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Höchstmaß an PoesieVon Christoph Wurzel / Foto: Christian Fanghänel Bei einem Festival, welches sich dem Lob des Horns verschreiben hat, wie das Musikfest Berlin in diesem Jahr, ist Mahlers Dritte Symphonie natürlich bestens aufgehoben. Das Horn spielt im Orchesterapparat bei Gustav Mahler ohnehin eine herausragende Rolle, ganz besonders prominent aber in der dritten Symphonie und darin im 3. Satz, dem Scherzo, wo Mahler mit Humor und Sehnsucht spielt. Ersteres indem er eines seiner Klavierlieder zum Hauptthema des Satzes macht und Letzteres eben in einem langen Posthornsolo, das im Trio-Teil des Satzes auch noch fünfmal auftaucht und zwar aus der Ferne (bei der exzellenten Akustik in der Philharmonie hier mit ganz wunderbarem Effekt). Seit der Uraufführung wurde viel über den musikalischen Sinn dieser Posthorn-Episode spekuliert. Hörte man der Aufführung des Gewandhausorchesters zu, dann musste es eine Botschaft aus einer anderen Welt sein, die hier in den Konzertsaal drang – inmitten des Getümmels um den (im Lied) zu Tode gefallenen Kuckuck und die an seine Stelle getretene Frau Nachtigall, die uns „den Sommer lang die Zeit und Weil“ vertreiben soll. Mahlers Sicht der Welt, wie sie grotesk und sarkastisch in seinen frühen Symphonien immer wieder musikalisch erzählt wird. Und in diese Welt dringt ein Signal aus einer anderen Sphäre, schön, volkstümlich und nostalgisch: ein Posthorn, das Mahler selbst auf den Feldern seiner böhmischen Heimat oft gehört haben mag. Bestimmt ein Glücksversprechen, jedenfalls wenn es so überirdisch schön geblasen wird wie hier vom Solotrompeter des Gewandhausorchesters. Doch auch bereits im ersten Satz gibt es Passagen innerer Ruhe und Gelöstheit. Hier haben besonders die Posaunen die Aufgabe, aus den Extremen der von Mahler errichteten Klangwelt, den forschen Märschen und katastrophischen Ausbrüchen herauszuführen und Momente der Abwendung von dieser Welt zu schaffen. Mahlers Musik spricht eine tief emotionale Sprache. Und diese in der Musik auszudrücken, gelang in dieser Aufführung auf ganz besondere Weise. Alan Gilbert sorgte hierfür mit phänomenalem Gespür und einer Aufmerksamkeit für den musikalischen Fluss, dass kein Detail der Partitur entging. Gilbert dirigierte auswendig, so war die Kommunikation mit dem Orchester optimal, selbst im größten Getümmel blieb die Kontrolle erhalten. Mahlers musikalische Poesie braucht in den frühen Symphonien (wenn man von der achten absieht) auch die menschliche Stimme, die in der dritten vom Schuldigwerden, von Reue, Erbarmen und Erlösung spricht. Mit echtem Pathos im 4. Satz (Nietzsche) und gespielter Naivität (im anschließenden „Engelsgesang“) müssen sich die Ausführenden auseinandersetzen. Gerhild Romberger sang das weltschmerzerfüllte „O Mensch, gib acht!“ mit einer Geste warmer Empathie und wissender Erkenntnis, zudem besonders schön intoniert. Auch die Leipziger Chöre erfüllten ihren Part mit Bravour. Das Orchester formte einen Klang, der die Poesie der Mahlerschen Musiksprache berührend Ausdruck verlieh. Wie detailliert die Vortragsbezeichnungen auch in der Partitur beschreiben werden, achtsam erfüllten die Instrumentalisten ihre Vorgaben: wild, keck, zart, sentimental. Das Orchester spielte auch das, was zwischen den Noten steht. Kein Wunsch musste offen bleiben.
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Das ProgrammGustav Mahler
Gerhild Romberger, Alt Damen des Chores der Oper Leipzig Damen des Gewandhauschores Gewandhaus Kinderchor Gewandhausorchester Leipzig Alan Gilbert,
Dirigent
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