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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Krönung und Aufruhr
2013 ist
nicht nur Wagner- und Verdi-Jahr. Mit einer
fulminanten, die Ausdrucks-, Klang- und
Rhythmuswerkstatt Strawinskys entfesselnden
konzertanten Aufführung des Sacre du
Printemps und der Uraufführung von Dmitry
Kourliandskis 2013 entstandenem Werk The
Riot of Spring erinnert die Ruhrtriennale 2013
zum Abschluss auch an den Skandal und den mit der
Uraufführung des Sacre verbundenen
Begriff der künstlerischen Emanzipation. Ort
des Geschehens ist die Bochumer Jahrhunderthalle -
„Montagehalle für die Kunst“ des 21.
Jahrhunderts und Industriedenkmal des industriellen
Fortschritts, der neuen Technologien und
Kommunikationsformen des 20. Jahrhunderts
gleichermaßen.
Der russische Dirigent Teodor Currentzis, der mit den Musikern von MusicAeterna aus Perm Strawinskys Antwort auf Schönbergs „Emanzipation der Dissonanz“ zu neuem Leben verhilft, hebt in seinen, im Programmheft abgedruckten Anmerkungen die östliche, multikulturelle Ästhetik des Sacre hervor. Es sei eine Klangwelt, die dem Ausdruck und der Architektur westlicher „akademischer Musik“ trotzen wolle. Heutzutage müsse der Sacre so klingen, „als ob sie von Qawwali-Musikern oder von kleinen Völkern des Ural gespielt würde.“ Currentzis leitet, „tanzt“ und gestikuliert - in Anlehnung an die historische Interpretationspraxis - ohne Frack und Taktstock, führt die Heterogenität des Werkes vor Augen, ohne die ostinaten, verbindenden Schichten zu vernachlässigen. Der Sacre erklingt rhythmisch, melodisch bis an die Grenzen im Ausdruck geschärft. Die Pauke knallt, wie mit Holzschlägeln geschlagen, die Tempi wechseln abrupt. Extreme spannungsreiche Steigerungen brechen plötzlich ab, weichen einer friedlichen Scheinruhe. Auf den Rite of Spring folgt der Riot (Aufruhr, Aufstand). Der 1976 geborene Komponist Dmitri Kourliandski bezeichnet seine, den ersten Teil eines Zyklus darstellende Komposition als Ballett, dass zu „Aktion oder Reflektion“ anregen will. Elektronische Klänge, die an Tiere und Spielautomaten erinnern, werden einer Konzertsituation gegenübergestellt, wo der Dirigent mit dem Klang einer leeren, gestrichenen Violinseite einen Ton anstimmt und an die Orchestermitglieder weitergibt. Langsam entsteht ein manchmal einzelne Orchestergruppen hervorhebendes, manchmal obertonreich schillernder Orchesterklang - Klangkontinuum, das den mal rhythmisierten, mal unvermittelt einbrechenden Computerklängen zu trotzen versucht. Schließlich verlassen die ersten Streicher, dann nach und nach fast alle Musiker die Bühne und verteilen sich im Raum. Man trifft, spielt und unterhält sich, tauscht – was gibt es schöneres an Probenwochenenden – die Instrumente. Das Publikum – zumindest in dieser Vorstellung – bleibt sitzender, interessierter Beobachter, obwohl sich Einzelne an dem strömenden, sich immer mehr verbreitenden Tonkontinuum beteiligen. Plötzlich beginnt ein Musiker, sein Instrument zu zerstören, mit Gewalt auf den Boden zu schlagen. Andere folgen. Am Ende gibt’s Bravi, Jubel und Standing Ovations. Einige nehme sich als Andenken dieses Happenings Instrumentenbruch mit nach Hause.
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