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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Musiktheater ohne Darsteller
Heiner Goebbels erstmals 2007 in Lausanne uraufgeführte, international tourende Performance Stifters Dinge besteht aus einem Musikautomaten-Kunstwerk mit vier "nackten", mit einer computergesteuerten Mechanik gespielten Klavieren, einem Flügel-Innenleben, Bäumen, zwei Metallblechen, einer Bass-Drum, aus klingenden Plastikrohren, drei Wasserbecken mit seitlich platzierten Plastiktanks, einer Steinmaschine, einer Maschine, die zeigt, wie eine Saite angerissen wird und der entsprechende Ton erklingt, aus Nebelmaschine, Stimmschlüssel, aus Scheinwerfern, Leinwänden, Bildern und verschiedenen Textsorten, aus rhythmischen Minimal-Music-Kompositionen, Klangflächen, Gesang, Klaviermusik von Bach, Tönen, Geräuschen und vielem anderen.
Stifters Dinge blickt auf die Scheinwelt des Theaters mit den Augen eines Fremden. Ähnlich detailliert wie der Dichter und Maler Adalbert Stifter die Natur beschreibt, wie Claude Lévi-Strauss als Kind Paris erkundete, werden die verschiedenen Elemente des Musiktheaters, Zauberkunst und Bühnentechnik vor Augen geführt, vereinen sich mit leichten Regentropfen, kalten Eislandschaften, tropfenförmig blubbernden, schäumenden Gewässern oder Jacob Isaacksz van Ruisdaels farbgefilterter Sumpflandschaft zu poetisch surrealem Illusionstheater. Dazu erklingen neben einem Ausschnitt aus dem 2. Satz des Italienischen Konzertes von J. S. Bach - Musik- und Klangwelten, die an Cages präpariertes Klavier erinnern - mal geräuschhaft vereinzelt, mal in minimal music mäßiger rhythmischer Vielstimmigkeit vereint. Immer wieder kehrt die Musik zum Puls zurück.
Es gibt zwei Möglichkeiten, sich diesem automatisierten Gesamtkunstwerk zu nähern: Als Performance, in der Bühnenaktionen, Licht, Bild und Ton in festgelegter Reihenfolge präsentiert werden und die Zuschauer auf einer gegenüberliegenden, ansteigenden Tribüne Platz nehmen, oder in einer Unguided Tour als Rauminstallation, in der die überwiegend gleichen Bestandteile in anderer Reihenfolge und Mischung vorgeführt werden. Bei letzterem nähert man sich dem Werk wie einem Museumsgegenstand. Das Hauptaugenmerk scheint plötzlich auf die riesigen Dimensionen der Kraftzentrale gerichtet, auf ausgestellte Technik und Mechanik, den geräuschvollen, reibungslosen Ablauf. In jedem Fall werden Erinnerungen an den Inszenierungsprozess eines Werkes, an Bühnenmechanik und historische Theatermaschinen wach gerufen.
Chaotische Unruhe macht sich breit, wenn die Klavierautomaten beginnen, wie entfesselt Leitern herauf und herunter zu donnern. Zufällig dazu gemischte unangenehme Kratzgeräusche stören die Ruhe des leise tröpfelnden Regenwassers. Paolo Ucellos Gemälde Jagd bei Nacht wird dem Zuschauer in sezierten Nahaufnahmen präsentiert, der Entstehungsprozess einer ästhetischen Poesie - z.B. die wunderbar ausgeleuchtete, stilisierte, bewegte Wasseroberfläche auf der Leinwand Schritt für Schritt vor Augen geführt.
Bis auf das Verteilen und Sieben des Waschpulvers in die Becken, das Einlaufen des Wassers sind Performance und Unguided Tour computergesteuert. Aber was macht Musiktheater aus? Ist es nicht vor allem auch das Ensemble, die Solisten und Orchestermusiker, die Lust am Spiel und an der Präsentation?
Eine widersprüchliche Musik- und Kunsterfahrung, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
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Produktionsteam
Inszenierung
Bühne, Licht, Video
Mitarbeit Musik
Mitarbeit Regie
Sounddesign
In künstlerischer und technischer
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