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Internationale Gluck-Opern-Festspiele
Nürnberg

14.07.2014 - 27.07.2014

Orpheus

Ballett von Xin Peng Wang
Musik von Igor Strawinsky und aus der altchinesischen Ming-Zeit

Aufführungsdauer: ca. 1h (keine Pause)

Koproduktion mit dem Ballett Dortmund

Premiere im Stadttheater Fürth am 18.07.2014


 

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Verbindung zweier Mythen 

Von Thomas Molke / Fotos von Ludwig Olah


Dass die Geschichte um den thrakischen Sänger Orpheus, der seine Gattin Eurydike aus der Unterwelt zurückholen will, Thema bei den Internationalen Gluck-Opern-Festspielen  ist verwundert nicht, da Glucks Opernreform gewissermaßen mit einer Neukomposition dieser Geschichte seinen Anfang nahm. Auch dass dieser Mythos in Form eines Ballettes präsentiert wird, klingt plausibel, da Gluck den Balletteinlagen in seinen Opern handlungstragende Eigenschaften eingeräumt hat und sie nicht, wie es zu Glucks Zeit üblich war, als bloße Divertissements betrachtet hat. Dass der Dortmunder Ballettdirektor Xin Peng Wang in diesem Ballett unter dem Titel Orpheus aber nun die 1947 entstandene Komposition von Igor Strawinsky mit dem chinesischen Mythos Mudan Ting, dem bedeutendsten Werk der Kunqu-Oper, die im 16. Jahrhundert die Vorläuferin der Peking-Oper darstellte, kombiniert, mag auf den ersten Blick dann doch ein wenig irritieren. Doch Wangs Dramaturg Christian Baier erläutert es in der Einführung zum Stück mit dem übergeordneten Thema der diesjährigen Festspiele: ReForm und ReVision bedeute auch, welche Auswirkungen Glucks Opernschaffen auf die Nachwelt habe. Mit Blick auf Strawinsky trifft das sicherlich zu, da in seiner Musik zahlreiche Zitate von Gluck zu finden sind. Aber wie verhält es sich bei der vor Gluck entstandenen Kunqu-Oper?

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Noch ist ihre Welt in Ordnung: Orpheus (Dmitry Semionov) und Eurydike (Monica Fotescu-Uta).

Nach Baier sind es vor allem die Parallelen der beiden Mythen, die Wang fasziniert hätten, wobei nicht klar sei, ob die asiatische und die europäische Geschichte unabhängig voneinander entstanden seien oder einander beeinflusst hätten. In Mudan Ting übernimmt allerdings die Frau den aktiven Part. Du Liniang erwirkt von den Göttern, dass ihr Geist nach ihrem viel zu frühen Tod in die Menschenwelt zurückkehren darf, um weiter nach dem Mann ihrer Träume zu suchen. Der begegnet ihr in dem jungen Studenten Liu Mengmei, der daraufhin ihren Leichnam wieder ausgräbt, um auch ihren Körper zu neuem Leben zu erwecken. Die Überliefungen des Endes variieren ähnlich wie beim Orpheus-Mythos. Während es in der ursprünglichen Fassung der Oper ein glückliche Verbindung des Liebespaares durch einen Deus ex machina gibt, der eine Verurteilung des jungen Mann verhindert und auch Du Liniangs Körper in die Menschenwelt zurückkehren lässt, bleibt den beiden in späteren Fassungen ein gemeinsames Leben verwehrt, und Du Liniang kann nur nachts in der Welt der Träume bei Liu Mengmei verweilen.

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Orpheus (Dmitry Semionov) will seine Geliebte Eurydike (Monica Fotescu-Uta) aus der Unterwelt zurückholen.

Wang folgt in seinem Handlungsballett aber hauptsächlich, wie es der Titel des Abends schon sagt, dem Orpheus-Mythos und unterbricht die gut halbstündige Komposition Strawinskys an zahlreichen Stellen durch Musik aus der altchinesischen Ming-Zeit, die im Gegensatz zu Strawinskys Musik vom Band eingespielt wird. Dabei überrascht, wie modern die durch starke rhythmische Perkussionen geprägten Klänge wirken, auch wenn sich dabei nicht immer erschließt, was inhaltlich an diesen Stellen eigentlich erzählt werden soll. Direkt zu Beginn des Abends treten die Tänzerinnen und Tänzer mit ausdrucksstarken Bewegungen zu diesen Perkussionen auf. Aus der Masse der Tänzer lösen sich im folgenden "Lento sostenuto" von Strawinsky Orpheus und Eurydike und finden in einem innigen Pas de deux zueinander. Doch die Harmonie wird schnell gestört. Aristeus tritt dazwischen und versucht, Orpheus und Eurydike auseinander zu bringen. Als ihm dies nicht gelingt, sieht er nur noch einen einzigen Ausweg. Er muss Eurydike töten.

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Orpheus (Dmitry Semionov, im Hintergrund) steigt zu Eurydike (Monica Fotescu-Uta) in die Unterwelt herab.

Wang verzichtet in seiner Choreographie größtenteils auf ein Bühnenbild, das lediglich aus zehn Hockern im Hintergrund der Bühne besteht, und arbeitet vor allem mit Lichteffekten, die in den einzelnen Szenen durch die bloße Farbgebung die jeweilige Stimmung gut nachvollziehbar einfangen. So ist das erste Pas de deux der beiden Liebenden in zartem Gelb gehalten, das hell wie das Sonnenlicht strahlt. Mit dem Auftritt des Aristeus wechselt die Farbe zu einem dunklen Rot, was sowohl Aristeus' unerfüllte Liebe zu Eurydike symbolisiert, als auch seine Bereitschaft, dafür zu morden. Dieses Rot wird bei seinem Mord an Eurydike durch einen Handschuh an seiner rechten Hand wieder aufgenommen. Wenn er später in den Armen anderer Frauen Vergessen sucht, ist der Hintergrund in ein kühles Blau getaucht, was die Leere in seinem Herzen andeutet. Eine wichtige Bedeutung kommt auch den Augen der Tänzerinnen und Tänzer zu. Mit Ausnahme von Orpheus und Eurydike führt bei den Männern ein schwarzer Streifen und bei den Frauen ein roter Streifen wie ein Band über die Augen. Wenn Eurydike in die Unterwelt kommt, hat sie ebenfalls einen roten Streifen über den Augen, was bedeuten könnte, dass dieser Streifen den Übergang in eine andere Welt markiert.

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Ensemble mit ausdrucksstarkem Tanz zu altchinesischer Musik

Mit seinen bloßen Augen kann Orpheus der Abstieg in die Unterwelt nicht gelingen. Folglich muss er eine schwarze Brille aufsetzen, um so in der Unterwelt Eurydike entgegentreten zu können. Es kommt zu einem weiteren ergreifenden Pas de deux, das erneut von Aristeus gestört wird. Dieses Mal nimmt er Orpheus die Brille ab. Orpheus erblickt die Geliebte, wie er sie nicht hätte sehen dürfen und verliert sie erneut. Mit getrennten Lichtkegeln wird die Kluft zwischen den beiden Liebenden eindrucksvoll deutlich gemacht. Hier schimmert am Ende die Vision des asiatischen Mythos durch, wenn sich Eurydike und Orpheus allein in ihren Lichtkegeln zu den chinesischen Klängen bewegen. Im Traum dürfen sie noch zueinander finden, doch ein gemeinsames reales Leben bleibt ihnen verwehrt. Aristeus liegt dabei leblos im Hintergrund. Dmitry Semionov stattet die Titelpartie mit kräftigen Sprüngen und großem Ausdruck aus. Monica Fotescu-Uta verleiht mit ihren zarten Bewegungen der Eurydike eine atemberaubende Zerbrechlichkeit, und auch Howard Quintero Lopez begeistert als Bösewicht Aristeus mit diabolischem Spiel.

Das Ensemble begeistert vor allem bei der chinesischen Musik durch ausdrucksstarke Bewegungen, die stellenweise spontanen Szenenapplaus hervorrufen, was besonders amüsant ist, da das Publikum aufgrund der Unbekanntheit der Musik nicht genau erkennen kann, wann die Musik eigentlich zu Ende ist und immer wieder erneut zum Applaus ansetzt, dann wieder innehält, weil die Musik doch noch weitergeht. Einziges Manko bei diesen großartig getanzten Massenszenen ist, dass sie sich teilweise inhaltlich nicht in die Geschichte einordnen lassen, was bei einem Handlungsballett vielleicht wünschenswert wäre, für den Genuss des Tanzes allerdings auch nicht unbedingt erforderlich ist. Marek Šedivý leitet die Prague Philharmonia mit großer Präzision durch Strawinskys Partitur, so dass es nach diesem mit einer Stunde recht kurzen Abend großen Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Den Fans des Dortmunder Balletts, die nicht nach Fürth kommen können, um diese Produktion zu sehen, sei beruhigend mitgeteilt, dass dieser Ballettabend in der übernächsten Spielzeit auch in Dortmund präsentiert werden soll. Vielleicht sollte bis dahin die inhaltliche Verständlichkeit einzelner Szenen noch ein bisschen detaillierter herausgearbeitet werden.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marek
Šedivý

Inszenierung und Choreographie
Xin Peng Wang

Kostüme
Alexandra Schiess

Lichtdesign
Carlo Cerri

Konzept und Dramaturgie
Christian Baier

 

Prague Philharmonia


Solisten

Orpheus
Dmitry Semionov

Eurydike
Monica Fotescu-Uta

Aristeus
Howard Quintero Lopez

Die Dämonen
Gal Mazor Mahzari
Francesco Nigro
Giuseppe Ragona

Die Götter
Alysson da Rocha Alvéz
Francesco Nigro
Giuseppe Ragona

Die Furien
Denise Chiarioni
Stephanine Ricciardi
Emilie Nguyen


Weitere
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