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The Sinking of the Titanic

Ein Konzert mit Werken von Gavin Bryars und Luciano Berio

Aufführungsdauer: ca. 2h (eine Pause)

Aufführung in der Gebläsehalle, Landschaftspark Duisburg-Nord, am 6. September 2013

Logo: Ruhrtriennale 2012

Klangfarbenkunst des 20. Jahrhunderts

von Ursula Decker-Bönniger

Gavin Bryars, dessen berühmteste Werke The Sinking of the Titanic  und Jesus’ Blood Never Failed me yet im Orchesterkonzert der Bochumer Symphoniker vorgestellt wurden, hat seine Musik als „Music of No Category“ bezeichnet. Entstanden Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre als musikalisches Concept-Art-Experiment an der amerikanischen Kunsthochschule in Portsmouth, verbindet The Sinking of the Titanic aleatorische Formprinzipien mit denen der Minimal Music.


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Gaviv Bryars (Foto © Caroline Forbes)

Es gibt keine festgelegte Partitur, sondern zeitlich begrenzte Abschnitte, die mit Worten umschrieben sind. Thema, Programm der Komposition ist das Schiffsunglücks der Titanic, die auf ihrer Jungfernfahrt im April 1912 mit einem Eisberg zusammenstieß. Es existieren unterschiedliche Fassungen. In der von den Bochumer Symphonikern gewählten1997er Orchesterfassung gesellen sich zu einem verstärkten Quartett aus Violine, Bratsche, Cello und Kontrabass verschiedene Holz-, teilweise doppelt besetzte Blechbläser und diverse Schlagzeuge, darunter viele Gongs und Becken, die mit dem Bogen zum Schwingen gebracht werden, Donnerblech, große Trommel etc. und „digital types“.

Und unter der einfühlsamen Leitung der estnischen Dirigentin Anu Tali entwickelten sich ein 50 Minuten dauernder wunderbarer Spannungsaufbau, klangfarbliche Verschmelzungen und nahtlose Überblendungen: Auf Schiffsglocke und Raum füllendem Raunen, detaillierter Darstellung der verschiedenen Phasen der Kollision und des zerberstenden Schiffskörpers wiederholte das Streichquartett - zeitlupenartig verlangsamt und hin und wieder klangfarblich variiert - eine Hymne. Interviewfragmente, Morsezeichen der Holzblocktrommel, wellenartig sich aufbauschende Geräuschwolken in unterschiedlicher Dichte und Strömungsgeschwindigkeit überlagerten das Klanggeschehen. Ein faszinierend gezeichnetes Bild eines Sogs, einer sich ausdehnenden und zugleich stillstehenden Zeit entstand, und die 50 Minuten vergingen wie im Flug.


Vergrößerung in neuem Fenster Ensemble (Foto © Michael Kneffel für die Ruhrtriennale 2013)

Die Idee zu Bryars abschließend vorgestellter Komposition entstand 1972 während der Dreh- bzw. Schneidearbeiten eines Films zum Thema Obdachlosigkeit. Sich selbst Zuversicht und Optimismus einredend, wiederholt ein alter Mann unablässig und mit leicht gebrochener Stimme in langsamem Tempo die Hymne Jesus’ Blood Never Failed Me Yet. In den ersten, etwa zehn Wiederholungen scheint die Person Form anzunehmen. Sie kommt näher und bewegt sich langsam auf uns zu bis die Streicher in einem ruhigen, gebundenen, mehrstimmigen Satz den Gesang unterstützen. In nicht enden wollenden Wiederholungen hebt sodann ein kontinuierlich wachsendes, farblich leicht variiertes Orchestercrescendo an, um schließlich zur Streicherfassung zurückzukehren. Und es ist nicht verwunderlich, dass selbst die ausdrucksvollen, geradezu körperlichen Schwingungsbewegungen der Dirigentin Mühe hatten, den Spannungsbogen dieses langweiligen Ohrwurms bis zum Schluss aufrecht zu erhalten.

Darf Musik des 20. Jahrhunderts eigentlich schön sein, oder sollte man sich lieber der Definition Hoené Wronskys anschließen, der Musik als „Verkörperung der im Klang selbst gelegenen Intelligenz“ definierte. Die Komposition Requies von Luciano Berio - ein 1983/84 komponiertes, klangliches Andenken an die grandiose Vokalvirtuosin Cathy Berberian, erklang zwischen den beiden Werken Gavin Bryars. Hier tönte keine Melodie, sondern ein Continuum aus leise und unisono vorgetragenen Tonwiederholungen, feinen farblichen Schattierungen von gedämpften Streichern, gestopften Blechbläsern und anderen Klangaufspaltungen. Hin und wieder leuchteten rhythmische Motive, besondere Orchesterfarben wie Harfe oder Celesta auf, nie entwickelte sich die geordnete Formstruktur einer Melodie aus Takt, Rhythmus und Harmonie. 


FAZIT

Ein interessantes Konzert, dass mit seinen unterschiedlichen ästhetischen Konzepten die Vielfalt der Musik des 20. Jahrhunderts beleuchtet.




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Produktionsteam

Bochumer Symphoniker

Leitung: Anu Tali


Programm:

Gavin Bryars:
The Sinking of the Titanic (1969/1997)


Luciano Berio:
Requies (1983/1984)


Gavin Bryars:
Jesus’ Blood Never Failed Me Yet (1972)





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