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37. Händel-Festspiele

21.02.2014 - 03.03.2014

Rinaldo

Oper in drei Akten (HWV 7a)
nach einem Libretto von Aaron Hill & Giacomo Rossi
für Marionettentheater bearbeitet von Eugenio Monti Colla und Wolfgang Katschner
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Badischen Staatstheater im Rahmen der Festspiele am 1. März 2014
(Premiere der Produktion: 04.06.2011 im Goethe-Theater Bad Lauchstädt)

 

 
 
Badisches Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)

Ritterspektakel mit Marionetten

Von Thomas Molke / Fotos von Ida Zenna und Associazione Grupporiani (Piero Corbella)

Nachdem die 37. Händel-Festspiele vor einer Woche mit Riccardo Primo eröffnet worden sind, einer absoluten Rarität, deren Uraufführung kurz vor der Auflösung von Händels erster Musikakademie in London stand, ist die zweite Opernproduktion einem Werk gewidmet, mit dem Händels kometenhafter Aufstieg in London begann. Rinaldo stellt dabei nicht nur Händels erste Londoner Oper, sondern die erste für London komponierte italienische Oper überhaupt dar. Ein verbindendes Element zwischen den beiden Opernproduktionen ist sicherlich im gewählten Sujet zu finden, da beide Geschichten in der Ritterromantik der Kreuzzüge spielen. Auch auf den barocken Zauber wird in beiden Inszenierungen ein besonderer Schwerpunkt gelegt. Doch während Benjamin Lazar in seiner Inszenierung von Riccardo Primo diesen mit barocker Gestik und opulenten Kostümen im Kerzenschein einfängt, sind es bei Rinaldo die Puppen des Mailänder Marionettentheaters Carlo Colla e Figli, die den Zuschauer in eine längst vergangene Aufführungspraxis mit spektakulären Effekten und aufwändigen Szenarien eintauchen lassen.

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Rinaldo und Almirena träumen von einer gemeinsamen Zukunft (Foto: Associazione Grupporiani).

Die Compagnia Marionettistica Carlo Colla e Figli ist eine der ältesten Marionettentheater, deren Wurzeln bis ins Ende des 18. Jahrhunderts zurückreichen. Damals hatte der reiche Kaufmann Giovanbattista Colla einen Saal seines Palastes in Mailand zur eigenen Unterhaltung mit einem Marionettentheater ausstatten lassen. 1861 gründete sein Sohn Carlo dann die heute noch bestehende Compagnia, die bald schon mit dem Teatro Gerolamo eine feste Spielstätte in unmittelbarer Nähe der Scala bekommen sollte, die sie bis 1957 nutzen konnte. Seitdem gastiert die Compagnia mit ihren Aufführungen in Theatern und Festivals auf der ganzen Welt. Bei einem umjubelten Gastspiel im Goethe-Theater Bad Lauchstädt im Rahmen des Festivals Theater der Welt entstand 2008 die Idee, eine Zauberoper Händels mit den Mitteln des italienischen Marionettentheaters umzusetzen. So entstand gemeinsam mit der Lautten Compagney Berlin und Wolfgang Katschner diese Produktion, die nach ihrer Premiere am 4. Juni 2011 im Rahmen der Händel-Festspiele in Halle nun erneut auf Tournee geht und so auch bei den diesjährigen Händel-Festspielen in Karlsruhe gastiert.

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Armida und Argante wollen die Kreuzritter vernichten (Foto: Associazione Grupporiani).

Erzählt wird die Geschichte des jungen Kreuzritters Rinaldo, der im Ersten Kreuzzug des christlichen Heerführers Gottfried von Bouillon (Goffredo) bei der Eroberung der Stadt Jerusalem gemäß Torquato Tassos berühmtem Epos Gerusalemme liberata eine bedeutende Rolle gespielt haben soll. Die Zauberin Armida erkennt, dass die belagerte Stadt ihres Verbündeten und Geliebten Argante nur vor den Kreuzrittern bewahrt werden kann, wenn Rinaldo außer Gefecht gesetzt wird. Also entführt sie seine Geliebte Almirena, die Tochter Goffredos, und bringt damit auch Rinaldo in ihre Macht. Allerdings verliebt sie sich in den Kreuzritter, während Argante Gefallen an Almirena findet. Schließlich können Goffredo und sein Bruder Eustazio mit Hilfe des christlichen Zauberers Mago Rinaldo und Almirena aus den Fängen Armidas befreien. Es kommt zur entscheidenden Schlacht, bei der die Stadt eingenommen wird. Armida und Argante werden verschont, weil sie zum christlichen Glauben übertreten, und Rinaldo darf endlich seine Geliebte Almirena heiraten.

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Armida auf ihrem Drachen (Foto: Ida Zenna)

Während sich die Solisten mit den Musikern im Orchestergraben befinden, gehört die Bühne ganz den Marionetten. Und die zehn Marionettenspieler erzeugen mit ihrem Spiel einen Zauber, der mit realen Menschen kaum eingefangen werden könnte. Auf bis zu fünf Brücken spielt die Compagnia in die Bühnentiefe, was also genau der Kulissenstaffelung einer Barockbühne entspricht. So verzaubern hierbei nicht nur die fantasievoll gemalten Bühnenbilder, die mal das Lager Goffredos, mal einen Zauberwald, in dem Armida ihr Unwesen treibt, und dann wieder eine Strandlandschaft zeigen, während im Hintergrund das in mehreren Ebenen wogende Meer zu sehen ist, sondern auch die szenischen Effekte, die mit den Puppen regelrecht magisch umgesetzt werden. Wenn Armida sich beispielsweise in Almirena verwandelt, um Rinaldo zu verführen, dreht sich unter leichtem Bühnennebel eine Bühnenwand, die die Zauberin zu Rinaldos Geliebten mutieren lässt. Auch die Drachen, auf denen Armida auf die Bühne reitet, wirken in diesem Zusammenhang keineswegs verkitscht, sondern passen wunderbar in dieses märchenhafte Konzept. Wenn bei der Schlacht die beiden Heere im Hintergrund aufeinandertreffen, staunt man, wie die Puppenspieler diese Massen so kongenial zu bewegen vermögen. Auch die Gesten der Figuren zu den einzelnen Arien lassen die barocke Sprache wieder lebendig werden. Faszinierend ist auch, dass sogar die Münder der Puppen zum gesungenen Text bewegt werden. Die zauberhafte Kostümierung der Figuren macht das optische Erlebnis perfekt.

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Goffredo (rechts) und sein Bruder Eustazio (links) sorgen sich um Almirena und Rinaldo, die sich in Armidas Gewalt befinden (Foto: Ida Zenna).

Auch die musikalische Umsetzung lässt keinerlei Wünsche offen. Wolfgang Katschner arbeitet mit der Lautten Compagney Berlin die vielschichtige lautmalerische Klangsprache der Partitur äußerst differenziert heraus. So hört man bei der Perkussion sehr deutlich den Galopp der Pferde, die sich auf dem Kreuzzug befinden, oder bei der Blockflöte die zahlreichen kleinen Vögel, die Almirena umschwirren. Gleiches gilt für die Solisten. Hagen Matzeit stattet die Titelpartie mit einem beweglichen Countertenor aus, der sowohl die leidenden Töne in "Cara sposa" wunderbar trifft, wenn Rinaldo seine Geliebte Almirena verloren hat und völlig orientierungslos ist, als auch in seiner großen Arie "Or la tromba in suon festante" seinen Heldenmut im Wechselspiel mit den Blechbläsern ertönen lässt. Yosemeh Adjei überzeugt als Goffredo mit einem kräftigen Countertenor, der seine Stellung als Heerführer manifestiert. Artem Krutko klingt hingegen als Eustazio etwas samtiger und damit charakterlich weicher. Für die erkrankte Aleksandra Zamojska ist recht kurzfristig Gesche Geier eingesprungen, die die Partie der Armida bereits an den vorherigen Spielorten der diesjährigen Tournee interpretiert hat. Mit großer Variation gelingt auch ihr ein stimmlicher Wechsel zwischen einer Furie, die die Götter der Unterwelt heraufbeschwört, wenn sie an den Kreuzrittern Rache nehmen will, was besonders in ihrer großen Arie "Vo' far guerra, e vincer voglio" zum Ausdruck kommt, und recht sanften Tönen, wenn sich Armida ihre Schwäche für Rinaldo eingestehen muss. Olivia Vermeulen stattet Almirena mit einem sehr weichen Sopran aus, der die Leiden der jungen Frau vor allem in einer der wohl berühmtesten Händel-Arien, "Lascia ch'io pianga", mehr als spürbar macht. Auch Tobias Berndt und Florian Götz überzeugen als kämpferischer Argante und weiser Mago mit ausdrucksstarkem Bariton.

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Schlussbild: Die Marionetten mit der Lautten Compagney Berlin und Wolfgang Katschner (Foto: Ida Zenna)

So gibt es am Ende nicht nur riesigen Beifall für eine hervorragende musikalische Umsetzung und eine traumhafte Produktion, bei der dann auch die Sänger zu ihren jeweiligen Marionetten treten und sich vor ihnen verbeugen, sondern auch einen Blick hinter die Kulissen, wenn der Vorhang, der die Marionettenspieler verdeckt hat, angehoben wird und man die Massen an Bühnenbildern auf der rechten und linken Seite sieht, die die Spieler neben den Marionetten noch bewegen müssen. Das einzige Manko ist vielleicht, dass das Badische Staatstheater für eine solche Aufführung fast zu groß ist, da das Puppenspiel eigentlich eines kleineren Rahmens bedarf, um näher am Geschehen zu sein und die Bewegungen der Puppen differenzierter erkennen zu können. Aber dann hätte man sicherlich nicht die große Kartennachfrage befriedigen können, die diese Produktion zweifelsfrei gehabt hat.

FAZIT

Wer Händels Zauberoper in barocker Opulenz erleben möchte, sollte diese Produktion auf keinen Fall verpassen. Lohnenswert dürfte auch die DVD zu dieser Inszenierung sein, die im Herbst 2014 bei Arthaus Musik erscheinen soll.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Wolfgang Katschner

Technische Leitung
Tiziano Marcolegio

Licht
Franco Citterio

Regie
Eugenio Monti Colla

 

Lautten Compagney Berlin

Compagnia Marionettistica
Carlo Colla e Figli

 

Solisten

Rinaldo
Hagen Matzeit

Armida
Aleksandra Zamojska /
*Gesche Geier

Almirena
Olivia Vermeulen

Argante
Tobias Berndt

Goffredo
Yosemeh Adjei

Eustazio
Artem Krutko

Mago
Florian Götz


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Badischen Staatstheater Karlsruhe
(Homepage)



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