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Musikfestspiele
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Internationale Händel-Festspiele Göttingen
29.05.2014 - 10.06.2014

Faramondo

Oper in drei Akten (HWV 39)
Nach einem Libretto von Apostolo Zeno
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 55' (eine Pause)

Premiere im Deutschen Theater Göttingen am 31. Mai 2014

 

 

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Krieg im Casino

Von Thomas Molke / Fotos von Theodoro da Silva

Händels letzte heroische Oper Faramondo entstand zu einer Zeit, als der Erfolg der italienischen Oper in London nicht zuletzt durch die große Begeisterung des Publikums für die weniger anspruchsvollen Balladen-Opern, von denen John Gays Beggar's Opera wohl die berühmteste gewesen sein dürfte, immer mehr nachließ. Händels dritte Opernakademie am Theatre Royal in Covent Garden war gerade zusammengebrochen und sein Gesundheitszustand durch einen Schlaganfall in Mitleidenschaft gezogen. Nach einem Kuraufenthalt in Aachen kehrte Händel im Herbst 1737 nach London zurück und schloss sich erneut mit seinem alten Freund John Jacob Heidegger zusammen, der sich nach dem Zusammenbruch von Händels zweiter Opernakademie der rivalisierenden Opera of Nobility angeschlossen hatte. In gerade mal sieben Wochen vertonte er ein Libretto von Apostolo Zeno, wobei er sich, wie neuere Forschungsarbeiten zeigen, in weiten Teilen einer Komposition bediente, die Francesco Gasparini bereits 1720 in Rom zur Uraufführung gebracht hatte. Obwohl sein Faramondo bei der Uraufführung begeistert aufgenommen wurde, verschwand das Werk nach wenigen Vorstellungen von den Spielplänen und gelangte erst 1976 bei den Händel-Festspielen  in Halle zur Wiederentdeckung. Doch im Gegensatz zu anderen Händel-Opern schaffte Faramondo trotz großartiger Arien auch da nicht den Sprung ins Repertoire, so dass es neben einer Universitäts-Aufführung 1989 nur noch eine konzertante Aufführung 2008 im Rahmen des Festivals Settimane Musicali di Ascona unter der Leitung von Diego Fasolis gab, die auch auf CD eingespielt wurde.

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Faramondo (Emily Fons) in den Trümmern eines Spielcasinos

Die Oper handelt von dem legendären ersten König der Franken, Faramond, den ein heute unbekannter Mönch im achten Jahrhundert in die Chronik über die Geschichte der Franken eingefügt hat. Auf dieser Grundlage verfasste der französische Geschichtsschreiber Gautier de Coste de la Calprenède 1661 den zwölfbändigen Roman Faramond ou L'Histoire de la France, der wiederum Apostolo Zeno für sein Opernlibretto diente. Im Mittelpunkt der Handlung stehen dabei ein Fluch, zwei Dreiecksgeschichten und eine Verwechslung, die das lieto fine ohne göttliches Eingreifen herbeiführt. Faramondo, der König der Franken, hat im Kampf gegen die Kimber Sveno, den Sohn des Königs Gustavo getötet, woraufhin dieser ewige Rache schwört. Dieser Rache steht im Weg, dass er sich in Faramondos Schwester Clotilde verliebt, die er gefangen genommen hat und in die aber auch sein Sohn Adolfo verliebt ist. Faramondo hingegen liebt Gustavos Tochter Rosimonda, auf die auch sein Verbündeter Gernando, der König der Schwaben, ein Auge geworfen hat, so dass es zwischen den beiden Bündnispartnern zum Zerwürfnis kommt und Gernando sich mit Gustavos Feldherr Teobaldo zusammenschließt, der nicht nur Faramondo, sondern auch Gustavo beseitigen will. Als Faramondo die von Gernando entführte Rosimonda befreit und Teobaldos Attentat auf Gustavo vereitelt, steht dem glücklichen Ende nur noch Gustavos Fluch im Weg, der ihn zwingt, den Mörder seines Sohnes zu töten. Da stellt sich allerdings heraus, dass Sveno gar nicht Gustavos, sondern Teobaldos Sohn war. Kurz nach der Geburt hatte Teobaldo seinen Sohn nämlich mit dem eigentlichen Thronfolger, Childerico, vertauscht, um seinem eigenen Sohn zur Herrschaft zu verhelfen. Damit ist der Fluch gelöst. Gustavo verzichtet zugunsten seines Sohnes Adolfo auf Clotilde, gewährt Faramondo die Hand seiner Tochter Rosimonda, und alle stimmen in den Jubel ein, dass die Tugend erneut den Sieg davongetragen habe.

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Objekt der Begierde: Rosimonda (Anna Starushkevych)

Das Regie-Team um Paul Curran verlegt die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Franken und Kimbern in ein Spielcasino, das von Gustavo geleitet wird und in dem unterschiedliche Banden mit mafiösen Strukturen um die Vorherrschaft kämpfen. Bühnenbildner Gary McCann schafft dabei mit hohen geschwungenen Bühnenwänden einen Raum, der mit seinen zahlreichen verschachtelten Wegen an ein Labyrinth mit vielen Geheimgängen erinnert, die sich auch hinter in den Wänden verborgenen Türen befinden. In leuchtendem Rot sieht man hier auf der einen Seite einen luxuriös ausgestatteten Bereich, in dem finanzkräftige Herrschaften in schicker Abendgarderobe ihrem Vergnügen beim Spiel nachgehen, und auf der anderen Seite graue Betonwände, die wahrscheinlich die Kellergewölbe dieses Casinos darstellen, in denen man sich unliebsamer Gäste entledigt. Zu Beginn dominiert ein riesiger Spieltisch die Bühne, der im ersten Akt den Luxus manifestiert und im dritten Akt, wenn er umgestürzt und die Tapete teilweise von den Wänden gerissen worden ist, ein Bild der Verwüstung bietet. Erst wenn Faramondo die Ordnung wiederhergestellt hat, kehrt im Schlussbild alles wieder an den Anfang zurück. Nur die herabgerissene Tapete zeugt noch von den vergangenen Ereignissen. Die Frauen fungieren in dieser Welt als Statussymbole, was McCann in den wunderbaren Abendkleidern und den hochhackigen Schuhen zum Ausdruck bringt, in denen sich Clotilde und Rosimonda optisch äußerst ansprechend über die Bühne bewegen.

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Auch Gernando (Christopher Lowrey) träumt von der Prinzessin.

Musikalisch bietet die Oper einige wunderbare Perlen, die die Frage aufwerfen, wieso diesem Werk nicht mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zu nennen sind hier zwei eindringliche Duette am Ende des zweiten und zu Beginn des dritten Aktes. In "Vado e vivo / Vanne e vivi" hat Rosimonda sich endlich ihre Liebe für Faramondo eingestanden und befreit ihn aus der Gefangenschaft ihres Vaters. Auch wenn beide in diesem Duett noch kein glückliches Ende für ihre Liebe sehen, hoffen sie dennoch, dass ihre Treue über die Grausamkeit siegen wird. Anna Starushkevych und Emily Fons finden als Rosimonda und Faramondo in diesem Duett stimmlich und darstellerisch zu einer Innigkeit, die das Publikum vor Begeisterung toben lässt. Gleiches gilt für das Duett "Caro, / Cara, tu m'accendi nel mio core" zwischen Clotilde und Adolfo im dritten Akt, wenn beide sich ihre Liebe gestehen. Anna Devin und Maarten Engeltjes stehen als Clotilde und Adolfo dem anderen Paar in stimmlicher und darstellerischer Innigkeit in nichts nach. Einen weiteren musikalischen Höhepunkt stellt Clotildes Arie "Combattuta da due venti" im zweiten Akt dar. Clotilde hofft auf Rosimondas Beistand, da sie der Meinung ist, dass die Prinzessin Faramondo retten kann, doch diese hat ihr erwidert, dass nur Clotilde Gustavo mit ihrer Liebe besänftigen könne. In dieser Zwickmühle präsentiert Clotilde die Metapher vom sturmgepeitschten Schiff, das verzweifelt versucht, das rettende Ufer zu erlangen. Devin punktet hier mit grandiosen Koloraturen und dramatischem Spiel, auch wenn man nicht weiß, wieso Curran sie bei der Wiederholung des A-Teils mit einem Pizza-Karton auftreten und zwischendurch in die Pizza beißen lässt. Wie gut Händel die Arien mit den handlungstragenden Rezitativen vernetzt, wird vor allem in Rosimondas Arie "Sappi, crudel, io t'amo" im dritten Akt deutlich, in der sie dem zur Selbstopferung bereiten Faramondo ihre Liebe erneut gesteht und sogar mit ihm in den Tod gehen will. Natürlich darf auch für die Titelpartie die Bravourarie nicht fehlen, die ebenfalls im dritten Akt untergebracht ist, wenn Faramondo mit dem Schlachtruf "Voglio che sia l'indegno" seine Krieger gegen Gustavo mobilisiert, dann allerdings erkennt, dass er damit gegen den Vater seiner Geliebten antreten muss.

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Clotilde (Anna Devin) bei ihrer Gleichnisarie vom sturmgepeitschten Schiff auf hoher See

Das FestspielOrchester Göttingen stellt unter der Stabführung des künstlerischen Leiters der Festspiele, Laurence Cummings, seinen herausragenden Ruf als Händel-Barock-Orchester erneut unter Beweis und arbeitet die Klangvielfalt der Partitur in allen Schattierungen sorgfältig heraus. Zur Seite steht dem Orchester ein hervorragendes Sängerensemble auf Festspielniveau, allen voran die großartige Emily Fons in der Titelpartie. Mit virilem Spiel bewegt sich ihr Mezzosopran regelrecht spielerisch durch die halsbrecherischen Koloraturen und verfügt auch in den Höhen über eine enorme Strahlkraft. Von dieser Sängerdarstellerin dürfte man in den kommenden Jahren vor allem im Bereich der Hosenrollen noch einiges erwarten. Anna Starushkevych präsentiert sich als Rosimonda nicht nur optisch in ihren mondänen Kleidern und auf hochhackigen Schuhen als eine Augenweide, sondern wird auch stimmlich mit einem sanften Mezzosopran der Partie in jeder Hinsicht gerecht. Anna Devin steht ihr als Clotilde optisch in nichts nach und überzeugt mit großartigen Koloraturen und dramatischen Ausbrüchen. Maarten Engeltjes verleiht dem Adolfo mit seinem lyrischen Countertenor einen sehr weichen Charakter, der in wunderbarem Einklang zur Milde der Figur steht. Auch Christopher Lowrey weiß als Gernando mit seinem Countertenor zu überzeugen. Dass Curran ihn ständig an irgendwelchen Unterhöschen schnüffeln lässt, die augenscheinlich von Rosimonda stammen, wird zumindest von einem Teil des Publikums mit Amüsement goutiert. Njål Sparbo verleiht dem Gustavo mit einem dunkel geführten Bass die erforderliche Autorität, und Edward Grint und Iryna Dziashko runden als Teobaldo und Childerico das großartige Sängerensemble hervorragend ab, so dass es am Ende frenetischen Applaus für alle Beteiligten gibt, in den sich auch das Regie-Team ohne Einbußen einreiht.

FAZIT

Paul Curran gelingt ein moderner Ansatz zu der recht abstrusen Handlung der selten gespielten Oper, der dramaturgisch aufgeht und durch präzise Personenregie überzeugt. Musikalisch und stimmlich lässt dieser Abend keine Wünsche offen.

Zur Übersicht über die Internationalen Händel-Festspiele Göttingen 2014

 

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Laurence Cummings

Regie
Paul Curran

Bühnenbild und Kostüme
Gary McCann

Licht
Kevin Treacy



FestspielOrchester Göttingen

Statisterie

 

Solisten

Faramondo
Emily Fons

Clotilde
Anna Devin

Rosimonda
Anna Starushkevych

Gustavo
Njål Sparbo

Adolfo
Maarten Engeltjes

Gernando
Christopher Lowrey

Teobaldo
Edward Grint

Childerico
Iryna Dziashko

 

Weitere
Informationen

erhalten Sie unter
Händel-Festspiele Göttingen
(Homepage)



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