Beklemmung macht sich breit. Rauchende Abgründe tun sich auf.
Auf der unteren Ebene beginnt die eigentliche Schatzsuche und Installation. Hier klopft und kreischt es, während weiße, schädelähnliche Formen in schwarzer Tiefe aufleuchten. Dort wird Rauch, aufflammendes Feuer von Bombenexplosionen und Sirenen begleitet. Soeben scheint ein Kind in der Ferne zu lachen, zu schreien. Vereinzelt erklingen Tierstimmen, eine Kuh, ein brüllender Elefant?!. Und plötzlich beginnt eine warm grundierte vollmundige Sopranstimme, die Ohren zu verzaubern. Eine mit vielen Seufzern durchsetzte Purcell-Arie erklingt. Ein Cello setzt sein. Nicht live performt, sondern projiziert. In einer hinteren Ecke erscheint auf einer Riesenleinwand die Sängerin Ruth Rosenfeld als attraktive, schwarz gewandete Königin der Nacht und die Cellistin Okkyung Lee in der Kulisse eines kunstvoll ausgeleuchteten Treppenhauses. Immer mehr erinnern die Kunstgesänge von Cello und Stimme an freie Improvisationen, werden durchsetzt von expressiven Glissandi, Koloraturen, grellem Lachen und anderen stimmgewaltigen Explosionen.
Gordons Installation kennt keinen vorgezeichneten Rundgang, keine wirkliche Geschichte, auch wenn sich das rote Sweatshirt des kleinen, Trauer und Beklemmung ausstrahlenden Feuerteufels schließlich in den Tiefen des Goldkohleschachtes wiederfindet. Jeder Besucher wählt selbst, was, in welcher Reihenfolge und wie lange er/sie die Installationen und Bilder, die sich beständig mischenden und transformierenden Klangwelten auf sich wirken lässt.
Die interaktive Rauminstallation Nowhere and everywhere at the Same Time No.2 des amerikanischen Künstlers und Choreographen William Forsythe befindet sich in der großen Halle im neuen Erweiterungsbau des Museum Folkwang und ist nur bis zum 8. September zu erleben. Man betritt ein tageslichthelles Feld aus 400 an langen Fäden aufgehängten, kegelförmigen Pendeln, taucht ein in ein sich ständig wandelndes Labyrinth. Nach einem nicht nachvollziehbaren Algorithmus werden die Pendel in Gruppen unterschiedlich stark zum Schwingen angeregt, nähern sich unberechenbar wie die Dünung des Meeres. Es ist ein Spiel wie das, dem Wasser der Dünung gerade noch auszuweichen, ohne nass zu werden. Nicht nur die Pendel werden von unsichtbarer Hand choreographiert, sondern auch der Besucher beim Gang durch das Pendelfeld. Berührt man ein Pendel, zerstört ein leichtes Klicken die Stille, wie beim Zusammenstoßen von Glaskugeln. Eine meditativ ruhige Installation.
Ebenso überwältigend, aber ganz anders dagegen die Raum- und Sound-Erfahrung in der Kraftzentrale im Landschaftspark Duisburg-Nord, wo der japanische Komponist und Künstler Ryoji Ikeda seine Installation test pattern auf 100m Länge ausgeweitet hat. Der Raum ist abgedunkelt. Wie ein Laufsteg zieht sich eine mit hart zwischen schwarz und weiß variierenden Lichtreflexen hell leuchtende, begehbare Fläche längs durch die riesige Halle. Dazu hämmert ein unterschiedlich dichter Klangteppich aus verschiedenen, ohrenbetäubend lauten elektronischen Impulsen: Phasen mit extrem kurzen, "knatternden" Tönen in schneller Folge wie optisch-akustisch erfahrbare Barcodes wechseln mit flächigen synthetischen Sinustönen, die durch geringe Frequenzverschiebungen zwischen benachbarten Lautsprechern zu agressiven Schwebungen führen. Mathematische Konzepte werden, kombiniert mit physikalische Phänomenen, als Rhythmus, Klang und Lichtimpuls erfahrbar gemacht, Wahrnehmungsgrenzen ausgelotet. Man kann das Feld betreten und entlang laufen (was offensichtlich auch Kindern viel Spaß macht) oder von einer oberen Galerie aus die Überwältigungsästhetik betrachten. Ohrstöpsel (die bereit liegen) sind angebracht.
Meine Erwartungen an die Wasserskulptur Tower-Instant Structure for Schacht XII des Londoner Künstlerkollektivs "rAndom International" für die Zeche Zollverein werden jedoch nicht erfüllt. 800 Liter Wasser fallen hier pro Sekunde 19 Meter tief aus 520 Düsen, die in einem Rechteck mit den Abmessungen 6 m mal 8 m angeordnet sind, und formen einen Turm aus Wasser. Die Wasserwände ergeben einen Kubus, der die sachliche Architektur der Zeche Zollverein aufgreift. Man kann (und soll) hinter den Wasservorhang treten und die gigantische Zechenanlage durch die Wasserschleier betrachten - und sollte eigentlich im Inneren nicht nass werden (Regenmäntel für das Durchqueren des Wasservorhangs hängen bereit). Die Natur schlägt der Technik allerdings ein Schnippchen: Die fließenden Strukturen wollen dem Wind nicht standhalten. Und selbst das vom Boden aufspritzende Wasser reicht aus, um den Betrachter trotz Regenkleidung schnell zu durchnässen. Wer den Intentionen der Künstler folgen will und sich ins Innere der installation begibt, darf nicht wasserscheu sein.
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Mediale KunstinstallationenSilence, Exile, Deceit - an Industrial Pantomime
Installation von Douglas Gordon
Installation von William Forsythe
Audiovisuelle Installation von Ryoji Ikeda
Installation von rAndom International |
- Fine -