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Wexford Festival Opera
23.10.2013 - 03.11.2013


Thérèse

Drame musicale in zwei Akten
Libretto von Jules Claretie
Musik von Jules Massenet

La Navarraise

Episode lyrique in zwei Akten
Libretto von Jules Claretie und Henri Cain
Musik von Jules Massenet

in französischer Sprache mit englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 h 45' (eine Pause)

Premiere im O'Reilly Theatre im Wexford Opera House am 24. Oktober 2013



 

 

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Bilder des Krieges

Von Thomas Molke / Fotos von Clive Barda


Obwohl Jules Massenets Opern zu seinen Lebzeiten die Spielpläne in Europa und Amerika beherrschten, geriet ein Großteil seiner 26 Werke nach seinem Tod in Vergessenheit, was ihn zu einem prädestinierten Komponisten für das Wexford Festival Opera macht, das ja darauf spezialisiert ist, Stücke ins Gedächtnis zurückzurufen, die man im allgemeinen Repertoire-Betrieb der Opernhäuser selten oder gar nicht erleben kann. In diesem Jahr ist die Wahl auf zwei Kurzopern gefallen, zwischen deren Entstehung 13 Jahre liegen und bei denen die Verbindung darin besteht, dass ein Frauenschicksal in einer Ausnahmesituation gezeigt wird. Musikalisch konzentrieren sich beide Werke auf jeweils drei Charaktere, die in Wexford mit den drei gleichen Solisten in beiden Stücken besetzt sind. Präsentiert werden die Kurzopern dabei nicht in der Reihenfolge ihrer Uraufführung, sondern in der zeitlichen Abfolge der dargestellten Ereignisse. So beginnt der Abend mit dem 1907 in Monte Carlo uraufgeführten Drame musicale Thérèse zur Zeit der Französischen Revolution und endet mit der Episode lyrique La Navarraise im Spanischen Bürgerkrieg von 1872 bis 1876.

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Thérèse: Thérèse (Nora Sourouzian) und ihr Gatte André Thorel (Brian Mulligan)

Thérèse handelt vom Schicksal des Girondisten André Thorel und seiner Frau Thérèse, die 1792 das Schloss des Marquis de Clerval erworben haben, auf dem Andrés Vater als Kammerdiener gearbeitet hat. Da André mit dem im Rahmen der Revolution vertriebenen Sohn des Marquis, Armand, seit Kindertagen befreundet ist, bietet er ihm Unterschlupf im Schloss, ohne zu ahnen, dass seine Frau Thérèse tiefe Gefühle für Armand hegt. Dennoch beschließt sie, ihrem Ehemann treu zu bleiben, und weist Armands erneute Liebesbekundungen brüsk zurück. Als sich die politische Situation verschlechtert und auch André in Gefahr gerät, rät er Armand, ins Ausland zu fliehen, da er ihm im Schloss keinen Schutz mehr bieten könne. Armand bedrängt Thérèse, mit ihm zu fliehen. Nach langem Zögern gibt Thérèse seinem Drängen nach, doch als sie erfährt, dass André verhaftet und zum Tode verurteilt worden ist, beschließt sie, mit ihrem Mann in den Tod zu gehen.

Renaud Doucet verlegt in seiner Inszenierung die Handlung in einen Restaurationssaal einer Gemäldegalerie, in der eine Ausstellung über die Französische Revolution vorbereitet wird. Während der Ouvertüre fällt ein Gemälde vom Ständer, das Lucile Desmoulins mit ihrem Gatten Camille zeigt, die Massenet und seinem Librettisten Jules Claretie als Inspirationsquellen für die Titelfigur und ihren Ehemann André dienten. Mit dem Sturz des Bildes steigt Thérèse gewissermaßen aus dem Gemälde und steht plötzlich leibhaftig in dem Kostüm, das sie auch auf dem Gemälde trägt, auf dem Tisch im Saal. Prinzipiell hätte dieses Konzept aufgehen können, wenn nun die Geschichte stringent im Museum erzählt worden wäre, Thérèse sie also gewissermaßen aus der Retrospektive noch einmal erlebt hätte. Allerdings lässt Doucet die Mitarbeiter der Galerie nicht nur weiter arbeiten, sondern auch als Offiziere Teil der Handlung werden, was die Aktion auf der Bühne schwer nachvollziehbar macht und die Wirkung verpuffen lässt. Auch ist nicht klar, wieso Armand in dem blauen Kostüm den Mann auf dem Gemälde darstellt, obwohl es sich dabei doch um den Ehemann, also André, handeln müsste.

Der Bühnenraum von André Barbe erweist sich in dem klinischen Weiß des Restaurationssaals für die Emotionalität der Handlung nicht gerade förderlich. Auch knackt und brummt es an einigen Stellen, was den musikalischen Genuss besonders in den leisen Momenten ein bisschen stört. Bewegend hingegen gelingen die Momente der Erinnerung an längst vergangene Zeiten des Glücks, wenn Thérèse und Armand ihre damalige Liebe ins Gedächtnis zurückrufen. Ein riesiger Lüster wird dazu an die Decke projiziert, der zum zarten Klang eines Spinetts die friedlichen Tage vor der Revolution noch einmal Revue passieren lässt. Musikalisch betörend ist hierbei auch das Zwischenspiel zwischen den beiden Akten, in dem diese verträumte Menuett-Melodie wieder aufgenommen wird. Genauso abrupt erfolgt dann aber auch der Bruch, wenn Thérèse in die harte Realität mit den Hinrichtungen zurückgeholt wird. Jetzt werden Bilder des Grauens an die Decke projiziert. Passend zu den Bildern kann Thérèse nun auch nicht mehr singen, sondern schreit ihren Beschluss, ihrem Mann in den Tod zu folgen, regelrecht heraus. Dass sie dann aber von vier weiß gekleideten Museumsmitarbeitern aus dem Tisch aus dem Saal gefahren wird, nimmt der Situation wiederum ein wenig die Dramatik.

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La Navarraise: Die Frauen des Dorfes (Chor) beklagen den Bürgerkrieg.

Die zweite Oper La Navarraise handelt von Anita, einem armen Mädchen aus Navarra, die unsterblich in den Sergeanten Araquil verliebt ist. Sein Vater Remigio ist aber nicht bereit, sie als Frau für seinen Sohn zu akzeptieren, und fordert von ihr eine Mitgift von 2.000 Duro, wohl wissend, dass Anita dieses Geld nicht auftreiben kann. Doch Anita ist bereit, für ihre Liebe zu Araquil alles zu tun, und schließt mit dem General Garrido einen Pakt. Für 2.000 Duro werde sie ins gegnerische Lager gehen und den dortigen Kommandanten Zuccaraga ermorden. Araquil, der fürchtet, dass Anita ein Verhältnis mit Zuccaraga habe, folgt ihr und wird tödlich verletzt. Als Anita nach der Ausführung ihres Auftrags dem sterbenden Araquil das Geld zeigt, beschuldigt er sie der Prostitution. Erst als die Glocken ertönen und Zuccaragas Tod verkünden, erkennt er seinen Fehler und stirbt. Anita missdeutet die Glocken als Zeichen für ihre Hochzeit mit Araquil und verfällt dem Wahnsinn.

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La Navarraise: Anita (Nora Sourouzian) geht für ihren Geliebten Araquil bis zum Äußersten.

Während Doucet den ersten Teil in einer Galerie angesiedelt hat, konzentriert er sich im zweiten Teil nur auf ein einziges Gemälde: Guernica von Pablo Picasso, das die Zerstörung der spanischen Stadt Gernika durch einen Luftangriff der Deutschen während des Spanischen Bürgerkrieges im Jahr 1937 zeigt. Gernika gilt als heilige Stadt der Basken, die mit ihrer Lage östlich von Bilbao auch ungefähr dem Ort der Handlung in der Oper entspricht. Aus den Wänden ragen einzelne Versatzstücke dieses Bildes hervor, die sich in den Kostümen der Figuren wiederfinden, so dass man das Gefühl hat, die Figuren seien gewissermaßen dem Bild entstiegen und erzählten die grausige Geschichte noch einmal neu. Ab und an tritt ein Maler mit einem Farbeimer auf, der aber nicht dazu kommt, das Bild weiter auszugestalten, da ihn die kriegerischen Auseinandersetzungen jeweils daran hindern. Parallel zur ersten Oper gibt es auch hier ein musikalisches Zwischenspiel zwischen den beiden Akten, in dem die Frauen in einem klagenden Tanz ihre Verzweiflung über die kriegerischen Auseinandersetzungen bewegend zum Ausdruck bringen.

Neben der stellenweise martialischen Musik, mit der Carlos Izcaray das Orchester des Wexford Festival Opera durch die brutale Handlung beider Opern peitscht, leben beide Stücke vor allem von den drei Hauptpartien. Philippe Do gestaltet Armand in Thérèse und Araquil in La Navarraise mit in der Mittellage sehr fundiertem Tenor, der in den extremen Höhen bisweilen einige Schwierigkeiten hat und daher arg forciert, was als Armand im ersten Teil noch störender wirkt als in der zweiten Oper. Darstellerisch überzeugt er sowohl als liebender Adliger, der sich sehnlichst wünscht, dass seine Geliebte mit ihm ins Exil geht, als auch als charakterlich schwacher Sergeant, dessen Vertrauen in die Geliebte zu gering ist, so dass er sie aus falschem Stolz von sich stößt. Eine musikalische Sternstunde bescheren an diesem Abend Brian Mulligan als André (Thérèse) und Garrido (La Navarraise) und Nora Sourouzian in den beiden Titelpartien. Mit fulminantem Bariton, der in den Tiefen ein markantes Volumen und in den Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt, punktet Mulligan vor allem in der ersten Oper als Ehemann, der zwar merkt, dass seine Frau unglücklich ist, aber dennoch sein Vertrauen in sie nicht verliert, zu Recht, da sie ihm ja auch am Ende in den Tod folgt. Sourouzian begeistert nicht nur stimmlich in den beiden absolut fordernden Partien mit einer wohl-timbrierten Mittellage und grandiosen Ausbrüchen in dramatische Höhen, sondern zeigt sich auch darstellerisch absolut wandlungsfähig. Während sie als Thérèse zunächst eher unnahbar wirkt und erst bei ihrem Entschluss, ihrem Mann in den Tod zu folgen, von einer Emotionalität ergriffen wird, die es ihr unmöglich macht, ihre Gefühle in Gesang zu artikulieren so dass sie den Text nur noch als Sprechgesang in absoluter Verzweiflung herausschreit, gelingt ihr als Anita die Darstellung einer einfachen Frau, die von ihren Gefühlen zum Äußersten getrieben wird. Mit welcher Glaubhaftigkeit sie am Ende den Wahnsinn dieser armen Frau ausspielt, macht sie zur großen Entdeckung dieses Abends.

FAZIT

Dieser Abend stellt musikalisch sicherlich einen Höhepunkt des diesjährigen Festivals dar, wobei das Regie-Konzept nicht in allen Punkten aufgeht.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Carlos Izcaray

Regie
Renaud Doucet

Bühne und Kostüme
André Barbe

Licht
Paul Keogan

Chorleitung
Errol Girdlestone



Orchester des
Wexford Festival Opera

Chor des
Wexford Festival Opera


Solisten

Thérèse

Thérèse
Nora Sourouzian

Armand de Clerval
Philippe Do

André Thorel
Brian Mulligan

Morel
Damian Pass

Un Officier municipal
Jamie Rock

Un Officier
Raffaele d'Ascanio

Un autre Officier
Padraic Rowan

Une Voix d'Homme
Koji Terada

Une Voix de Femme
Christina Gill

La Navarraise

Anita
Nora Sourouzian

Araquil
Philippe Do

Garrido
Brian Mulligan

Remigio
Damian Pass

Ramon
Peter Davouren

Bustamente
Koji Terada

Un Soldat
Joe Morgan

Flamenco Dancer
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