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Liebe durch ListVon Thomas Molke / Fotos von Patrick Pfeiffer
Daniel (Artavazd Sargsyan) liebt Betly (Diana Mian), doch sie weist ihn zurück. Auch wenn die Handlung der Oper nichts mit Guillaume Tell zu tun hat, gibt es dennoch zahlreiche Verbindungen zwischen Rossinis Tell und Adams Chalet. Wie Schillers Freiheitsdrama als Vorlage zu Rossinis großer Oper diente, geht auch Adams Einakter auf das Werk eines großen deutschen Dichters zurück. Johann Wolfgang von Goethe schrieb nach einem Schweiz-Aufenthalt den Text zu dem Singspiel Jery und Bäteli, das Eugène Scribe und Mélesville als Grundlage für das Libretto auswählten, welches Scribe dann Adam zur Vertonung anbot. Ort der Handlung ist wie bei Tell die Schweiz, allerdings ein anderer Kanton. In einer Berghütte im Kanton Appenzell lebt die junge Betly, in die der Bauer Daniel unsterblich verliebt ist. Doch Betly will unabhängig bleiben und weist den jungen Mann ab. Daniel ist so verzweifelt, dass er die Heimat verlassen und beim Militär sein Glück suchen will. Betlys Bruder Max, der seit fünfzehn Jahren im Militär dient, kommt in der Hoffnung nach Hause, seine Schwester verheiratet mit zahlreichen Kindern vorzufinden, und ist entsetzt über ihr Verhalten Daniel gegenüber. Also überlegt er sich eine List. Mit seiner Armee quartiert er sich unerkannt in der Berghütte ein und plündert das ganze Haus, um Betly vor Augen zu führen, wie gefährlich ein Leben allein ohne Ehemann sein könne. Als er auch noch Daniel zum Duell herausfordert, da er ja nur ein Junggeselle und kein Ehemann sei, gesteht sich Betly ihre Gefühle für Daniel ein und unterzeichnet den Heiratsvertrag, um Daniel zu retten. Max gibt sich als Betlys Bruder zu erkennen und macht durch seine Unterschrift unter den Vertrag die Eheschließung rechtsgültig. Max (Marco Filippo Romano, Mitte) schmiedet mit den Soldaten (Camerata Bach Chor) einen Plan, um seine Schwester zu überlisten. Nicola Berloffa wählt für seine Inszenierung einen recht zeitlosen Ansatz. So vermitteln zwar eine pittoreske Kuckucksuhr an der Rückwand und eine romantische Bergwelt, die beim Öffnen der Türen sichtbar wird, eine idyllische Alpenlandschaft. Die Kostüme der Dorfbewohner, für die Claudia Möbius verantwortlich zeichnet, nehmen aber keinerlei Bezug dazu. So tritt der Chor nach der Ouvertüre in Abendgarderobe auf, als ob sich die Dorfbewohner für ein Fest vorbereitet hätten. Daniel erscheint in einem schicken weißen Anzug. Schließlich denkt er, dass er an diesem Abend mit Betly Hochzeit feiern werde. Erst als Betly ihm eine Abfuhr erteilt und er in die Armee eintreten will, tritt er in dem gleichen grünen Anzug auf, den auch die Soldaten und Max tragen. Das Bühnenbild von Caroline Strauch bleibt recht karg und besteht eigentlich nur aus einer weißen Doppeltür in einer meist rosa angestrahlten Wand und zwei Stühlen und einem Tisch, die auf einem leicht erhöhten Podest in der Mitte, das von grünem Kunstrasen umgeben ist, zwischenzeitlich aufgebaut werden. Dies gibt dem relativ großen Chor auf der doch recht kleinen Bühne genügend Spielraum für die Massenszenen. Betly (Diana Mian) will Daniel (Artavazd Sargsyan, rechts) vor dem vermeintlichen Duell mit Max (Marco Filippo Romano, links) schützen. Die gesprochenen Dialoge zwischen den einzelnen Musiknummern werden auf ein Minimum reduziert, so dass keine Längen im Stück entstehen, der Handlungsverlauf aber noch verständlich bleibt. Die diversen Tanzeinlagen mögen eine Anspielung auf den Ballettkomponisten Adam sein, wobei die spritzigen Musiknummern allerdings auch regelrecht zur Bewegung auffordern. Dies wird vor allem in dem Couplet von Max deutlich, wenn er Wein, Liebe und Tabak beim Militär hochleben lässt. Marco Filippo Romano beweist in diesem Couplet mit großem komödiantischem Talent und beweglichem Bariton, welche Buffo-Qualitäten in ihm stecken. Artavazd Sargsyan lässt mit weichem lyrischen Tenor die Leiden des jungen Daniels spürbar werden. Bei seiner Auftrittsarie wirkt Sargsyan noch ein bisschen unsicher, gewinnt aber im Verlauf des Abends immer mehr an Selbstvertrauen und schafft in seiner großen Romanze kurz vor dem Finale, in der er sich schweren Herzens auf das bevorstehende Duell vorbereitet, emotional bewegende Momente. Diana Mian begeistert mit warmem Sopran als selbstbewusste Betly, die genau weiß, was sie will. Großartig vollzieht sie den Wandel von der nach Unabhängigkeit strebenden Frau in ihrem ersten Couplet, wenn sie Daniels Werben zurückweist, hin zur Liebenden, die im großen Duett mit Daniel erkennt, welche Gefühle sie tief in ihrem Innern für ihn hegt. Happy End mit Hochzeit: Betly (Diana Mian), Daniel (Artavazd Sargsyan) und die Dorfbewohner (Camerata Bach Chor) An einigen Stellen hält sich Berloffa nicht an das Libretto. So belauscht beispielsweise Betly unter dem Tisch das Gespräch zwischen Max und Daniel, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt laut Textbuch die Bühne eigentlich schon verlassen hat. Während man diesen Eingriff noch nachvollziehen kann, weil Daniels Liebesbekenntnisse selbst im Anblick des bevorstehenden Todes ihr vielleicht dann doch die Augen über Daniels wahre Gefühle öffnen und ihr deutlich machen, dass es nicht richtig ist, diesen jungen Mann aus jugendlichem Leichtsinn heraus abzuweisen, bleibt eine andere Änderung unklar. So ist Daniel ebenfalls auf der Bühne anwesend, wenn Max Betly erklärt, auf ein Duell verzichten zu können, wenn Daniel verheiratet sei, und Betly im Anschluss die kleine Notlüge erfindet, bereits mit Daniel verheiratet zu sein. Soll damit plausibel gemacht werden, dass die List von Max aufgeht und Daniel sich nicht verrät? Oder durchschaut Daniel dadurch erst Max' Vorhaben? Diese Frage lässt sich wohl nicht eindeutig beantworten, tut aber dem musikalischen Genuss keinen Abbruch. Das Orchester Virtuosi Brunensis präsentiert unter Leitung von Federico Longo Adams Musik pointiert und changiert geschickt zwischen Bergwelt-Harmonie und heiterem Soldaten-Leben. Der von Ania Michalak einstudierte Camerata Bach Chor zeigt sich in den Rollen als Dorfbewohner und Soldaten äußerst spielfreudig und begeistert durch homogenen Klang. So gibt es am Ende des Abends verdienten, lang anhaltenden Applaus für alle Beteiligten.
FAZIT Von Adolphe Adam möchte man gerne mehr auf der Opernbühne hören. Es wäre schön, wenn diese Inszenierung zu einer Renaissance dieses zu Unrecht vernachlässigten Komponisten beitragen könnte. Für alle, die die Aufführung verpasst haben, besteht die Möglichkeit, am 27. Juli 2013 um 19.05 Uhr eine Aufzeichnung im Deutschlandradio zu verfolgen.
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Wildbad 2013 |
ProduktionsteamMusikalische LeitungFederico Longo Regie Choreographie Bühne
Kostüme Licht Chor
Virtuosi Brunensis Camerata Bach Chor
SolistenDaniel, ein junger Bauer
Max, ein Schweizer Soldat
Betly, Schwester von Max
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- Fine -