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DomStufen-Festspiele Erfurt

10.07.2014 - 27.07.2014

Jedermann - Die Rockoper

Rockoper in zwei Akten
Text von Peter Lund nach Hugo von Hofmannsthal
Musik von Wolfgang Böhmer


in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere auf den Domstufen am Domberg in Erfurt am 10. Juli 2014


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Die Kunst, sterben zu lernen

Von Thomas Molke / Fotos von Lutz Edelhoff


Bereits 2000 und 2001 präsentierten die DomStufen-Festspiele Erfurt auf den Domstufen am Domberg Hofmannsthals Jedermann. Der damalige Generalintendant Dietrich Taube erweiterte bei dieser Produktion den Theatertext durch Instrumental- und Vokalmusik von Johann Sebastian Bach. In diesem Jahr ist man einen Schritt weiter gegangen. Wolfgang Böhmer, der seit 1993 die Neuköllner Oper in Berlin mit zahlreichen Kompositionen nachhaltig geprägt hat, hat die Geschichte des Jedermann als Rockoper vertont. Regisseur und Autor Peter Lund, mit dem Böhmer bereits zahlreiche Musicals komponiert hat, hat dazu Hofmannsthals Text bearbeitet und in der Geschichte einige andere Schwerpunkte gesetzt. Dass Lund den von ihm verfassten Text selbst in Szene setzt, versteht sich dabei im Sinne der Werktreue gewissermaßen von selbst. Zum zweiten Mal gibt es also in der Geschichte der DomStufen-Festspiele eine Uraufführung als Auftragswerk, und zum zweiten Mal beschäftigt man sich bei den Festspielen mit dem Stoff des Jedermann.

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Jedermann (Andreas Lichtenberger) und seine Liebste (Nadja Mchantaf) in ihrem "silbernen Paradies"

Lund nimmt in seiner Fassung der Geschichte zwar nicht den religiösen Rahmen, schwächt ihn allerdings deutlich ab und rückt den Tod stärker ins Zentrum des Geschehens. So ist es nicht der "liebe Gott", der zu Beginn des Stückes beschließt, den Jedermann sterben zu lassen, um ein Exempel zu statuieren, sondern der Tod selbst, der den Jedermann als "nächstes Opfer" auserwählt hat. Gott steht hierbei als alter Gärtner, der von Jedermann wegen eines nicht beseitigten Wurms im Paradiesgarten seiner Liebsten entlassen wird, auf der gleichen allegorischen Stufe wie der Teufel oder die guten Werke. Die Buhlschaft heißt bei Lund "die Liebste", der eine tiefere Bedeutung als bei Hofmannsthal zukommt. Lund sieht in ihr den Wegweiser in ein richtiges Leben. Zwar stößt Jedermann sie zunächst von sich, als auch sie sich weigert, gemeinsam mit ihm vor den höchsten Richter zu treten. Aber der Tod holt sie bereits vor ihm und lässt sie als gottlose Kreatur verbrennen. Wenn Jedermann am Ende durch die Frau des Schuldners, die als Werke auftritt, erkennt, dass er sich von seinen irdischen Gütern trennen muss, um richtig sterben zu können, erscheint seine Liebste dann erneut und geleitet ihn doch noch feierlich auf seinem letzten Gang.

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Die Mutter (Katja Bildt, mit dem Teufel (Martin Schäffner, vorne) und Mitgliedern des Opernchors) in ihrem Element

Die natürliche Kulisse der Domstufen bietet ein passendes Ambiente, das Hank Irwin Kittel noch durch zahlreiche Bühneneffekte anreichert. Zu nennen ist hier das silberne Paradies, das Jedermann seiner Liebsten schenkt. Aus einem Podest auf den Treppen steigen zahlreiche silbern glänzende Stangen empor, und die Liebste wird in einem fantasievollen Bühnenbild mit silbernen Figuren und Formen auf die Bühne gefahren. Bei allem Luxus wirkt dieses Bild recht kalt und macht deutlich, dass der zur Schau gestellte Reichtum nicht mit wahrer Liebe gleichzusetzen ist. Wenn Jedermann seine Schatztruhe öffnet, um zumindest sein Geld mit in den Tod zu nehmen, hüllt ihn weißer Nebel ein, bevor der Mammon als Transvestit im Glitzerkostüm auftritt und ihm klar macht, dass auch er ihn nicht auf seinem letzten Weg begleiten wird. Auch die Verbrennung der Liebsten wird mit großem Show-Effekt in Szene gesetzt. Auf den oberen Stufen wird ein gewaltiges Feuer entfacht, dem die Liebste scheinbar geopfert wird. Die Kostüme von Ulrike Reinhard sind fantasievoll gestaltet und begeistern vor allem bei den allegorischen Figuren, sei es nun der Teufel, der in seinem feuerroten Kostüm wie ein wildes Ungeheuer aussieht, oder der Tod, der in seinem schwarz-weißen Kostüm mit einem eiförmigen Kopf und großen Brüsten über dem skelettartigen Körper recht surreale Züge annimmt. Das Personal des Jedermann ist in den gelben Kostümen ebenfalls sehr skurril gezeichnet. Nur die Frau des Schuldners, die hinterher auch als Werke auftritt, macht in ihrem einfachen schwarzen Kleid deutlich, dass es für das wahre Leben nicht auf irgendwelchen Glanz ankommt.

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Jedermann (Andreas Lichtenberger) trifft auf den Tod (Brigitte Oelke).

Musikalisch erinnert das Werk eher an ein Musical als an eine Oper, was zum einen dem Musikstil, zum anderen den gesprochenen Zwischentexten geschuldet sein dürfte. Stellenweise glaubt man Anklänge an Webbers Jesus Christ Superstar wahrzunehmen, wenn beispielsweise der Tod zu Beginn auftritt und aus der Masse der Menschen auf der Treppe den Jedermann als nächstes "Opfer" auswählt. An dieser Stelle kommt das Werk der Bezeichnung "Rockoper" am nächsten. Bei "Mammons Tanz" im zweiten Teil lässt sich eine Nähe zum Song "Money, Money" aus Cabaret nicht leugnen. Humoristische Züge beweist die Musik beim ersten Auftritt der Mutter. Während sie zunächst inmitten zahlreicher Geistlicher pietätvoll die Domstufen herabschreitet, löst sie sich dann aus dem klerikalen Singsang und rockt regelrecht ab, was beim Publikum große Begeisterung hervorruft. Die Lieder der Liebsten erinnern in ihrer Struktur an Opernarien, während die musikalischen Einlagen des Personals keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Großen Humor beweist auch Lunds Text. Einerseits imitiert er die Versform der Vorlage und spart dabei nicht mit Fremdzitaten von Goethe, andererseits verleiht er der Liebsten absolut humoristische Züge, wenn sie Jedermanns Heiratsantrag abweist, da dies kein Zeichen von Liebe sei. Auch dem Teufel legt Lund gerade im Dialog mit Gott einige recht freche Äußerungen in den Mund.

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Allegorien unter sich: Werke (Marysol Ximénez-Carrillo), der Teufel (Martin Schäffner) und Mammon (Máté Sólyom-Nagy)

Das Ensemble präsentiert sich spielfreudig und weiß, auch stimmlich zu überzeugen. Andreas Lichtenberger gestaltet die Titelpartie vielschichtig mit kräftigem Timbre. Dabei versteht er es, den Jedermann nicht zu negativ zu zeichnen, sondern sein Handeln durchaus nachvollziehbar zu machen. Brigitte Oelke begeistert als Tod mit einer Soul-Stimme, die es stellenweise richtig rocken lässt. Faszinierend ist auch ihr zynisch kommentierender Tonfall. Nadja Mchantaf stattet die Liebste mit einem warmen Sopran aus, gibt sich in den Sprechpassagen aber wesentlich weniger lieblich und bietet Jedermann in jeder Hinsicht Paroli. Katja Bildt zeigt als Mutter großes komödiantisches Talent, wenn sie in ihrem religiösen Wahn ihren Sohn dazu drängt, endlich zu heiraten und Kinder in die Welt zu setzen. Auch ihr gelingt ein beeindruckender Wechsel von opernhaftem Gesang zu rockigen Ausbrüchen. Máté Sólyom-Nagy beweist darstellerische Vielseitigkeit, wenn er sich vom hilflosen Schuldner in den exaltierten Mammon in Strapsen mit Glitzerumhang und Langhaarperücke verwandelt. Das Personal und die Verwandten überzeugen vor allem in den Choreographien von Cedric Lee Bradley. Jürgen Grimm setzt Böhmers Musik mit dem Philharmonischen Orchester Erfurt, das um die Band Lidenbrock erweitert ist, differenziert um, so dass es am Ende großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Diese Uraufführung erweist sich für die DomStufen-Festspiele als musikalisch und szenisch geeignetes Werk, dem sich auch das Wetter zumindest am Tag der Uraufführung geneigt zeigt. Nach heftigen Regenschauern an den Vortagen blieb es nämlich während der kompletten Aufführung trotz angesagter Gewitterschauer in der Wettervorhersage trocken. Ob das Stück musikalisch die Qualitäten hat, sich den Weg ins Repertoire zu erarbeiten, bleibt abzuwarten.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jürgen Grimm

Inszenierung
Peter Lund

Bühnenbild
Hank Irwin Kittel

Kostüme
Ulrike Reinhard

Choreographie
Cedric Lee Bradley

Choreinstudierung
Andreas Ketelhut

Dramaturgie
Arne Langer


Opernchor des Theaters Erfurt

Statisterie des Theaters Erfurt

Philharmonisches Orchester Erfurt

Band Lidenbrock


Solisten

*Premierenbesetzung

Jedermann
Andreas Lichtenberger

Der Tod
Brigitte Oelke

Die Liebste
*Nadja Mchantaf /
Caterina Maier

Die Mutter
Katja Bildt

Gott / Gärtner
*Robert Wörle /
Nils Stäfe

Der gute Gesell
Jörg Rathmann

Schuldners Frau / Werke
Marysol Ximénez-Carrillo

Der Schuldner / Mammon
Máté Sólyom-Nagy

Teufel
Martin Schäffner

Der Vogt
Stefan Voigt

Die Köchin
*Keren Trüger /
Tina Schöltzke

Der Knecht
*Matthias Knaab /
Tim Ludwig

Der dicke Vetter
*Maciej Salamon /
Tim Ludwig

Der dünne Vetter
*Andres Esteban /
Tim Ludwig

Die Base
*Teresa Scherhag /
Tina Schöltzke

Fräulein
*Venera Jakupov /
Tina Schöltzke

Jedermann als Kind
*Philipp Cremer /
Cornelius Joseph

Werke als Kind
*Emilia Blokdijk /
Franziska Joseph


Weitere
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(Homepage)



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