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Über den Horizont hinausVon Christoph Wurzel Jedes auf seine Art überschritten die Werke dieses Konzertabends die gewohnten Klanghorizonte. In Wolfgang Rihms Orchesterstück In-Schrift 2 war ein Teil der Instrumentalisten auf den Rängen des Konzertsaals verteilt und die Musik hüllte das Publikum gleichsam ein. Peter Eötvös geht in seinem zweiten Violinkonzert zwar von einer Keimzelle aus nur drei Tönen aus, reizt die Grenzen des traditionellen Konzerts dann aber weit aus, ohne freilich dessen Grundidee zu verleugnen. Noch am wenigsten tat in dieser Hinsicht Arnold Schönberg, der ein Meisterwerk Brahmsscher Kammermusik in exzellenter Feinarbeit in das orchestrale Klangbild der Moderne seiner Zeit transponierte. Dem Komponisten, Dirigenten und Lehrer Peter Eötvös war dieses Konzert zum 70. Geburtstag gewidmet. Und sein 2. Violinkonzert wurde zum spannenden Zentrum des Abends. DoReMi ist es betitelt, also mit dem einfachsten Baustein von Musik, den drei ersten Tönen der Tonleiter. Aus ihnen zündet Eötvös ein unbändiges Musikfeuerwerk, welches das spieltechnische Können aller Beteiligten auf eine harte Probe stellt. Das Werk ist zwar für eine andere Geigerin geschrieben worden, aber wie Patricia Kopatchinskaja es sich aneignete, wirkte es wie gerade für sie geschaffen. Lustvoll nahm sie diese Musik als zirzensischen Wettstreit zwischen Sologeige und Orchester an, in den die ganze Bandbreite musikalischer Kommunikation einkomponiert ist – ein Kräftemessen zwischen widerborstiger Streitlust und harmonischem Einverständnis, im Tonfall von ausgelassenster Spielerei bis hin zu entspanntester Ruhe. Patricia Kopatchinskaja spielte es mit ganzem Körpereinsatz, tanzte bisweilen den Rhythmus mit, drehte sich nach hinten, nach vorn, gespannt wie eine Katze sprang sie gleichsam ihrem Einsatz entgegen. All dies aber nicht aus Effekthascherei, sondern weil ihr die Musik spürbar in den Körper fuhr. So drückte sie diese dann wieder mit ihrer Geige aus. Nicht minder spannungsgeladen parierten die Philharmoniker in diesem musikalischen Duell. Eindrucksvoll übertrugen sich dabei Klangfarben, rhythmische Finessen und emotionale Botschaften aufs Publikum, das am Schluss auch Geigerin, Komponist und Orchester mit Jubelstürmen dankte. Gegenüber diesem handfest konkreten und überbordend temperamentvollen Konzert war Wolfgang Rihms Raumklang-Musik In-Schrift 2 eher ein abstrakter, fast archaisch streng wirkender Einstieg. Das knapp 20minütige Werk ist anlässlich der Fünfzigjahrfeier für den großen Saal der Berliner Philharmonie komponiert und dessen architektonische wie akustische Besonderheiten. Vor allem die wie Weinbergterrassen um das Podium herum aufsteigenden Zuhörerränge ermöglichen es optimal, Rihms Intention dieser Raummusik zu realisieren. Zwischen den sechs auf den Rängen postierten Klarinettisten und zwei Schlagzeugern entspannten sich mit den Musikern auf dem Podium klangliche Dialoge, entstanden Flächen und Verschmelzungen, die für das Publikum teils als solistische, teils als kollektive Klänge wahrnehmbar wurden. Klänge in Schichten und als motivische Elemente breiteten sich im Raum aus und verbanden sich zu einem strukturellen Ganzen. Der Dirigent ermöglichte durch klare Taktgebung die optimale Abstimmung untereinander und die subtile Artikulation der einzelnen Instrumentalisten ließ dieses klangliche Experiment eindrucksvoll gelingen. Gegenüber diesen beiden zeitgenössischen Werken wirkte Schönbergs Orchesterbearbeitung des ersten Klavierquartetts von Johannes Brahms weit weniger experimentell. Mit neben den Streichern starker Bläserbesetzung gab Schönberg dem ausgedehnten Kammermusikwerk wahrhaft symphonische Statur. Daher könnte der Klang kräftiger, voluminöser, opulenter angelegt werden, als es Peter Eötvös in seiner Lesart tat, er betonte eher den durch Schönbergs Instrumentation hindurch scheinenden Klangfarbenreichtum und die erhalten gebliebene kammermusikalische Klarheit. Eine romantische Attitüde oder gar der Eindruck orchestraler Virtuosität ließ er dabei erst gar nicht aufkommen. Recht plakativ nahm er die Polonaise im dritten Satz, die fast zu einem groben Marsch mutierte. Einen leichten Beiklang von Straßenmusik erhielt das abschließende Rondo alla zingarese. Bei allem bewiesen die Philharmoniker aufs Neue ihren enormen Klangsinn und Ausdruckswillen.
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Das ProgrammWolfgang Rihm
Patricia Kopatchinskaja, Violine Berliner Philharmoniker Peter Eötvös, Dirigent
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