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Veranstaltungen & Kritiken Musikfestspiele |
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Klangvokal Musikfestival Dortmund 22.05.2014 - 22.06.2014
La Calisto
in italienischer Sprache Aufführungsdauer: ca. 2 h (eine Pause) Aufführung im Orchesterzentrum / NRW in Dortmund am 30. Mai 2014 |
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Marionettenspiel ohne Illusion Von Thomas Molke / Foto von © Bülent Kirschbaum Francesco Cavallis La Calisto gehört neben den Opern von Claudio Monteverdi zu den zentralen Werken der Opernliteratur des 17. Jahrhunderts. Seit Monteverdi 1842 in seiner L'Incoronazione di Poppea erstmals historische Figuren anstelle mythischer Gestalten auf die Bühne gestellt hatte, waren die Opernhelden keine entrückten Fabelwesen mehr. So trugen auch bei Cavalli die antiken Götter absolut menschliche Züge und ließen bei aller Komik und barocker Buntheit eine zynische Kritik an den Herrschenden im Allgemeinen erkennen. Das 1991 von Absolventen der Prager Theaterakademie gegründete private Puppentheater "Buchty a Ioutky", was sich in etwa mit "Kuchen und Puppen" übersetzen lässt, hat eine Fassung dieser Oper erarbeitet, bei der Sängerdarsteller neben den Marionetten agieren und die nun im Rahmen des Klangvokal Musikfestivals eine Deutschland-Premiere erlebt. Calisto (Hana Bla žíková) trifft auf Merkur (Tomáš Lajtkep, 2. von rechts) und Giove (Tomáš Král, rechts).Die Handlung stammt mit einigen Abänderungen aus Ovids Metamorphosen. Giove (Jupiter) besichtigt gemeinsam mit dem Götterboten Mercurio (Merkur) den Schaden, den der mit dem Sonnenwagen verunglückte Phaeton auf der Erde angerichtet hat, und wird dabei auf die reizende Nymphe Calisto aufmerksam. Da diese sich jedoch als keusche Dienerin der Jagdgöttin Diana Gioves Werben widersetzt, verwandelt sich Giove auf Anraten Mercurios kurzerhand in Diana, um die ahnungslose Nymphe zu verführen. Gioves Ehefrau Giunone kommt ihrem Gatten auf die Schliche und rächt sich an Calisto, indem sie sie in einen Bären verwandelt. Giove tröstet seine unglückliche Geliebte, indem er sie als Sternbild des Großen Bären an den Himmel versetzt, wo er ihr immer nah sein kann. Ein weiterer Handlungsstrang erzählt von dem jungen Schäfer Endimione, der sich in unglücklicher Liebe zu der Jagdgöttin Diana verzehrt. Auch die Göttin fühlt sich zu diesem wunderschönen Jüngling hingezogen und sieht ihr Keuschheitsgelübde gefährdet. Aus der Not heraus versetzt sie ihn folglich in ewigen Schlaf, damit er weiter von ihr träumen kann und sie ihn unbeschadet küssen kann, ohne dass ihr Ruf Schaden erleidet. Diana (Barbora Sojková) und Endimione (Jan Mikušek) Da bei der Aufführung auf Übertitel verzichtet wird und man nicht während der Vorstellung das im Programmheft abgedruckte Libretto lesen, sondern das Geschehen auf der Bühne verfolgen soll, tritt zu Beginn der einzelnen Szenen ein Puppenspieler mit einer Figur auf, deren Kopf an den berühmten tschechischen Spejbl erinnert, der gemeinsam mit seinem Marionettensohn Hurvinék viele Jahre lang in den damaligen Ostblockländern die Kinder mit zahlreichen Geschichten erfreute. Es mag sein, dass der eine oder andere Besucher diese Figur mit einem verklärten Blick in vergangene Zeiten betrachten kann. Verzaubern kann diese Marionette, die an einem langen Stock geführt wird, allerdings nicht. Unklar bleibt auch, wieso der Marionettenspieler die viel zu langen Arme der Figur löst und theatralisch zum Kopf führt. Da hätte eine sachliche kurze Schilderung der folgenden Ereignisse vollkommen ausgereicht. Auch die "niedliche" Bärenfamilie, die teilweise recht unmotiviert auf der Bühne auftaucht, mag zwar als Anspielung auf Calistos spätere Verwandlung gedacht sein, wirkt für den eigentlichen Handlungsablauf aber größtenteils unmotiviert. Das größte Problem besteht aber darin, dass wegen der absolut kleinen Puppenbühne und der ständigen Sichtbarkeit der Puppenspieler die Illusionen, die das Puppenspiel eigentlich erzeugen soll, völlig zerstört werden. Hinzu kommt, dass die Sängerdarsteller in ihrem reduzierten Spiel so viel Bühnenpräsenz zeigen, dass das Puppenspiel zur absoluten Nebensache wird, zumal es auch nicht immer auf den gesungenen Text abgestimmt ist. So erscheinen einige Figuren viel zu spät oder führen nicht die Handlung aus, die im Text gerade geschildert wird. Schlussapplaus mit Puppenspielern und Marionetten: Sängerdarsteller von links: Endimione (Jan Miku šek), Giunone und Diana (Barbora Sojková), Calisto (Hana Blažíková), Merkur (Tomáš Lajtkep) und Giove (Tomáš Král)Selbst der eigentlich gelungene Moment, in dem sich Giove in Diana verwandelt, der Marionette Brüste zum Zeichen der Verwandlung "angeschraubt" werden und gedroht wird, ihn mit einer Säge seiner Männlichkeit zu berauben, wirkt bei der Übertragung auf den Sängerdarsteller noch gelungener, da dieser beim Anblick der Säge vom Bariton in einen Countertenor wechselt und mit seiner hohen Stimme dem Puppenspieler glaubhaft macht, dass auf die Säge bei ihm verzichtet werden kann. Calistos Verwandlung in eine Bärin vollzieht sich dann an der Marionette, indem die Beine, der Kopf und ein Arm abmontiert werden und durch Teile eines Bären ersetzt werden. Wieso allerdings nur ein Arm ausgetauscht wird, bleibt unklar. Hat man den anderen Arm nicht gefunden, war es ein zeitliches Problem oder sollte der verbleibende Menschenarm andeuten, dass es sich nicht um einen wirklichen Bären handelt, zumal die Figur ja auch noch das Kleid der Nymphe trägt? Was die Kostüme betrifft, wird zwischen Sängerdarstellern und Marionetten übrigens nur bei Calisto eine Verbindung hergestellt, da Hana Blažíková wie die Marionette ein weißes Kleid trägt und damit noch eine gewisse Ähnlichkeit zwischen den beiden besteht. Die anderen Sängerdarsteller tragen schwarze Kleidung, kommen mit einzelnen Attributen den Figuren allerdings näher als die Marionetten. So macht der Flügel, den Tomáš Lajtkep als Merkur trägt, den Götterboten wesentlich deutlicher als die Marionette. Doch die Aufführung hat auch schöne, bewegende Momente. Zu nennen ist hier der Anfang, wenn die Sängerdarsteller mit kleinen Flammen in den Händen auftreten und den Weltenbrand andeuten, der der eigentlichen Geschichte vorausgegangen ist. Auch das Ende, wenn hinter einem kleinen weißen Tuch über der Marionettenbühne sich die einzelnen Lichter zu einem Sternbild zusammensetzen und damit deutlich machen, wie Calisto als Großer Bär an den Himmel versetzt worden ist, versöhnt mit der einen oder anderen vorherigen Ungereimtheit. Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau. Nach anfänglichen Ungenauigkeiten während des Vorspiels finden die sieben Musiker des Collegium Marianum unter der Leitung der Flötistin Jana Semerádová zu einem innigen Klang, der Cavallis wunderbaren Melodienbögen vollkommen gerecht wird. Hana Blažíková stattet die Titelpartie mit einem wunderbar leuchtenden Sopran aus und entwickelt im Spiel wesentlich mehr Anmut als ihre Marionette, so dass man eher ihrer Gestik und Mimik folgt als den Bewegungen der Puppe. Tomáš Král beweist als Göttervater Giove bemerkenswerte stimmliche Flexibilität. So überzeugt er sowohl mit kräftigem Bariton als auch mit einem perfekten Registerwechsel in den Countertenor, wenn er sich in die Jagdgöttin Diana verwandelt. Barbora Sojková gelingt es mit leicht schneidendem Sopran den beiden Göttinnen Diana und Giunone stimmlich und darstellerisch ein unterschiedliches Profil zu geben. Jan Mikušek stattet den Endimione mit weichem Countertenor aus, und Tomáš Lajtkep rundet als Merkur das Ensemble stimmlich überzeugend ab. So gibt es großen Applaus für alle Beteiligten im nicht ganz ausverkauften Saal des Orchesterzentrums NRW. FAZIT Die Aufführung hätte nur mit den Sängerdarstellern und dem Orchester ohne das Puppenspiel die gleiche Faszination erlangt. Weitere Rezensionen zum Klangvokal Festival Dortmund 2014.
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ProduktionsteamMusikalische Leitung und Flöte Regie Bühnenbild Kostüme Licht und Ton Puppenspiel
Collegium Marianum (Prag) Puppentheater Buchty a Ioutky
Solisten
Calisto
Diana / Giunone
Endimione
Merkur
Giove
Weitere |
- Fine -